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Links >> Reader Auf dem Weg in die Nachhaltigkeit - Zukunftsstrategie für Deutschland - Fachtagung 04.12.2000 Berlin

 

Vorwort:

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

die heutige Bundesregierung ist die erste, die sich "Nachhaltige Entwicklung" als Leitbild für ihre Politik gesetzt hat. An diesem hohen Anspruch wird sie sich messen lassen.

Infolgedessen formulierte sie in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Reformprojekten, die hier stellvertretend für eine sich abzeichnende, neue Umweltpolitik stehen. Der ökologische Trend geht hin zu strategischen Langzeitplanungen, ohne akut notwendige Maßnahmen zu vergessen. Die Förderung der Energiewende durch das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) steht ebenso für die neue Nachhaltigkeit, wie die Internalisierung externer Umweltkosten durch die Ökologische Steuerreform. Sie geht im nächsten Jahr als erfolgreiches sozial-ökologisches Projekt mit einer weiteren Senkung der Lohnnebenkosten schon in ihre dritte Stufe. Jüngstes Beispiel ist eine ambitionierte Klimaschutzstrategie, deren Ziel die Erfüllung der Selbstverpflichtung Deutschlands über eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen ist.

Dies alles sind hoffnungsvolle Ansätze in wichtigen Teilbereichen. Was jedoch noch fehlt, um den Anforderungen des Weltgipfels von Rio und seines als AGENDA 21 bekannt gewordenen, globalen Aktionsprogramms wirklich zu genügen, ist die Entwicklung einer nationalen Gesamtstrategie. Nach dem Beschluss der UN-Sondervollversammlung 1997 in New York soll auch die Bundesrepublik bis spätestens 2002 zur "Rio+10"-Folgeveranstal-tung mit einer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie aufwarten. Bundesregierung und Bundestag werden alles tun, um diese Frist einzuhalten.

Neu an einer Gesamtstrategie ist die umfassende Querverknüpfung aller politischen Ressorts, wie sie im inzwischen eingerichteten Staatssekretärsausschuss (Green Cabinet) seinen Ausdruck findet. Analog zur europäischen Integrationspolitik ist auch hier eine Einbindung ökologischer Belange in alle anderen Politikbereiche besonders wichtig.

Neu daran ist die umfassende Beteiligung aller wichtigen, gesellschaftlichen Akteure bereits bei der Ziel- und Willensbildung. Mit der Bewältigung dieser Aufgabe des Zukunftsrates und mit der Transparenz der Erarbeitung des Ziele- und Maßnahmenkataloges steht und fällt die Aktzeptanz einer Nachhaltigkeitsstrategie in der Bevölkerung.

Die magische Formel dafür heißt Dialog. Nur, wenn ganz ohne Scheu und Dünkel der Arbeitslose mit dem Wissenschaftler, die Jugendliche mit dem Einwanderer, die Managerin mit dem Ökologen usw. darüber mitdiskutieren und sich einbringen können, wird das vom Parlament verabschiedete Konzept auch tatsächlich von der breiten Gesellschaftsmehrheit getragen. Ich rege ausdrücklich an, die neuen Medien in diesen Dialog stark einzubinden. Ich kann versichern, dass die bündnisgrüne Fraktion und auch mein Büro jede eMail zu diesem Thema ernst nimmt und beantworten wird.

Eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie wird allein schon deshalb auf diese breite, gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen sein, weil sie auch im Wettbewerb zur kurzfristigen, medienauffälligen Umweltpolitik stehen wird. Ihre Ausrichtung auf mittel- und langfristige Ziele und Maßnahmen darf aber nicht hinter der Dominanz kurzfristig notwendiger ad-hoc-Maßnahmen verschwinden. Nur eine attraktive Nachhaltigkeitspolitik im breiten, gesellschaftlichen Konsens kann dies verhindern, nicht jedoch ein von oben diktierter Maßnahmenkatalog wie in einigen anderen Staaten der Welt geschehen.

Seit der hier dokumentierten Veranstaltung sind bereits einige Monate vergangen. Trotzdem ist sein Inhalt nach wie vor hochaktuell. Erst Ende Januar 2000 hat der Deutsche Bundestag die Beschlussempfehlung des Umweltausschusses zur Einrichtung eines Zukunftsrates und zur Erarbeitung einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Erst in diesen Wochen werden entsprechende Vorlagen dem Kabinett zur Abstimmung vorgelegt werden. Der Prozess der Strategieerarbeitung steckt noch in den Kinderschuhen und die Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit lässt Experimente im Vorgehen kaum zu. Um rechtzeitig zu einer tragfähigen und realistischen Strategie zu finden, müssen wir ohne Verzug den richtigen Weg beschreiten. Wenn dann allerdings das Ergebnis nicht in der Lage ist, die Menschen zu faszinieren, zu erstaunen und zu begeistern, hätten wir den falschen Weg gewählt.

Mit diesem Reader versprechen wir uns daher einen Anstoß in der Debatte um die Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsstrategie in die richtige Richtung. Wir danken den Referenten für die vielfältigen Anregungen, möglicherweise den ersten Bausteinen einer dauerhaft nachhaltigen, strategischen Umweltplanung. Und wir kündigen bereits jetzt an, dass die Bundestagsfraktion im Dezember 2000 - ein Jahr nach der Veranstaltung "... auf dem Weg in die Nachhaltigkeit - Zukunftsrat für Deutschland" eine Folgetagung geplant hat. Ein Jahr danach und wo stehen wir...?

Ihr/Euer

Winfried Hermann

Inhalt:

Vorwort

Winfried Hermann

Eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland 4

Gila Altmann, MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit

Nachhaltigkeit als Chance für eine moderne Umweltpolitik 7

Winfried Hermann, MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Soziale Anforderungen an eine nationale Nachhaltigkeits- 11

strategie aus sozialdemokratischer Sicht

Marion Caspers-Merk, MdB SPD

Umweltplan und Umweltqualitätsziele als Grundlage einer 14

nachhaltigen Entwicklung

Dr. Hans-Jürgen Nantke, Umweltbundesamt

Entwicklungspolitische Ziele einer nationalen Nachhaltig- 20

keitsstrategie

Jürgen Maier, Forum Umwelt & Entwicklung

Strategien für eine nachhaltige Entwicklung umsetzen - 25 Brückenschlag zwischen Politik und Wirtschaft

Dr. Michael Braun, Arthur D. Little

Nachhaltigkeitsstrategien im europäischen Vergleich 30

Prof. Dr. Martin Jänicke, FU Berlin

Nationaler Nachhaltigkeitsrat in Deutschland 43

Cornelia Quennet-Thielen, Bundesministerium für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit

Politikinnovation auf der globalen Ebene - Eine Welt- 49

organisation für Umwelt und Entwicklung

Prof. Dr. Udo E. Simonis, Wissenschaftszentrum Berlin

Schwedens Weg in die Nachhaltigkeit 63

Jon Kahn, Umweltministerium Schweden, Miljömålskomittén

Neue politische Konzepte für Nachhaltige Entwicklung 68

Dr. Reinhard Loske, MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Autoren 74

 

Gila Altmann:

Eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland

Zunächst möchte ich Winfried Hermann beglückwünschen und ihm danken für seine Initiative, diese Veranstaltung durchzuführen. Ich denke, dies ist angemessen zum Ende eines Jahrtausends und weil diese Initiative auch innerhalb der Bundesregierung einiges - in positiver Hinsicht - in Gang setzte.

Die Nachhaltigkeitsstrategie ist Teil des Koalitionsvertrages und damit ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Für uns sind hierbei drei Punkte wichtig:

1. Was heißt nachhaltige Entwicklung?

2. Was versprechen wir uns von solch einer Strategie?

3. Wie lässt sich der gesellschaftliche Dialog, der hier schon angesprochen worden ist, voranbringen?

Nachhaltige Entwicklung bedeutet für uns, nicht mehr wie bisher auf Kosten der künftigen Generationen zu leben. Nachhaltigkeit heißt in einem umfassenderen Sinne, Vorsorge zu treffen: für die Zukunft, für unsere Kinder und Enkel.

Dieser Gedanke lässt sich nicht reduzieren auf die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, auf Ökologie, auf die Umwelt. Dazu gehört auch eine nachhaltige Finanzpolitik und dazu gehört auch eine Sicherung der Sozialversicherungssysteme. Aber der Ausgangspunkt ist die Ökologie. Das heißt, wir müssen uns, um nachhaltig wirtschaften zu können, auf diese Grundlage, auf die Ökologie berufen. Nur so können wir auf Dauer sichere, umweltfreundliche, nachhaltige Arbeitsplätze schaffen und die sozialen Systeme stabil halten.

Das gilt nicht nur national, sondern, das gilt auch global. Denn wir wissen, wir haben eine wachsende Weltbevölkerung und wir haben Länder - Schwellenländer, Entwicklungsländer - die mit gutem Recht nachziehen, die versuchen, einen ähnlichen Standard zu erreichen wie wir. Und wir werden es in der Hand haben, diesen Prozess so zu gestalten, dass wir unseren Globus dabei nicht überfordern.

