Kommentar von Winne Hermann

 

Zwei Jahre lang hat der sozialdemokratische Bundesverkehrsminister in engster Zusammenarbeit mit dem Bahnvorstand die Privatisierung und den Börsengang vorangetrieben. Übrigens unbehelligt von seiner Partei, die ihn größtenteils wohlwollend, nur vereinzelt auch kritisch gewähren ließ. Trotz aller Proteste aus der Bevölkerung. Trotz zahlreicher Bedenken von Fachleuten und Bahnkennern.
Zur Begründung hieß es, man brauche frisches Geld und es gäbe große institutionelle Anleger, die Interesse an solchen Aktien hätten. Lange hat die Große Koalition gestritten, wie das Privatisierungsmodell aussehen könnte. Ende September wurde schließlich von der Koalition ein Gesetz zur „Teil-Privatisierung“ in den Bundestag eingebracht. Damit sollte der Verkauf der DB bis zu 49% ermöglicht werden. Zugleich sollte der Bund sein Eigentum an der Schieneninfrastruktur der (privatisierten!) DB-AG zur Verfügung stellen und zur Nutzung überlassen, kostenfrei und mit einer Subventionszusage für 15 Jahre von mindestens 2,5 Mrd. € pro Jahr für die Bestandserhaltung plus weiteren unbestimmten Ausgaben für den Aus- und Neubau. Das gewaltige Vermögen der Bahn (von Experten auf einen Wert zwischen 130 und 180 Mrd. € geschätzt) würde, so die Schätzung der Bundesregierung, für ca. 8 Mrd. zur Hälfte an der Börse veräußert werden. Eine Anfrage von mir an die Bundesregierung ergab zudem, dass der Bund etwa 7,5 Mrd. € zahlen müsste, wenn er das (also sein!) Netz nach 15 Jahren zurückhaben wollte. Ein verqueres Konstrukt!

Dieser Ausverkauf der Bahn an private Investoren, diese Verschleuderung hat viele schwer geärgert und verwundert. Warum verscherbeln ausgerechnet Sozialdemokraten, die ansonsten gerne die Anwälte des Gemeinwohls sind, so schäbig Volkseigentum? Und wozu befördern sie die Privatisierung von Infrastruktur, die nach dem Grundgesetz gemeinwohlorientiert in Bundesverantwortung bleiben muss?! Das hat auch viele Genossen an der Basis mächtig gewurmt und zum Widerstand motiviert.
Auf ihrem Bundesparteitag wollen sie die Bahn vor dem Verkauf an Heuschrecken-Fonds retten mit Hilfe der sogenannten Volksaktie ohne Stimmrecht. Leider ist die Volksaktie nicht fürs Volk. Tatsächlich ist sie eine Vorzugsaktie mit höherer Rendite (garantiert!) bei gleichzeitigem Verzicht auf Stimmrechte. Für die BahnkundInnen und die SteuerzahlerInnen bedeutet der scheinbar geniale Schachzug (das Volk kauft seine Bahn – die schon Eigentum des Volkes ist) nichts Gutes. Denn Renditedruck auf die Bahn wird auch von Kleinaktionären ausgeübt, aufgrund des fehlenden Stimmrechts sogar noch stärker. Sie haben per Gesetz Anspruch auf ihre Vorzugsrendite. Besonders „sozial“ ist die Tatsache, dass der Konzern, letztlich aber der Mehrheitseigentümer Bund, die Vorzugsrendite garantieren, d.h. bezahlen muss. Ansonsten bekommt die Vorzugsaktie Stimmrecht! Mit anderen Worten: Die Volksaktie verhindert nicht den Ausverkauf, sie sichert lediglich komfortable Bedingungen für Anleger und ist eine Verschlimmbesserung eines schlechten Gesetzes.

Das Modell Volksaktie ändert auch nichts an der Grundstruktur des von der Regierungskoalition vorgelegten Privatisierungsmodells. Der größte Nutznießer und Betreiber, die DB AG, verfügt als faktischer Eigentümer über’s Netz. Die DB AG wird es im eigenen Interesse pflegen und entwickeln. Selbst wenn durch die Bundesnetzagentur offenkundige Diskriminierungen unterbunden werden, so werden die Interessen der Konkurrenzanbieter strukturvoll benachteiligt. So wird eine Monopolstruktur im Schienenbereich zementiert und Wettbewerb verhindert. Anstatt aus den Fehlern der Privatisierung im Strom- und Telefonbereich zu lernen, werden die gleichen Fehler gemacht: die Infrastruktur, d.h. das Netz wird privatisiert, anstatt sie in öffentlicher Hand zu halten für einen regulierten Wettbewerb. Mit dem sogenannten integrierten Börsengang (mit oder ohne Volksaktie) wird im Schienenbereich eine Monopolstruktur zementiert, die im Energiebereich bei jeder Preiserhöhung lauthals beklagt wird, auch von Genossinnen und Genossen. Für all diese Probleme bietet die Volksaktie keine Lösung. Sie beruhigt allenfalls das sozialdemokratische Gewissen. Ein frommer Selbstbetrug.

Bleibt die Hoffnung, dass das Vorzugsaktienmodell in der Koalition nicht mehrheitsfähig ist und das Ende des Börsengangs á la Mehdorn/Tiefensee einleitet.


 

 

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