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Trotz strömenden Regens hatte die Mehrzahl der rund 100 TeilnehmerInnen
an der Diskussionsveranstaltung der Grünen Bundestagsfraktion
ihren Weg zum Veranstaltungsort auf klimafreundliche Weise gefunden,
per pedes, Rad oder ÖPNV. Insofern hatte sich das Publikum
bereits im Vorfeld auf den Titel der Veranstaltung eingestellt,
die im Rahmen der Verkehrstour „Los bei Grün!“
stattfand.
In ihrer Einleitung verwies Ulrike Höfken,
MdB aus Bitburg und leiderprobte Kennerin der Verkehrsprobleme in
der Region, auf die Aktualität des Themas. Zunehmend sind PendlerInnen
ebenso wie Jugendliche und ältere MitbürgerInnen vom Öffentlichen
Verkehr abgekoppelt, seit Jahren hat die herrschende Politik die
Menschen ins Auto abgeschoben. Busse fahren fast nur noch im Schülerverkehr,
an den Wochenenden „läuft“ nichts mehr. Dieses
mangelhafte Angebot verschlechtert die Attraktivität der Region
und des ländlichen Raums gerade angesichts der demographischen
Entwicklung und hemmt den Tourismus. Die hohen Unfallzahlen gerade
Jugendlicher sind dramatisch.
Seit Jahren wird in der Region Straßenbaumaßnahmen Priorität
gegenüber Schienenprojekten gegeben. Die West-Rheinland-Pfälzer
sind trotz der hohen Pendlerzahlen von ihrer eigenen Landeshauptstadt
oder dem Köln-Bonner-Ballungsgebiet regelrecht isoliert, was
die Bahnanbindung betrifft. Die Bahn fährt – auch Richtung
Luxemburg – mit Geschwindigkeiten wie zu Beginn des letzten
Jahrtausends. Aktuell stünden in der Region die Straßengroßprojekte
wie Nordumfahrung Trier, Lückenschluss der A1 und der bereits
einmal gerichtlich gescheiterte Moselaufstieg wieder auf der Tagesordnung,
anstatt die notwendigen Investitionen in die Erhaltung der vorhandenen
Verkehrswege vorzunehmen und den Umweltverbund auszubauen, kritisierte
die Abgeordnete. Projekte wie die Sanierung der Ehranger Brücke
würden nicht rechtzeitig angegangen, um den Druck auf die Groß-Projekte
aufrecht zu erhalten. Zwar gebe es jetzt auf Druck der Luxemburger
Regierung eine kleine Zeitersparnis durch eine neue Weiche in der
Verbindung Luxemburg-Trier, aber während der Überquerung
der Moselbrücke kann man weiter Blümchen pflücken.
Insbesondere die Stadt-Land-Verbindungen funktionieren nicht. Gebraucht
werden ein länderübergreifender ÖPNV- und Ticket-Verbund
sowie intelligente Mobilitätskonzepte für den ländlichen
Raum, gerade auch nach dem Feinstaub-Urteil des BVG. Die Verringerung
der Feinstaub- und Umweltbelastung muss in der belasteten Trierer
Region endlich zum Schwerpunkt werden.
In der anschließenden Expertenrunde konnten sich alle Referenten
auf die Notwendigkeit der drei Vs - Verkehr vermeiden, verlagern
und verträglich gestalten - als Voraussetzung für
eine klimagerechtere Verkehrspolitik einigen – wenn auch die
Vorstellungen, wie diese zu realisieren sei, höchst unterschiedlich
sind.
Die absolute Notwendigkeit, gerade auch im Verkehrssektor die Klimawende
einzuleiten, hob Winfried Hermann, verkehrspolitischer
Sprecher der Bundestagsfraktion in seinem Eingangsstatement hervor.
So ist der Straßenverkehr mit 20% Anteil am Treibhausgas-Ausstoß
nach der Energieerzeugung der zweitgrößte Klimakiller
überhaupt. Während hier und in der Industrie ein Umdenken
hin zu Einsparung begonnen hat, ist der Anteil des Verkehrs an den
CO2-Emissionen kontinuierlich gestiegen. Nur durch rasches Handeln
auch in diesem Bereich könne die Erderwärmung auf das
von allen Parteien als notwendig anerkannte 2-Grad-Ziel begrenzt
werden, so Hermann.