Die Bundesregierung hat bereits im ersten Jahr damit begonnen, die Weichen umzustellen - jenseits der allgemeinen öffentlichen Aufregung und der Negativdarstellung in den Medien . Es ist viel passiert, positives passiert. Es sind Weichen gestellt worden in Richtung Energiewende und sparsamem Umgang mit Ressourcen. Dazu gehört als ein Kernstück die Ökologische Steuerreform, die in dieser Hinsicht dreifach wirken soll:

1. Das Einsparen von Energie, vor allem von fossilen Brennstoffen, soll gleichzeitig Innovationen vorantreiben.

2. Es geht darum, das Klimaschutzziel zu erreichen, wofür dies eine Voraussetzung ist.

3. Durch die Senkung der Lohnnebenkosten kann der umweltfreundliche Faktor Arbeit wieder konkurrenzfähig werden. Mit der Senkung der Rentenbeiträge von 20 auf 18,8 Prozent ist der erste Schritt getan.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie muss aber diesen Impuls, neue umweltverträgliche Technologien in Verbindung mit neuen Arbeitsplätzen zu schaffen, hinaus auch etwas weiteres schaffen. Sie muss eine Änderung des Konsumverhaltens bewirken, einen Wertewandel hervorrufen. Und das bedeutet, dass im Bereich Bildung und Forschung viel mehr als bisher genau auf diesen Aspekt geachtet werden muss.

Das soll nun nicht bedeuten, dass wir einer “Verzichtskultur” das Wort reden wollen, aber es muss klar sein, dass diese Dinge zusammengehören.

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, diesen Prozess, der als gesamtgesellschaftlicher Prozess zu verstehen ist, in einem öffentlichen und offenen Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen aus Wirtschaft, Verbänden und Politik zu gestalten - mit Gruppen, die unterschiedliche und zum Teil heftig konkurrierende Interessen repräsentieren. Wir denken, dass nur dann ein Schuh daraus wird, wenn wir wirklich die Kontroversen führen und offen legen und uns auch darüber verständigen, dass wir die Umweltpolitik als Querschnittspolitik begreifen und darüber zu einem Konsens kommen. Und das Ganze soll praxisorientiert geschehen. Wir wollen aus dem Himmel der Theorien hinabsteigen in die Praxis. Wir sehen nur darin die Chance, diesen Prozess auch wirklich gesellschaftlich zu verankern.

Dazu gehören fünf Elemente:

1. Analyse der Ist-Situation. Hier kommt bereits der Nachhaltigkeitsrat oder Zukunftsrat zum Tragen, der eine wichtige Funktion innerhalb dieses Prozesses einnehmen soll.

2. Demonstration innovativer Modellprojekte,

3. Institutionalisierung. Neben dem Rat für Nachhaltige Entwicklung soll es den ständigen Ausschuss der Staatssekretäre geben zur ressortübergreifenden Abstimmung.

4. Breite Kommunikation in der Öffentlichkeit. Dazu gehört als wesentliches Element eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit mit allen Mitteln, die uns dafür zur Verfügung stehen.

5. Monitoring, d.h. eine ständige Bewertung des Umsetzungsschritte, um auch wirklich zu wissen, an welchem Punkt wir stehen.

Die Anforderungen, die wir an eine solche Nachhaltigkeitsstrategie stellen, sind vorausschauende Planung und das Miteinbeziehen aller Akteure zu jedem Zeitpunkt. Wir erhoffen uns dadurch, Verantwortung mobilisieren zu können, in Identifikation mit diesem Projekt. Erreichen wollen wir das durch Veranstaltungen wie diese, durch Workshops, durch Symposien und Exkursionen.

Ein weiterer wichtiger Punkt, ist die Orientierung - wir brauchen sie auf allen Ebenen: lokal, regional und global. Wir haben bereits vor dem Hintergrund des Agenda 21-Prozesses z.B. das Klimabündnis der Städte. Das brauchen wir genauso wie die internationale Kooperation, was beispielsweise die Politik im Ostseeraum oder im Alpenraum betrifft. Vor diesem Hintergrund wollen wir auch die Alpenkonvention, die ziemlich zum Erliegen gekommen ist, wieder voranbringen.

Auf europäischer Ebene gibt es bereits Beschlüsse, die diesen Gedanken in sich tragen, wenn man an Cardiff 1998, Köln 1999 oder jetzt Helsinki denkt. Es wird auch eine europäische Nachhaltigkeitsstrategie geben, die Eingang in das Sechste EU-Umweltaktionsprogramm finden wird. Ein weiterer Schritt wird die internationale Zusammenarbeit sein, denn nur so kann aus der Globalisierung - die ja in vielerlei Hinsicht als Gefahr gesehen wird - eine große Chance werden.

Der Vorsitz des bereits erwähnte Staatssekretärsausschusses zur ressortübergreifenden Steuerung wird, ähnlich wie bei dem britischen Modell, beim Bundeskanzleramt angesiedelt sein - auch, um deutlich zu machen, dass es sich um ein Projekt der gesamten Bundesregierung handelt.

Der Staatssekretärsausschuss soll zu ausgewählten Handlungsschwerpunkten Maßnahmen und Ziele erarbeiten und sie an Indikatoren anbinden. Die Indikatoren dürfen zwar nicht überhandnehmen, aber ein paar brauchen wir. Sie sollen dazu geeignet sein, so zentrale Problembereiche wie Verkehr, Siedlungsentwicklung und Biodiversität auf Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit zu überprüfen.

Weitere Themen werden integrierte Lösungskonzepte im Klimaschutz sein. Dazu gehört besonders die Energiepolitik, vor allem die Effizienzdiskussion. Ferner geht es um Ressourcenschonung und -management. Dazu gehören die Bereiche Wasser, Boden, Kreislaufwirtschaft, Stoffstrommanagement usw. Es geht ebenso um den Bereich Naturschutz, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, vor allen Dingen auch um Schutzgebietsausweitung und die Erhaltung natürlicher und naturnaher Flächen. Und es geht um integrierte Lösungskonzepte im Verkehrsbereich mit den beiden Schwerpunkten Verkehrsverlagerung und technische Optimierung.

Hinzu kommt die Veränderung des Konsumverhaltens, die Umweltbildung und die For

schung und Entwicklung. Dabei stehen Entwicklung und Erprobung innovativer Lösungen für integrierten Umweltschutz und eine verstärkte Implementierung der Nachhaltigkeitsaspekte in die Bildung im Vordergrund.

Das wollen wir erreichen, indem wir alle Akteure an einen Tisch bringen. Die Bundesregierung setzt auf die Kompetenz aus Wissenschaft, aus unternehmerische Initiative, und auf das Umweltbewusstsein bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Wenn wir es schaffen, diese Gruppen aktiv mit einzubeziehen, mit ihnen zu kooperieren, sie in ihrem eigenverantwortlichem Handeln zu stärken, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Dem Nachhaltigkeitsrat oder Zukunftsrat wird eine Schlüsselstellung in diesem gesellschaftlichen Dialog zukommen, denn er soll die Anforderungen aus Sicht der gesellschaftlichen Kräfte formulieren, soll sich kritisch einmischen und soll zum öffentlichen Dialog anregen. .

Es wird darauf ankommen, wie wir in Zukunft dieses Wort, das Konstrukt “Nachhaltigkeit” mit Inhalt, mit konkreten Vorstellungen füllen. Denn nur dann können wir daraus die nötige Überzeugungskraft entfalten, die wir brauchen, um den gesellschaftlichen Prozess auch wirklich zu verankern. In diesem Sinne erhoffe ich mir viele wertvolle Hinweise und Impulse von der heutigen Veranstaltung und wünsche ihr einen guten Verlauf

Winfried Hermann:

Nachhaltigkeit als Chance für eine moderne Umweltpolitik

Die Umsetzung des Bekenntnisses zur Nachhaltigen Entwicklung in politische Prozesse lässt mitunter lange auf sich warten, manchmal sogar sehr lange. So ist es in Deutschland. 1992 hat die Bundesregierung in Rio zahlreiche Verträge unterschrieben - u. a. den Vertrag, in dem sie sich zur einer Nachhaltigkeitsstrategie für die Bundesrepublik Deutschland verpflichtete.

Seither ist nicht sehr viel geschehen. Da und dort gab es Impulse - und unter der alten Regierung ist ein erstes umweltpolitisches Schwerpunktprogramm entstanden, was so etwas Ähnliches war wie eine umweltpolitisch begründete Strategie. Sie wurde nie wirklich verabschiedet. Es kamen die Wahlen und es begann - wie ich hoffe - eine neue Zeit.

Im Koalitionsvertrag steht festgeschrieben, dass wir eine Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland wollen. Es dauerte ein weiteres halbes Jahr, bis Rot-Grün gemeinsam einen Antrag vorbereitet hatte, um dieses Projekt nach vorne zu tragen. Wir haben von Anfang an den Konsens mit allen Fraktionen gesucht und es geschafft, dass alle Fraktionen unter diesen Antrag gehen. Wir haben diesen Antrag kurz vor der Sommerpause in den Umweltausschuss eingebracht und verabschiedet.

Vorgesehen ist, dass in wenigen Wochen - in der ersten großen Debatte des Bundestages im neuen Jahrtausend - dieser Antrag, diskutiert und schließlich verabschiedet wird.

Was sind die Kernelemente des Antrages?

