Bundesregierung beim Klimaschutz auf der Gegenspur

Umweltminister Gabriel und die Bundesregierung müssen sich entscheiden, ob sie ernsthaft das Klima oder die deutsche Automobilindustrie schützen wollen. Die Herausforderung ist klar: Wenn im Verkehrsbereich nicht zügig wirksame Schritte für den Klimaschutz eingeleitet werden, machen die steigenden Emissionen aus dem Verkehr alle anderen Reduktionsbemühungen in Industrie und Gewerbe zunichte. Rund 20% aller CO-Emissionen der EU stammen aus dem Verkehr. Tendenz steigend!

EU-Kommission verabschiedet CO2-Reduktionsvorschlag
Der gestern verabschiedete Vorschlag der EU-Kommission sieht ab 2012 Grenzwerte für den Kohlendioxidausstoß (CO2) bei Fahrzeugen vor. Ein legislativer Akt ist dringend nötig, jedoch ist der Vorschlag zu lasch und an zentralen Stellen falsch konzipiert. Die Grenzwerte sollen nach Fahrzeugklassen differenziert werden. Die Reduktionspflichten der Hersteller sollen nach einer Progressionskurve berechnet und unterschiedlich auf Produzenten kleiner und großer Fahrzeuge verteilt werden. Das Gewicht eines Fahrzeuges wird dabei als Kriterium für die Abstufung der Grenzwerte dienen. Das ist klimapolitisch unsinnig, denn es schafft keinen echten Anreiz für leichte, effiziente Fahrzeuge, sondern lädt eher zu Manipulationen am Gewicht ein. Höheres Gewicht bedeutet dann: höherer CO2-Ausstoß ist erlaubt. An dieser Stelle hat sich eindeutig die Autolobby durchgesetzt. Der Nutzen für den Klimaschutz ist begrenzt. Wir Grünen haben daher vorgeschlagen den „footprint“ (Fläche, Volumen) des Fahrzeuges als Basisgröße zu verwenden.

130 Gramm sind zu wenig
Mit dem „integrierten Ansatz“ soll nicht wie lange Zeit geplant der Grenzwert 120 g/km CO2 sondern 130 g/km ab 2012 erreicht werden. Studien zeigen jedoch, dass ein Grenzwert von 120g/km ab 2012 notwendig ist, will die EU ihre gerade in Bali erneuerten Klimaschutzziele im Verkehrssektor anteilig erreichen. Für einen effektiven Klimaschutz fordern wir die Überarbeitung des Vorschlags, er muss für 2012 einen CO2-Grenzwert von 120 g/km festlegen und schon jetzt eine weitere Absenkung auf 80 Gramm für das Jahr 2020 vorschreiben. Die regelmäßige Anschärfung der Grenzwerte hat sich bei den Euro-Normen zur Luftreinhaltung mehr als bewährt.

Strafzahlungen und Pooling
Die Kommission hat auch bei der Höhe der Strafzahlungen große Zugeständnisse an die Fahrzeugindustrie gemacht. Wenn Fahrzeughersteller die durchschnittlichen Reduktionsziele verfehlen, dann sind ab 2012 lediglich 20 Euro pro Gramm CO2 und Fahrzeug fällig. Innerhalb von 4 Jahren steigt die Summe dann bis 95 Euro an. Es steht jedoch zu befürchten, dass Hersteller eher die Strafen zahlen, als in Effizienztechniken zu investieren. Sinn machen Strafsätze nur dann, wenn sie höher liegen als die Kosten der Maßnahmen, die zur CO2- Reduzierung nötig sind. Studien zufolge müssten daher die Strafzahlungen in der Höhe von 100 bis 150 Euro pro g/km Überschreitung des Grenzwertes liegen. Dann wären sie ein wirklicher Anreiz.
Der Vorschlag sieht auch vor, dass Hersteller mit anderen Herstellern Reduktionspflichten untereinander ausgleichen können. Auch verschiedene Hersteller können zusammen dieses Pooling durchführen unter Einhaltung der Wettbewerbsregeln. Es gilt im Detail und sehr kritisch zu prüfen, ob diese Reglung nicht eher zu „Deals“ zwischen Kleinen und Großen führen wird, die ernsthafte Innovationen bei den Spritfressern verhindern und Allianzen entstehen lassen, die nur ein Ziel haben: Klimastrafzahlungen zu vermeiden.

Will der Umweltminister lieber zurück zu VW?
Kaum aus Bali zurück, wo sich Gabriel an die Spitze der Klimaschützer dieser Welt stellte, wird er zum Führsprecher der deutschen Automobilindustrie und schwadroniert gar vom „Krieg“ zwischen europäischen Automobilherstellern. Einem „Wettbewerbskrieg“, den Deutschland gegen Frankreich und Italien führe und nur verlieren könne. Armes Deutschland? Nein: Der Wettbewerbsnachteil ist schlichte Folge einer strategischen Entscheidung deutscher Autobauer. Sie hatten sich entschlossen vor allem ins Premiumsegment zu investieren und schwere, schnelle, verbrauchsstarke und entsprechend hoch emittierende Fahrzeuge herzustellen. Wie bei jeder Festlegung von Grenzwerten sehen Experten betroffener Branchen entweder gleich den ganzen Standort Deutschland mindestens aber ihre Branche resp. zahlreiche Unternehmen untergehen. Ihr Lobbygeschrei gehört leider zum politischen Alltag. Skandalös ist jedoch das sich der für Klimaschutz in diesem Lande zuständige Umweltminister zum Sprachrohr der Autolobby aufschwingt. Er hätte besser daran getan seinem EU-Kollegen dem Umweltkommissar Stavor Dimas gegenüber der Autolobby den Rücken zu stärken.

Bundesregierung muss umfassende Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr auf den Weg bringen

Die deutsche Bundesregierung offenbart ihre Doppelzüngigkeit: Auf der einen Seite große Klimarhetorik auf internationalem Parkett und auf der anderen Seite Bremsen bei konkreten klimapolitischen Maßnahmen. Dabei wird es nur mit einer langfristigen Klimastrategie gelingen, im Automobilmarkt ökologische Innovationsanreize zu schaffen. Für den Klimaschutz brauchen wir Verbesserungen in allen Fahrzeugklassen und mittelfristig ein Green Car. Premium müssen künftig Fahrzeuge sein, die ökologisch Spitze sind. Ambitionierte Grenzwerte wirken hier wie ein Innovationsprogramm, dass die Zukunftsfähigkeit europäischer Hersteller maßgeblich bestimmt. Wäre es nach der deutschen Autoindustrie gegangen, gäbe es heute noch keinen 3-Wege-Kat oder Rußpartikelfilter. Der Verkehr benötigt dringend ökologische Leitplanken. Die Bundesregierung muss mehr tun, als schöne Reden halten. Sie muss durch generelle Tempolimits und eine progressiv ausgerichtete Reform der Kfz-Steuer die Ökologisierung des Autoverkehrs voranbringen. Nur so können wir unsere Klimaschutzziele erreichen und auch morgen noch mobil sein.


 

 

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