Dass zu diesem Zweck ein radikales Umdenken in Sachen Mobilität
vonnöten ist, machte der Beitrag von Prof. Heiner Monheim,
Uni Trier, deutlich. Bei der Verkehrsvermeidung spiele auch die
Raumentwicklung eine entscheidende Rolle, so seine These, die Wiederbelebung
urbanen Wohnens sei hier angesichts des Leerstands im Innenstadtbereich
durch fortschreitenden demographischen Wandel und Zersiedelung in
der Fläche ein Trend in die richtige Richtung. Der urbane Mensch
könne viele Aktivitäten durch kurze Wege erledigen und
sei zu Fuß oder mit dem Rad oft schneller am Ziel als mit
dem Auto.
Dies wollte Dr. Richard Groß, ehemaliger
Landrat und Vorsitzender der Initiative Region Trier, so nicht stehen
lassen und brach eine Lanze für den ländlichen Raum. Das
Wohnen dort müsse durch weitere Autobahn-Lückenschlüsse
in der Region ermöglicht werden. Die A1 und die Meulenwaldautobahn
wurden als Beispiele angeführt. Diese würden auch insofern
klimaschonend wirken, als dass sie die Verkehrslage vom Kessel Trier
in die Höhe verlagern würden. Dem widersprach Prof. Monheim
mit der These, weitere Autobahnbauten würden zusätzlichen
Straßenverkehr erst nach sich ziehen. Stattdessen sei auch
in dünn besiedelten Regionen wie der Eifel die Aufrechterhaltung
und der Ausbau von Schienenverkehren, die dort auf dem technischen
Stand der 30er Jahre wären, notwendig und wirtschaftlich sinnvoll.
Über 80% des Verkehrsaukommens sei entgegen der öffentlichen
Wahrnehmung regional. Dagegen würden 90% aller Investitionen
in den Fernverkehr fließen. Der öffentliche Verkehr würde
vor allem deshalb als defizitär wahrgenommen, weil es beim
Straßenbau keine Kostentransparenz gebe, so die Argumentation
des Trierer Verkehrswissenschaftlers.
Welche Rolle auch und vor allem die Psychologie bei unserer Wahrnehmung
des Verkehrsgeschehens und bei der Lenkung unserer Mobilitätswünsche
spielt, machte ein Filmausschnitt aus der studentischen Fahrrad-Kampagne
„Radlust“ deutlich. Die Kampagne will Lust
auf Radfahren im Alltag machen. Sie tut dies geschickt, indem sie
die Werbestrategien der Autoindustrie – von individueller
Freiheit und Unabhängigkeit durch Mobilität – für
sich beansprucht. Kern der Idee ist, dass sich allein durch verbesserte
Werbung und Imagekampagnen für das Radfahren der Anteil der
Radfahrer in Städten verdoppeln lässt, und dies kurzfristig
und ohne einen Cent Investitionen in die Infrastruktur.
Abschließend kam das Publikum zu Wort, welches sich äußerst
interessiert an den vorgetragenen alternativen Mobilitätskonzepten
und Planungen in der Region zeigte. Der einstimmige Wunsch an die
Bundes- und Landespolitik lautete, die BürgerInnen vor Ort
mehr an den Überlegungen und Verkehrsplanungen zu beteiligen.
Dieser Wunsch war bereits am Nachmittag laut geworden, als eine
Delegation der Grünen Bundestagsfraktion die von den Planungen
zu B50-neu, dem so genannten Hochmoselübergang, betroffene
Gemeinde Ürzig besuchte. Hier war eine von der Bürgerinitiative
vorgeschlagene Alternativlösung nicht einmal geprüft worden.
Die Hoffnung der Betroffenen richtet sich nun auf die neuerliche
Klage des BUND wegen unzulässiger Eingriffe in ein Vogelschutzgebiet,
die Anfang November vor dem Bundesverwaltungsgericht verhandelt
wird. Heide Weidemann, stellvertretende Vorsitzende
des BUND in Rheinland-Pfalz ist zuversichtlich, dass auch dieser
Klage des BUND stattgegeben wird. Schon einmal war das Land wegen
mangelhafter Planungen mit dem Vorhaben vor Gericht gescheitert.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Klage
des BUND. „Bundes- und Landesregierung müssen in ihren
Verkehrsplanungen endlich den Mobilitätsbedürfnissen der
Menschen in der Region gerecht werden. Hierfür werden wir uns
auf allen politischen Ebenen weiter einsetzen“, so Ulrike
Höfken zum Abschluss der Veranstaltung.
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