1. Alle Fraktionen sind einig darüber, dass wir eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie brauchen dass die Bundesregierung eine solche entwickeln soll.

2. Ein wichtiges Element bei Entwicklung dieser Strategie ist die Einrichtung eines sogenannten Nachhaltigkeitsrates oder - wie ich ihn lieber nenne - Zukunftsrates mit Persönlichkeiten aus dem gesellschaftlichen Leben.

3. Das Kabinett muss seine Strukturen so reformieren, dass es der Querschnittsaufgabe einer nachhaltigen Entwicklung gerecht wird.

4. Die Bundesregierung soll sowohl lokale als auch regionale Agendaprozesse unterstützen.

5. All dies soll geschehen in engem Verbund mit dem Parlament. Von Anfang an soll eine Beteiligung des Parlaments und der Gesellschaft sichergestellt werden.

Wie gesagt, in der Bundesrepublik hat sich lange nichts getan. Aber jetzt kommen wir - leicht verspätet. Das hat natürlich auch gewisse Vorteile, denn wir können uns nun umschauen: Was haben die anderen Länder gemacht? Wie haben sie gearbeitet? Vielleicht können wir von anderen lernen - aus dem einen oder anderen Fehler, oder auch von guten Beispielen.

Erste Umsetzungsschritte in anderen Ländern und der Europäischen Union

Wenn man die verschiedenen Aktivitäten der anderen Länder betrachtet, lässt sich feststellen, dass zu Beginn überwiegend Umweltpläne die Form der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategien waren: stark ökologieorientiert - man könnte auch sagen ökologielastig; zum Teil sehr detailliert - vielleicht sogar detaillistisch. Einige Länder haben Indikatoren entwickelt; manche haben unendlich viele Indikatoren entwickelt - so viele, dass am Ende vor lauter Indikatoren keine Schwerpunkte mehr erkennbar sind.

Auch in Deutschland wurden - unter der alten Regierung - im Umweltbundesamt und im Umweltministerium vor allem im ökologischen Bereich Vorarbeiten geleistet, die wir heute gut gebrauchen können. Ich betone dies ausdrücklich: Wir haben nicht vor, alles wegzuwerfen und das Rad neu zu erfinden. Nein, wir sehen, dass gute Arbeit in den Behörden und Institutionen geleistet wurde. Das wollen wir aufgreifen, daran wollen wir anknüpfen.

Es gibt inzwischen auch einen Impuls aus Europa. Die Europäische Union hat den Gedanken der Nachhaltigkeit in den Amsterdamer Verträgen verankert und seither bei den Treffen der Räte und der Regierungen immer wieder versucht, dem Anspruch der nachhaltigen Entwicklung auch auf europäischem Niveau gerecht zu werden. So sind auch beim EU-Gipfel in Helsinki solche Überlegungen Gegenstand der Beratung. Es gibt dazu verschiedene Arbeitsgruppen und Kommissionen.

Wir hatten ursprünglich sogar die Hoffnung, heute konkrete Nachhaltigkeitsindikatoren der Europäischen Union hier einbringen zu können, die Teil der neuen EU-Strategie sind. Soweit ist die EU jedoch noch nicht, aber es gibt erste Skizzen eines umfassenden Indikatorensystems und Berichte über den Stand der Integration der Umweltpolitik in andere Politikfelder. Zudem wird derzeit ein “Weißbuch für Wachstum, Beschäftigung und Nachhaltigkeit” erarbeitet.

Dieser Impuls ist wichtig und gut. Es ist sinnvoll, wenn die europäischen Länder sich verständigen - nicht nur auf eine gemeinsame Strategie, sondern auch auf gemeinsame Eckpunkte, wie man sich entwickeln will und wie man diese Entwicklung messen will.

Wenn wir uns in Europa umsehen, dann fällt auf, dass sich einige Länder schon weit nach vorne gewagt haben und gute Beispiele darstellen. Ich konnte mich vor zwei Wochen in Großbritannien mit den Akteuren und Akteurinnen der britischen Nachhaltigkeitsstrategie zusammensetzen und über ihre Erfahrungen sprechen. “A Better Quality Of Life”, so der Titel des in diesem Jahr erschienenen kleinen Bandes zur Nachhaltigkeitsstrategie für Großbritannien. Diese Strategie unterscheidet sich von dem ersten Entwurf, den die Tory-Regierung noch erstellt hat, deutlich. Sie ist zum Beispiel sehr viel stärker sozial orientiert. Sie versucht sehr viel mehr, die Dreidimensionalität der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und Soziales - in einer Strategie zusammenzufassen und setzt eben nicht nur einseitig auf Ökologie.

Interessant an diesem britischen Vorschlag ist auch, dass man versucht, aus der Fülle der Möglichkeiten, aus der Fülle der Anforderungen eine stärker strukturierte Strategie zu formulieren - eine Strategie, die überschaubar ist, die lesbar ist, die damit auch handhabbar ist und somit eine größere Chance hat auf einen pragmatischen Erfolg hat.

Interessant für uns war auch, dass es in Großbritannien verschiedene Kommissionen zur Nachhaltigen Entwicklung gibt und dass man gerade dabei ist, die verschiedenen Kommissionen in eine zusammenzuführen. Dies ist vergleichbar mit der Idee, die wir hier pflegen: die Idee eines Zukunftsrates oder eines Nachhaltigkeitsrates. Zudem hat das britische Parlament einen besonderen Ausschuss eingerichtet, ein “Environmental Audit Committee”, man könnte auch sagen, ein “Nachhaltigkeitskomitee”. Es hat die Aufgabe, die Regierung immer wieder an ihren eigenen Nachhaltigkeitsanprüchen zu überprüfen - ohne weitere Antragsmöglichkeiten. Es handelt sich nicht um einen formalen Ausschuss, sondern um ein öffentliches Kontrollorgan.

Für einen fruchtbaren Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

Nun, was folgt daraus für uns, was wollen wir für Deutschland übernehmen? Welche Umrisse zeichnen sich ab? Ich möchte jetzt nicht die heutige Veranstaltung vorwegnehmen, sondern nur das referieren, was in den letzten Wochen und Monaten in den verschiedenen Ebenen, im Parlament, in der Regierung, im Umweltministerium und im Kanzleramt erörtert wurde.

Klar ist, wir wollen eine alle Dimensionen umfassenden Strategie und keinen Umweltplan. Klar ist auch, wir wollen kein hyperkomplexes, oberabstraktes Modell, sondern eher ein umsetzungs- und handlungsorientiertes Konstrukt: konkret, praxisorientiert, projektorientiert.

Es soll eine Strategie sein, die breite Möglichkeiten der Beteiligung schafft. Sie soll attraktiv für die Bevölkerung sein und attraktiv für die gesellschaftlichen Gruppen und Akteure, die Sie teilweise hier vertreten.

Wir wollen Sie mit dieser Veranstaltung in diesen Diskurs, in diesen Vorbereitungsprozess mit einbinden, Sie rechtzeitig informieren. Wir haben es übrigens auch mit der heutigen Veranstaltung geschafft, die eigene Bundesregierung auf Trab zu bringen. Denn mit dem gesetzten Termin dieser Veranstaltung war man auch in den verschiedenen Ministerien und im Bundeskanzleramt gezwungen, sich nun endlich dranzumachen., Farbe zu bekennen und sich zu einigen.

Wir versprechen uns von diesem ersten Treffen, dass ein Funke überspringt zu Ihnen, in Ihre Organisationen, in Ihr Umfeld. Wir hoffen, dass Sie heute unter den vielen Menschen, die Sie hier treffen, vielleicht den einen oder anderen Handlungspartner finden, mit dem sie ein gemeinsames Projekt angehen. Wir wünschen uns von Ihnen, dass Sie uns Impulse geben, und wir hoffen, dass wir Ihnen Impulse geben können.

Ich möchte das Ganze zum Schluss meines Beitrages in Form von Leitfragen des heutigen Tages zusammenfassen:

  • Wir werden mit den verschiedenen Referaten und Ihren Diskussionsbeiträgen versuchen, der Frage nachzugehen: Wie kann und wie sollte eine deutsche Nachhaltigkeitsstrategie inhaltlich aussehen? Wie sollte sie von der Form her sein, mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten?
  • Wir sollten uns heute verständigen über die Aufgabe und die Rolle eines nationalen Nachhaltigkeitsrates. Wie soll er arbeiten? Was soll er leisten?
  • Wir sollten uns auch gemeinsam über den Tellerrand Deutschlands hinauswagen und einen Blick auf Europa wagen. Was können wir aus den anderen Modellen lernen? Und: Welche Konsequenzen wollen wir daraus ziehen?

Wir hoffen, dass dies alles zusammen ein guter Anfang wird, eine große Chance. Ich glaube jedenfalls, dass das gesamte Projekt ein großes Projekt sein wird. Nicht nur ein Projekt dieser neuen Regierung, sondern - wie wir sehr hoffen - ein Projekt der ganzen Gesellschaft und ein Projekt der kommenden Jahre, um nicht zu sagen, der Jahrzehnte.

Marion Caspers-Merk:

Soziale Anforderungen an eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie aus sozialdemokratischer Sicht

Nachhaltigkeit im Sinne einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung ist als ein Prozess zu verstehen, der eine ökologische, eine soziale und eine ökonomische Dimension umfasst. Es geht also um die Frage, in welchem Zustand wir unsere Umwelt erhalten müssen, damit künftige Generationen Lebenschancen haben.

Dabei stehen sozialdemokratische Positionen für die Betonung gleicher Lebenschancen nicht nur zwischen den verschiedenen Generationen, sondern auch unter den heute lebenden Menschen einer Generation. Solidarität und Gerechtigkeit sind dabei zentrale Punkte.

Es gibt wohl kaum ein vergleichbares Beispielfeld, bei dem das komplexe Beziehungsfeld zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen und Aspekten so ausgeprägt ist wie im Bereich "Bauen und Wohnen".

Zum einen geht es uns alle an - ein Dach über dem Kopf braucht schließlich jeder. Zum anderen ist die Branche in besonderem Maße wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen ausgesetzt. Und nicht zuletzt zeichnet sich der Baubereich durch eine Ressourcenverbrauch aus, der alles andere als nachhaltig ist.

Die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem und angemessenen Wohnraum ist ein wichtiges soziales Ziel. Wohnungen und deren Umfeld müssen sich im Zeitablauf an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen anpassen, und dem ständigen Wandel gesellschaftlicher Strukturen Rechnung tragen. Gleichzeitig muss sich der Wohnungsbestand veränderten individuellen Bedürfnissen und Gebrauchsangewohnheiten anpassen.

Menschen wünschen sich Wohnungen mit hohem Gebrauchswert. Mit zunehmender wirtschaftlicher Prosperität konnten immer mehr Menschen in Deutschland Wohnraum bewohnen, der von der Größe, Ausstattung und dem Wohnumfeld her ihren persönlichen Wünschen und Sprüchen genügte. Das führte dazu, dass in den alten Bundesländern 1965 die Wohnfläche von im Durchschnitt 22m² pro Person auf 36,8 m² im Jahr 1995 anstieg.

Zunehmende Individualisierung mit dem Anspruch auf Selbstverwirklichung, die Veränderung der Familienstrukturen einschließlich der gestiegenen Scheidungsraten, der Trend zu Zweitwohnungen aufgrund einer Verbesserung der Einkommensverhältnisse und der Einkommensverteilung sowie die vom Arbeitsmarkt erwartete hohe Mobilität, sind Ursachen dieser Entwicklung.

So wünschen sich viele Familien in Einfamilienhäusern im Grünen zu wohnen, wohingegen Singles und kinderlose Paare eher Etagenwohnungen nahe den Zentren der Innenstädte bevorzugen.

Dabei steht besonders bei den Familien die Bildung von Wohneigentum im Vordergrund und wird somit im Lauf der nächsten Jahre weiter zunehmen. Insbesondere die Bürger in den neuen Bundesländern planen ab der Jahrtausendwende den Erwerb von Wohneigentum. Nach dem Jahr 2000 wird die Ansparphase abgeschlossen sein. Nach Schätzungen wird die Eigentümerquote im Westen auf 45%, im Osten auf 34% steigen. Der Staat steht hier vor einer großen Herausforderung, dem Bedürfnis nach Wohnraum der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Interessen nachzukommen.

Angesichts ständiger Diskussionen über den Neubau von Wohnungen wird jedoch die Bedeutung des Wohnungsbestandes unterschätzt. Nur knapp über 1% des vorhandenen Gebäudebestandes entstehen jährlich neu. Von dem Baubestand der im Jahr 2020 genutzt werden wird, existieren also gegenwärtig schon rund 75%. Jede Politik eines umfassenden Stoffstrom- und Energiemanagements wird ihre entscheidenden Einflussgrößen daher in einem intelligenten Management des Bestandes suchen. Beispielsweise bieten die Renovierung und Umnutzung bestehender Einrichtungen sowohl Möglichkeiten zur Flächenschonung als auch wirtschaftliche Potentiale und Beschäftigungsmöglichkeiten im Handwerk.

Wir wissen, dass Investitionen in den Bestand mehr Arbeitsplätze binden als Investitionen in den Neubau, da der Anteil der Lohnkosten bei einem Neubau ca. 50% beträgt, bei der Altbausanierung jedoch 70%.

Allein vor diesem Hintergrund bieten sich nun zahlreiche Möglichkeiten im Bereich Bauen und Wohnen Maßnahmen zu ergreifen. Denn betrachten wir doch einmal die Situation:

Architekten arbeiten nach wie vor nicht im nötigen Umfang mit den Bauingenieuren und dem Handwerk zusammen, geschweige denn, dass andere Akteure bzw. Verbraucher eingebunden wären.

Das trägt dazu bei, dass am Bedarf vorbei produziert wird - und jeder weiß, dass dies nicht nur aus Umweltsicht, sondern sich auch wirtschaftlich in absehbarer Zeit rächen muss. Warum also nicht direkte Subventionen, also vor allem die Wohnbau- und Städtebauförderung auf den Bestand umlenken?

Man kann sich sogar die Frage stellen, warum nicht der Wohnungstausch bzw. der Bezug einer kleineren Wohnung - für viele ältere Menschen reizvoll - nicht aus Wohnbaumitteln unterstützt werden kann. Erste Erfahrungen aus Kommunen, beispielsweise aus Hagen oder Hamburg, zeigen, dass ein solches Vorgehen mitsamt Übernahme des Umzugsmanagements durch die Gemeinden bzw. gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen erhebliche Mengen an Wohnraum freisetzt und unter dem Strick deutlich billiger ist als die Neubauförderung.

Zum anderen sollten aber auch persönliche Befindlichkeiten nicht unterschätzt werden, die hier in Berlin sehr deutlich werden: Bislang schüttelte der Bauminister oder der Altkanzler lieber einem schöpferischen Architekten z.B. beim Neubau des Kanzleramtes die Hand, während dem Reparieren und Renovieren ein Geruch von Zweitklassigkeit anhaftet. Und wer bezieht nicht lieber sein eigen entworfenes und durchgeplantes Neubauhäuschen auf der grünen Wiese, statt sich den Gegebenheiten einer Bestandswohnung in der Planung anzupassen. Auch hier muss noch viel getan werden, um Wertvorstellungen - nicht nur bei Architekten - sondern in der gesamten Bevölkerung zu ändern.

Denn auch für den bereich Bauen und Wohnen gilt: Um erfolgreich zu sein, muss das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung in den Köpfen möglichst vieler Menschen als Leitidee für die Zukunft Sinn machen. Dazu muss man unter anderem Initiativen mit einem hohen Maß an Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene fördern und zu deren Verbreitung beitragen. Aus der Idee der Nachhaltigkeit muss eine "Nachhaltigkeit zum Anfassen" werden.

Hier nehmen die Kommunen eine Schlüsselrolle ein. Viele Kommunen in Deutschland haben sich schon auf diesen Weg begeben - Arbeitskreise und die verschiedenen Aktivitäten im Rahmen der Lokalen Agenda 21 zeugen davon. Die Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt" hat in der vergangenen Legislaturperiode diese Aktivitäten nach besten Kräften unterstützt, denn regionale Nachhaltigkeitsstrategien bieten der Gesellschaft ausgezeichnete Chancen zur positiven Gestaltung des wirtschaftlichen Strukturwandels, in dem wir uns befinden.

Zusammenfassend gilt:

Die genannten strategischen Ansätze müssen in Maßnahmen umgesetzt werden, die aufeinander abgestimmt sind - und die in alle relevanten Politikfelder hineinwirken. Als Schlüsselelemente gehören dazu:

  • Umschichtung der Fördermittel vom Neubau auf den Bestand
  • Reduzierung indirekter zugunsten direkter Fördermittel
  • Verbesserung der Architektenausbildung und der Ausbildung im Baugewerbe
  • Förderung des Umzugsmanagements
  • Interessenausgleich zwischen Vermietern und Mietern bei der Modernisierung und Energieeinsparung

Erst die Summe derartiger Maßnahmen bildet einen neuen Rahmen, in dem das Leitbild der Nachhaltigkeit durch eigenverantwortliches Handeln aller Akteure verwirklicht werden kann. Es geht also bei weitem nicht nur darum Ziele zu formulieren, sondern es gilt alle Beteiligten dort abzuholen, wo sie stehen.

Dr. Hans-Jürgen Nantke:

Umweltplan und Umweltqualitätsziele als Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung

Zwei Funktionen eines nationalen Rates für Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund. Da ist zum einen die Funktion des Übersetzers und Transporteurs entscheidungsreifer Nachhaltigkeitsstrategien und -programme in die verschiedenen Politikbereiche. Und da ist zum anderen die Funktion eines Vermittlers, eines Mediators, der diese Konzepte und Programme in den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen “anschlussfähig” macht. Der Rat muss die Integration von Nachhaltigkeitsstrategien und -programmen in alle Politikbereiche sicherstellen, z. B. durch die Förderung integrierter, multisektoraler Politikansätze auf nationaler Ebene unter Einbeziehung aller Akteure. Indem er realistische Etappenziele vorgibt, vermittelt der Rat zugleich zwischen den - wissenschaftlich zu erarbeitenden - Vorstellungen über langfristige Handlungserfordernisse und den aktuellen Handlungsmöglichkeiten der gesellschaftlichen Akteure. Eben hierzu benötigt er neben wissenschaftlich ermittelten Umweltqualitätszielen auch gesellschaftlich akzeptierte Umwelthandlungsziele.

Nachhaltige Entwicklung ist mehr als umweltverträgliche Entwicklung; neben dem ökologischen Bereich sind der ökonomische und der soziale Bereich mit einzubeziehen. Für alle drei Bereiche sind langfristig anzustrebende Ziele auszuhandeln, die anhand weniger Indikatoren für die politisch Verantwortlichen sowie für die Öffentlichkeit überprüft werden können.

Probleme mit dem Nachhaltigkeitsbegriff

Im täglichen Streit mit anderen gesellschaftlichen Interessengruppen ist es leider nicht immer hilfreich, sich auf das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zurückzuziehen. Was das Anerkennen von natürlichen Grenzen für Wirtschaft und Gesellschaft angeht, leidet dieses selbst an einem inneren Widerspruch. Im Zieldreieck Ökologie, Ökonomie und Soziales sollen drei Bereiche miteinander vermittelt werden, von denen zwei - Ökonomie und soziale Wohlfahrt - von ihrer eigenen Zweckbestimmung her keinerlei natürliche Grenzen kennen und anerkennen können. Die Ökonomie geht von der Unendlichkeit der menschlichen Bedürfnisnatur aus, die immer neue Knappheiten schafft, die durch immer neue Anstrengungen überwunden werden. Knappheit ist für die Ökonomie dazu da, einerseits überwunden zu werden, andererseits - als Ansporn - immer neu zu entstehen, niemals um als solche akzeptiert zu werden. Der sozialen Wohlfahrt schwebt im Grunde ebenfalls die Überwindung des Mangels und der Not vor. Beide haben Zielvorstellungen, die mit einer Begrenzung der Naturbeanspruchung völlig unvereinbar sind; per se tendieren sie im Gegenteil zu einer totalen Entgrenzung der Naturbeanspruchung. Ihre Ziele stehen in klarem Widerspruch zum Ziel der Ökologie.

Dieser Widerspruch im Leitbild der nachhaltigen Entwicklung kann nur dann aufgelöst werden, wenn der Ökologie ein Primat im “magischen Dreieck” zugesprochen wird. Nur dann ist es möglich, mit den Grenzen des Naturhaushalts zugleich die Grenzen für Wirtschaft und soziale Wohlfahrt festzulegen.

Abstrakt-generell sind alle Eckpunkte des Nachhaltigkeitsdreiecks - Ökologie, Ökonomie und Soziales - gleichrangig. Keiner darf dem anderen über- oder untergeordnet werden. Je weiter man fortschreitet in der Operationalisierung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, umso deutlicher wird jedoch, dass es limitierende Faktoren für die Ziele der Wirtschaft und der sozialen Wohlfahrt gibt und dass diese in der begrenzten Tragfähigkeit des Naturhaushalts liegen. Nur insofern und insoweit ihre Verwirklichung die Grenzen der Belastbarkeit der natürlichen Lebensgrundlagen nicht überschreiten, sind diese Ziele sinnvoll und gesellschaftlich legitim. Es ist daher der Naturhaushalt, der den Spielraum vorgibt, in dem sich Wirtschaft und Gesellschaft bewegen können. Zumindest in ihrer Funktion als lebenswichtiges Korrektiv hat die Ökologie eine Priorität gegenüber Ökonomie und sozialer Wohlfahrt.

Zur Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen essentiellen und nachrangigen Zielen im Rahmen einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

In den politischen Diskursen zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung hat sich diese Einsicht noch nicht durchgesetzt. Zwar haben einzelne Wissenschaftler und verschiedene politische Institutionen immer wieder betont, dass die Forderung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, eine Balance zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen einzurichten, keineswegs dahingehend missverstanden werden dürfe, dass Umweltschutz nur noch nach Maßgabe des ökonomisch und sozial Vertretbaren betrieben werden soll. Es ist im Gegenteil eine ökologische Grenze für die soziale und ökonomische Entwicklung aufgezeigt worden. So z. B. von der Enquete-Kommission des 13. Deutschen Bundestages “Schutz des Menschen und der Umwelt”: “Die neue Politik muss anerkennen, dass wirtschaftliche Entwicklung und damit auch soziale Wohlfahrt nur in dem Maße möglich sind, in dem die Natur als Lebensgrundlage nicht gefährdet wird.”

Die Forderung, die Tragfähigkeit des Naturhaushalts als Grenze der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft anzuerkennen, ist eines. Ein anderes ist es, diese Forderung gegenüber den Akteuren in Politik und Gesellschaft zu konkretisieren und durchzusetzen. Eine Chance hierfür gibt es nur, wenn es uns gelingt, diese Grenze zumindest kognitiv zu vermitteln, wenn möglich, auch emotional erfahrbar zu machen und dabei essentielle Probleme von nachrangigen zu unterscheiden. Angesichts der Tatsache, dass sich die großen Umweltprobleme heute immer stärker globalisieren und zugleich regional Schwerpunkte bilden, müssen wir bei der Unterscheidung zwischen Prioritäten und Posteroritäten sowohl den weltweiten als auch den regionalen oder nationalen Kontext beachten. Für den Planeten Erde insgesamt haben die von UNEP im Rahmen der kürzlich vorgestellten Studie “GEO 2000” befragten Experten die weltweiten Umweltprobleme in die folgende Reihenfolge gebracht:

1. Wasserknappheit 57%

2. Umweltverschmutzung 57%

3. Klimawandel 56%

4. Entwaldung/Desertifikation 28%

Während die Begrenztheit der Süßwasserressourcen einen der entscheidenden Engpassfaktoren für die Entwicklung großer Teile Afrikas und Asiens darstellt, ist die Verfügbarkeit von Süßwasser für die westeuropäischen Staaten, insbesondere auch für Deutschland im Allgemeinen ein nachrangiges Problem - jedenfalls solange wir die Verschmutzung unserer Gewässer in Grenzen halten können. Vergleichbares gilt für den Problemkomplex Entwaldung/Desertifikation. Demgegenüber ist für das hochindustrialisierte Deutschland, das bei der pro-Kopf-Emission von CO2 weltweit an vierter Stelle steht, das Problem des Klimawandels von höchster Priorität. Deutschland ist hier sowohl als Verursacher als auch als eines der technologisch führenden Länder gefragt. Essentiell für Deutschland ist außerdem ein Problembereich, der in der Prioritätenliste der UNEP-Experten überhaupt nicht auftaucht: der Schutz des Naturhaushalts. Während dieser in vielen großen/weiträumigen und dünn besiedelten Ländern und Regionen noch kein Grund zu Besorgnis darstellt, haben die Nutzungsansprüche im dicht besiedelten, hoch industrialisierten Deutschland solche Ausmaße angenommen, dass sie den Naturhaushalt insgesamt zu überlasten drohen.

Damit der Umwelt ein Primat gegenüber solchen Nutzungsansprüchen zugestanden wird, müssen die Grenzen der Tragfähigkeit des Naturhaushalts so genau bestimmt werden, dass sie als Leitplanken für wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten dienen können. Wir müssen in der Lage sein, klare Antworten auf die Frage zu geben, welche Umwelt wir in welcher Qualität mit Hilfe welcher Strategien und Instrumente unter welchen Kosten erhalten oder wiederherstellen wollen. So unverständlich das für einen Naturschützer alter Schule sein mag: Der Schutz z. B. der Gelbbauchunke oder des Rotschenkels ist keineswegs selbstverständlich, sondern bedarf einer gesellschaftlichen Entscheidung über Vorrangiges und Nachrangiges. Nicht einmal der Schutz der Erdatmosphäre vor klimawirksamen Spurengasen ergibt sich von selbst, sondern setzt einen umfassenden Prozess der Prioritätenbildung und Abstimmung zwischen allen gesellschaftlichen Interessengruppen voraus. Die Überlebenschancen für Gelbbauchunke oder Rotschenkel sind umso größer, je eindeutiger sie auf ein wichtiges Schutzgut zu beziehen sind. Ein Umweltqualitätsziel “Trendwende bei der Artenvielfalt” hilft ihnen noch nicht weiter, aber ein dieses Umweltqualitätsziel konkretisierendes Umwelthandlungsziel “Verbot der Umwandlung von Feuchtgebieten” könnte für Gelbbauchunke und Rotschenkel lebensrettend wirken.

Qualitative Umweltziele sind wichtig, um Umweltpolitik zu legitimieren und ihre Zielerrichtung verständlich und vorstellbar zu machen. Sie erhöhen damit die Akzeptanz von umweltpolitischen Maßnahmen. Solange sie nicht in quantifizierbare Vorgaben überführt werden können, bleiben sie jedoch vage und wenig aussagekräftig. Das Umweltqualitätsziel “Trendwende bei der Artenvielfalt” bedarf zu seiner Konkretisierung und Umsetzung relativ genaue Angaben, in welchem Ausmaß anthropogene Nutzungsansprüche an die Fläche zurückgefahren und stoffliche Einträge reduziert werden müssen. Das Klimaschutzziel bedarf zum einen einer möglichst genauen Bestimmung, welcher Temperaturanstieg von den Großökosystemen der Erde noch verkraftet werden kann und zum anderen einer ebenso genauen Festlegung der Grenzen für die Emission klimawirksamer Gase. Im Allgemeinen wird der Umweltschutz nur dort Erfolg haben, wo er den Umweltbeanspruchern mit quantitativen Angaben zur Tragfähigkeit des Naturhaushalts gegenübertreten kann. Den Spielraum, innerhalb dessen sich Wirtschaft und soziale Wohlfahrt zu bewegen haben, müssen klare und auch im gesellschaftlichen Konsens entwickelte Umweltqualitätsziele vorgeben.

Umweltqualitätsziele und Umwelthandlungsziele als Teil einer Nachhaltigkeitsstrategie

Umweltqualitätsziele charakterisieren einen angestrebten Zustand der Umwelt. Sie verbinden wissenschaftliche Kenntnisse über Ursache-Wirkungszusammenhänge mit Wertungen über Schutzgüter und Schutzniveaus und sind an der Regenerationsrate wichtiger Ressourcen oder an der ökologischen Tragfähigkeit oder auch am Schutz der menschlichen Gesundheit und an den Bedürfnissen heutiger und zukünftiger Generationen orientiert. Ein typisches Beispiel für ein wirkungsbezogenes und vorsorgeorientiertes Umweltqualitätsziel ist die Begrenzung der Erwärmung der Erdatmosphäre auf 0,1 Grad Celsius pro Dekade.

Damit der mit den Umweltqualitätszielen angestrebte Zustand der Umwelt tatsächlich erreicht wird, müssen diese mit Umwelthandlungszielen - politisch auszuhandelnde Teil - oder Etappenziele - unterlegt werden. Umwelthandlungsziele geben die Schritte an, die notwendig sind, um die in Umweltqualitätszielen beschriebenen Zustände der Umwelt zu erreichen. Sie formulieren möglichst quantifizierte und überprüfbare Ziele, die sich an verschiedenen Belastungsfaktoren orientieren und Vorgaben für die notwendigen Umweltentlastungen enthalten. So ist das Umweltqualitätsziel der Klimastabilisierung für Deutschland durch das politische Umwelthandlungsziel konkretisiert, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25% gegenüber 1990 zu senken.

Wenn eine Nachhaltigkeitsstrategie in Politik und Gesellschaft überzeugend sein soll, muss sie zwischen essentiellen, in jedem Fall zu erfüllenden Anforderungen und solchen Forderungen unterscheiden können, die zwar wünschenswert sind, die aber - insbesondere auch im Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Kosten - auch zurückgestellt oder zeitlich gestreckt werden können. Oft genug werden ökonomische und soziale Belange den Umweltanforderungen als gemeinsame Front gegenüberstehen und vehement fordern, dass eine nachhaltige Politik zunächst einmal ihren Zielen und Interessen zu entsprechen habe. Gegen die so verbündeten wirtschaftlichen und sozialen Belange können sich die ökologischen nur behaupten, wenn sie klare und gesellschaftlich akzeptierte Umweltqualitätsziele und Umwelthandlungsziele ins Feld führen können.

Zumindest in Teilbereichen liegen solche essentiellen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung inzwischen vor. So verfügen wir beim Klima über das - international unbestrittene Umweltqualitätsziel “Begrenzung der Erwärmung der Erdatmosphäre auf 0,1 Grad Celsius pro Dekade”. Die Enquete-Kommission des 12. Deutschen Bundestages “Schutz der Erdatmosphäre” hat diesem Umweltqualitätsziel die folgenden Umwelthandlungsziele zugeordnet:

  • Reduzierung der CO2-Emissionen um 25% bis 2005
  • Reduzierung der C02-Emissionen um bis zu 80% bis 2050.

Beim Naturhaushalt haben wir ein nationales Umweltqualitätsziel: “Sicherung der Funktion von Flächen und Landschaften als Grundlage und Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen.” Die korrespondierenden Umwelthandlungsziele sind:

  • Sicherung von 10 - 15 % der nicht besiedelten Fläche des Jahres 1998 als ökologische Vorrangflächen zum Aufbau eines Biotopverbundsystems bis 2020
  • Reduzierung der Flächeninanspruchnahme auf 30 ha pro Tag bis 2020.

Das übergreifende Umweltqualitätsziel bei der Ressourcenschonung heißt: “Substantielle Verminderung des Ressourcenverbrauchs bei Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Wohlfahrtsniveaus und der Lebensqualität”. Dieses Umweltqualitätsziel ist für Energie und Rohstoffe mit je einem Umwelthandlungsziel unterlegt worden, nämlich

  • Verdoppelung der Energieproduktivität bis 2020
  • Erhöhung der Rohstoffproduktivität auf das 2,5-fache bis 2020.
Umweltqualitätsziele in der bisherigen Umweltpolitik

Seit Beginn der Umweltpolitik in Deutschland, spätestens seit dem ersten Umweltprogramm der Bundesregierung von 1971, hat die deutsche Umweltpolitik Zielvorstellungen zur Erhaltung und Verbesserung der Umwelt formuliert und eine Umweltplanung auf lange Sicht angestrebt. In den folgenden Jahren konnten zwar viele Zielvorstellungen konkretisiert und wichtige Umweltstandards festgesetzt werden; ein schlüssiges umweltpolitisches Konzept, das sich an konkreten Qualitätszielen für Schutzgüter (menschliche Gesundheit, ökologisches Gleichgewicht) und Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden) orientiert, gibt es bis heute jedoch nicht. Auch international, etwa im Rahmen der EU oder in internationalen Abkommen, hat sich Deutschland nur wenig für eine stärker an Umweltqualitätszielen orientierte Politik eingesetzt. Es hat sich hierzulande eine im Wesentlichen an emissionsbezogenen Anforderungen ausgerichtete Umweltpolitik behauptet, die sich weitgehend an der technisch möglichen Vermeidung von Umweltbelastungen und nicht an Umweltqualitätszielen orientiert. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass es methodisch und naturwissenschaftlich außerordentlich schwierig ist, die Grenzen der Tragfähigkeit des Naturhaushalts zu bestimmen. Erst im Rahmen der Debatten über das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung sind Umweltqualitätsziele wieder in den Vordergrund gerückt.

Instrumente einer Nachhaltigkeitsstrategie

Wenn wir die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in einem reichen Land des Nordens an die Grenzen der Tragfähigkeit des Naturhaushalts binden wollen, benötigen wir einen tiefgreifenden Struktur- und Bewusstseinswandel. Wirtschaft und Gesellschaft müssen ökologisch umgebaut werden, was insbesondere die Neugestaltung des Ordnungsrahmens voraussetzt. Dabei geht es zum einen um das Ordnungsrecht - Ge- und Verbote, Auflagen - zum anderen um die ökonomischen Instrumente - Lenkungsabgaben, Anreize, Selbstverpflichtungen, Öko-Audits - und schließlich um das informelle, vor allem Information, Aufklärung und die Einladung zur Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern.

Die Marktwirtschaft kann zurecht als effektives Allokationsmedium bezeichnet werden, wenn der Markt von adäquaten umweltpolitischen Regeln gesteuert wird. Dass diese Steuerung möglich ist, zeigten z. B. das seit 1991 gültige Haftungsrecht. Typische Beispiele für eine umweltpolitische Veränderung der Spielregeln sind z. B. die Gefährdungshaftung für Produktionstätigkeiten oder das Verbot, Waren in den Verkehr zu bringen, ohne die Verantwortung für deren spätere umweltgerechte Entsorgung zu übernehmen. Die Vorschläge in den Entwürfen zu einem Umweltgesetzbuch für eine einheitliche Vorhabengenehmigung für umweltrelevante Projekte wie z. B. Industrieanlagen, Straßen und Flughäfen, bieten eine weitere ordnungspolitische Gestaltungsmöglichkeit.

Weil Änderungen der rechtlichen Bestimmungen regelmäßig relativ starke politische Widerstände auslösen und häufig auch nicht punktgenau auf Umweltziele wirken, können wir nicht auf Instrumente verzichten, die Umwelthandlungsziele in einem vorgegebenen Zeitraum relativ treffsicher machen und damit die Umweltqualitätsziele verwirklichen helfen. Das Umwelthandlungsziel für die energetische Ressourcenschonung - die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2020 - setzt die konsequente Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform voraus, während das Umwelthandlungsziel für den Schutz des Naturhaushalts - Sicherung von 10 bis 15 % der nicht besiedelten Fläche des Jahres 1998 als ökologische Vorrangfläche zum Aufbau eines Biotopverbundssystems bis 2020 - nur durch eine erhebliche Verschärfung und Effektivierung des Planungsrechts zu erreichen ist.

Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass sich der für eine nachhaltige Entwicklung unabdingbare ökologische Ordnungsrahmen nicht auf eine einzige Instrumentenart oder ein einziges Instrumentenbündel abstützen kann. Von Medium zu Medium, von Branche zu Branche, von Ressort zu Ressort variieren die Problemlagen, und diese Unterschiede machen verschiedenartige Instrumente zu ihrer Lösung erforderlich. Eine am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung orientierte Politik muss das gesamte verfügbare Instrumentarium einsetzen und ihr Erfolg oder Misserfolg wird nicht zuletzt davon abhängen, ob es ihr gelingt, den jeweils problemadäquaten Instrumentenmix zu finden.

Jürgen Maier:

Entwicklungspolitische Ziele einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie

Ich denke, die Veranstaltung heute ist längst überfällig. Vor zweieinhalb Jahren, bei der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen - fünf Jahre nach Rio - zogen die versammelten Staats- und Regierungschefs eine ernüchternde Bilanz über fünf Jahre Rio-Prozess. Sie stellten sich selbst das Zeugnis aus, ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben und wurden natürlich nicht müde, zu versichern, zehn Jahre nach Rio werde die Bilanz besser ausfallen. Zweieinhalb Jahre - die Hälfte der Zeit - sind seitdem vergangen, doch die globalen Trends sind alles andere als besser geworden. Wir werden also aufs Gaspedal drücken müssen, damit dieser Prozess nicht in einem ähnlichen Schneckentempo verläuft, wie es bisher der Fall war.

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Deutschland haben im Gegensatz dazu recht bald nach Rio angefangen, ihre Hausaufgaben zu machen. Sie erinnern sich wahrscheinlich an die Studie, die 1995 von einer Umweltorganisation, dem BUND, und einer Entwicklungsorganisation, MISEREOR, herausgegeben wurde: “Zukunftsfähiges Deutschland - ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung” war sie überschrieben. Wenn die Bundesregierung nun heute anfängt, über eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie nachzudenken, dann fängt sie nicht bei Null an. Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Vorarbeiten, auch solche, die die globale Dimension, die Nord-Süd-Dimension des ganzen Prozesses betonen.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist kein Umweltplan

Was ist der Unterschied zwischen einem Umweltplan und einer Nachhaltigkeitsstrategie? Es handelt sich dabei nicht nur um verschiedene Begriffe für dasselbe Produkt. Beide Begriffe werden ziemlich häufig vermengt. Es ist daher notwendig, die grundlegend unterschiedlichen Ansätze der beiden Projekte etwas deutlicher zu machen. Es ist nämlich ohne weiteres denkbar, dass ein Land innerhalb seiner Grenzen eine ökologisch vertretbare, ökologisch nachhaltige Politik und Wirtschaftsweise verfolgt, aber dabei in hohem Ausmaß Ressourcen anderer Länder in Anspruch nimmt. Hierdurch wird es diesen Ländern jedoch unmöglich gemacht, dasselbe zu tun, nämlich: sich zu entwickeln.

Der Erdgipfel in Rio 1992 war keine Umweltkonferenz, wie das gerne verkürzt wiedergegeben wird. Es war eine Konferenz für Umwelt und Entwicklung, und der Großteil der Entwicklungsländer hätte wahrscheinlich diese Konferenz boykottiert, wenn sie nur eine Umweltkonferenz gewesen wäre. Sie haben vor einigen Tagen das Scheitern der WTO-Konferenz in Seattle mitbekommen. Dort wurde noch einmal deutlich, dass die Entwicklungsländer nicht bereit sind, sich ihre Chancen auf Entwicklung, ihren Nachholbedarf an Entwicklung, durch ernste oder auch vermeintliche Umweltargumente der Industrieländer streitig machen zu lassen.

Die Hauptverantwortung tragen die Länder des Nordens

Solange 20 Prozent der Erdbevölkerung, die im Norden lebt, 80 Prozent der Rohstoffe verbraucht und dabei natürlich auch 80 Prozent der Treibhausgasemissionen verursacht, solange hat der Süden einen objektiven Nachholbedarf. Anhand einiger Zahlen wird deutlich, dass wir in den Industrieländern unsere Beanspruchung von Ressourcen, unsere Beanspruchung von Umweltraum einfach reduzieren müssen.

Mineralische Rohstoffe

Hier ist der Umgang mit fossilen Brennstoffen das schlagendste Beispiel. Wenn wir uns vor Augen halten, dass der Planet Erde heute etwa 6 Milliarden Menschen Bevölkerung und eine Automobilpopulation von 600 Millionen hat, dann wird deutlich: 10 Menschen, ein Auto. Das ist so etwa die maximale Obergrenze dessen, was an Autoverkehr global verkraftbar ist. Nun hat aber Deutschland 80 Millionen Einwohner und etwas über 40 Millionen Kraftfahrzeuge - also zwei Menschen, ein Auto. Würden wir jetzt dieses Verhältnis hochrechnen auf die ganze Welt, dann ist vollkommen klar: damit haben wir sofort den Klimakollaps. Konkret bedeutet dies, dass wir in Deutschland unseren Automobilbestand reduzieren müssen, damit der Süden automobilmäßig aufholen kann.

Wenn wir umgekehrt die Relation 10 zu 1 in Deutschland einführen würden, blieben hier acht Millionen Autos übrig. Der ADAC hat allein schon 13 Millionen Mitglieder. Hier wird deutlich, was für eine Aufgabe das ist. Man kann aber auch andere Beispiele nehmen, die weniger spektakulär sind.

Wenn etwa Deutschland seinen Aluminiumverbrauch auf ein global nachhaltiges Maß reduzieren würde, dann müssten wir 90 Prozent unseres Aluminiumverbrauchs abbauen.

Wir können das auf andere Rohstoffe - Eisenerz, Kupfer usw. - übertragen. Die Zahlen sind anders, aber letztlich ist klar, dass der Verbrauch bei uns viel zu hoch ist.

Landwirtschaft und nachwachsende Rohstoffe

Hier sieht das Bild ganz ähnlich aus. Nehmen wir etwa Papier. Wir alle verbrauchen Unmengen an Papier - und wer politisch tätig ist, verbraucht wahrscheinlich besonders viel Papier. Deutschland ist mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 200 Kilogramm Papier - da sind Säuglinge und Greise mit eingerechnet - Nummer 3 im weltweiten Verbrauch. Wir können unseren Papierverbrauch nur durchhalten, wenn wir Unmengen Papier importieren, aus Skandinavien, aus Kanada, zum Teil auch aus südlichen Ländern. Das bedeutet natürlich, dieser hohe Verbrauch wäre global nicht möglich.

Nehmen wir die Landwirtschaft. Die Europäische Union belegt etwa 45 Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche außerhalb ihrer eigenen Territorien, um ihren Verbrauch an landwirtschaftlichen Produkten decken zu können. 45 Millionen Hektar - umgerechnet auf Deutschland, bedeuten: Deutschland belegt etwa ein Drittel landwirtschaftliche Fläche zusätzlich in Ländern des Südens, um den hohen Fleischverbrauch, der nur durch Futtermittelimporte durchhaltbar ist, befriedigen zu können. Und das in einer Situation, wo sich die durchschnittlich jedem Erdenbürger zur Verfügung stehende landwirtschaftliche Fläche seit 1965 von 0,34 auf 0,2 Hektar reduziert hat. Verantwortlich für diesen Prozess ist zum einen der Bevölkerungszuwachs, zum anderen aber auch die Tatsache, dass immer mehr Böden im Süden erodieren. Wegen Übernutzung findet Landdegradation statt - und der Bestand an landwirtschaftlich nutzbarer Fläche kann nur erhalten werden, wenn woanders Wald abgeholzt wird.

Es gibt eine ganze Reihe weiterer Beispiele - Ihnen wird das alles im Großen und Ganzen sicher auch bekannt sein. Diese Beispiele zeigen, dass unsere Lebens- und Wirtschaftsweise schlichtweg nicht globalisierbar ist: Ein erfolgreicher Aufstieg etwa Chinas zum Konsumniveau von Hongkong und Taiwan würde nichts anderes als eine Ökokatastrophe bedeuten.

Es kann also uns nicht darum gehen, dass wir unser im Norden existierendes Konsumniveau als gottgegebenes Resultat der bisherigen Weltentwicklung hinstellen und dem Süden aufgrund der begrenzten Belastbarkeit des Planeten Erde jegliche Entwicklungsmöglichkeiten verweigern. Das ist natürlich keine politische Strategie, die vertretbar oder durchhaltbar wäre. Es kann nur darum gehen, dass wir die Volkswirtschaften des Nordens so nachhaltig machen, dass die Länder des Südens sich entwickeln können und das müssen wir als Chance betrachten und nicht als Bedrohung.

Globale Aspekte einer Nachhaltigkeitsstrategie

Und das bedeutet - ich will jetzt ein Beispiel nennen, das den Unterschied zwischen einem Umweltplan und einer Nachhaltigkeitsstrategie besonders gut verdeutlichen kann: die Massentierhaltung. Sie ist dafür verantwortlich, dass in vielen Ländern des Südens Futtermittel für die Tiere im Norden angebaut werden müssen - cash-crops, damit Devisen erwirtschaftet werden können. So müssen auch Länder wie Äthiopien, wo die Menschen hungern, Futtermittel für den Norden produzieren..

Das bedeutet, daß wir die Umweltprobleme der Massentierhaltung etwa in Norddeutschland nicht damit lösen, daß wir irgendwelche scharfe Emissionsstandards für Gülle verhängen. Das ist zwar notwendig und mit einigem technischen Aufwand auch machbar, das Problem ist allerdings damit noch nicht gelöst.

Wenn tatsächlich die Tierhaltung in Norddeutschland nachhaltig werden soll, müssen wir sehr viel weiter gehen. Wir müssen beim Futtermittelimport ansetzen. Dieser muß begrenzt, reduziert, erschwert werden. Man müßte dazu übergehen, die Tierhaltung wieder an Flächen zu binden, d.h. verstärkt extensive Landwirtschaft zu betreiben. Damit würde natürlich auch das Gülleproblem reduziert. Gleichzeitig könnten die EU-Agrarüberschüsse reduziert werden, die heute kostspielig - mittels Subventionen - auf den Weltmärkten entsorgt werden und in den Entwicklungsländern die Märkte kaputtmachen. Auch der Energieverbrauch würde reduziert, denn die Massentierhaltung in fabrikartigen Anlagen verbraucht Unmengen an Energie. Und wir hätten natürlich eine Situation, dass die Lebensmittel bei uns gesünder würden. Sie würden allerdings - zumindest die Fleischprodukte - auch teurer werden. Damit aber hätte der Süden mehr Flächen zur Verfügung, die dringend zur Ernährung der Menschen dort benötigt werden.

Das klingt zunächst sehr einfach. Es würde jedoch auf der anderen Seite im Süden auch Probleme mit sich bringen. Es gibt eine ganze Reihe von Staaten, die kurzfristige Devisenprobleme bekämen, wenn hier Exportmöglichkeiten wegfielen.

Wir kommen gar nicht darum herum, diese globalen Dimensionen von Nachhaltigkeit in unsere Überlegungen mit einzubeziehen. Es ist auch klar, dass eine solche Nachhaltigkeitsstrategie einen erheblich höheren politischen Aufwand verursacht als eine reine Strategie zur Begrenzung von Umweltproblemen im Inland. Es ist aber ebenso klar, dass nur so die Probleme wirklich konsequent angegangen werden können - nur dann sind wir in der Lage, als Bundesrepublik Deutschland einen Beitrag zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung zu leisten.

Der Export von Umweltproblemen muss gestoppt werden

Man hat bisher auch sehr häufig Umweltprobleme exportiert, in dem man etwa hergegangen ist, und im Inland bestimmte Verbrauchs- und Konsummuster per Auflage - per Gesetz etc. - nachhaltig gemacht hat ohne gleichzeitig die dahinter liegenden Wirtschafts- und Produktionsweisen zu verändern. So beispielsweise Japan, ein Land mit einem hohen Holzverbrauch pro Kopf, das aber seine eigenen Wälder unter strengsten Schutz gestellt hat. Heute ist festzustellen, dass ein großer Teil der Abholzungen in Südamerika oder Südostasien auf das Konto Japans geht, weil seither der Holzbedarf durch Importe gedeckt wird.

Wir müssen bei einer Nachhaltigkeitsstrategie darauf achten, dass wir Umweltprobleme nicht exportieren. Eine reine Begrenzung auf Umweltstandards scheint naheliegend, doch Deutschland muss seinen ökologischen Rucksack weltweit gesehen reduzieren. Wir müssen das, was in der bereits zitierten Studie von BUND und MISEREOR mit dem schönen Slogan “Gut leben statt viel haben” beschrieben wurde, ein Stück weit in praktische Politik umsetzen, wenn wir auf eine Reduzierung unseres Rohstoffverbrauchs hinarbeiten.

Entwicklungspolitik muss stärker in die Nachhaltigkeitsdiskussion einbezogen werden

Entwicklungspolitik, wie sie auch die Bundesrepublik leistet, ist zum Teil in ihrer Umgestaltung hin zur Nachhaltigkeit schon deutlich weiter gekommen ist, als das was wir im Inland machen. Gleichzeitig stellen wir aber fest, dass sich viele Länder im Süden immer noch die nördlichen Industrieländer als die einzige Form von Entwicklung zum Vorbild nehmen.

Die deutsche Entwicklungspolitik fördert etwa erneuerbare Energien im Ausland sehr viel stärker, als das im Inland der Fall ist. So kommt es, dass in Afrika und in asiatischen Ländern die Leute sagen “Was sollen wir mit euren Windrädern und Solaröfen? Ihr macht doch zu Hause auch andere Dinge. Warum wollt ihr uns diesen Ramsch geben? Wir wollen das gleiche haben wie ihr. Wir wollen uns entwickeln, wir wollen Autobahnen, wir wollen Großkraftwerke usw.” Auch unter diesem Gesichtspunkt ist eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie von erheblicher Bedeutung. Eine Technologie, die im Inland nicht zum Einsatz kommt, hat auf dem Weltmarkt keine Chance, weil das Vorbild fehlt. Ein Problem ist hierbei sicherlich, dass die entwicklungspolitische Seite sich in diese ganzen Diskussion bisher sehr wenig eingebracht hat.

Das Forum Umwelt und Entwicklung hat im Februar eine Tagung zu diesem Thema veranstaltet, zu der das BMU und das BMZ eingeladen waren. Der Vertreter des BMZ begann seinen Vortrag damit, er wisse eigentlich gar nicht, warum er hier eingeladen wurde. Das illustriert die Tatsache, dass man im Grunde die globale Dimension der Nachhaltigkeit inzwischen ein Stück weit wieder vergessen hat.

Die Studie “Zukunftsfähiges Deutschland” betont diese globalen Aspekte sehr viel stärker, als dies heute in der zum Teil verkürzten Nachhaltigkeitsdiskussion der Fall ist. Ich kann daher nur an die Bundesregierung und an die gesellschaftlichen Kräfte, die sich in diesen Prozess einbringen appellieren, die globale Dimension in einer solchen Nachhaltigkeitsstrategie nicht zu vergessen.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie muss alte Politikmuster verändern

Wir haben nicht mehr viel Zeit. In zweieinhalb Jahren ist nicht nur “10 Jahre nach Rio”, wo wieder Bilanz gezogen wird und wo die Staatschefs der Welt etwas mehr vorweisen wollen als 5 Jahre nach Rio. Sie haben bis dahin in Deutschland auch wieder eine Bundestagswahl, und ich denke, ein Nachhaltigkeitsprozess, der bis dahin keine Ergebnisse vorweisen kann, wird relativ wenig Chancen haben, in der praktischen Politik auch Durchsetzungskraft zu entwickeln.

Durchsetzungskraft ist aber notwendig. Warum ist bis 5 Jahre nach Rio und bis jetzt ,7,5 Jahre nach Rio, so wenig passiert? Weil Nachhaltigkeit am laufenden Band in Konflikt gerät mit Politikmustern, die sich über Jahrzehnte eingeschliffen haben und die auch einen Regierungswechsel sehr glatt und sehr reibungslos überstehen. Eine Nachhaltigkeitsstrategie wird an diesen Politikmustern sehr, sehr viel ändern müssen. Es geht um die Bereiche Verkehrspolitik, Energiepolitik, Landwirtschaftspolitik, alle diese Dinge. Auch der europäische Kontext muss berücksichtigt werden, beispielsweise in der Landwirtschaftspolitik. Hier ist langer Atem notwendig, aber langer Atem lebt auch davon, dass Erfolge vorzuweisen sind. In diesem Sinne steht die Bundesregierung unter dem Zwang, rasch konkrete Ergebnisse vorweisen zu können. Insofern ist es sehr zu begrüßen, dass die Gesellschaft hier stark involviert werden soll, denn der gesellschaftliche Druck in Richtung Nachhaltigkeit ist mitunter stärker als der des politischen Establishments.

Dr. Michael Braun:

Strategien für eine nachhaltige Entwicklung umsetzen - Brückenschlag zwischen Politik und Wirtschaft

Wenn ich mit meinen beiden Zukunftsexperten - meinen beiden Kindern, 14 und 17 Jahre alt - über das Thema Zukunft und Nachhaltigkeit debattiere, dann vermitteln sie mir einen ambivalenten Eindruck, der einerseits eine gewisse Zukunftsangst beinhaltet: die Angst davor, dass sich einmal in Gang gebrachte Entwicklungen verselbständigen und letztlich zur Bedrohung für uns werden. Auf der anderen Seite beinhaltet dieser Eindruck auch eine Art Zukunftsgläubigkeit, einen gewissen Optimismus und damit verbunden durchaus auch den Glauben daran, dass Technik, Technologie, Innovation im Grunde genommen nichts Schlechtes per se ist, sondern dass es darauf ankommt, was wir daraus machen.

Die Science-Fiction-Serie Star Trek transportiert beispielsweise die Vision, dass Menschen Gutes wollen, Gutes tun, und dass letztlich alle Probleme irgendwie mittels Technik lösbar sind. Von diesen technischen Visionen scheint heute in der Tat fast alles machbar zu sein - und es scheint auch für viele der Dinge dieser Visionen auch wirklich einen konkreten Bedarf, einen konkreten Wunsch danach zu geben. Nehmen Sie zum Beispiel die Star-Trek-Vision des “Essens-Generators”. Die Vision eines solchen Gerätes entspricht dem simplen Bedürfnis, jederzeit sofort eine warme Mahlzeit haben zu können - und das ist ein wichtiges Thema heutzutage. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich verändert und dieses Bedürfnis entstehen lassen. Wer am Abend nach Hause kommt und dort nicht die Füße unter den Tisch legen und sich bedienen lassen kann, der ist froh, dass es diese Technik gibt, mit der man innerhalb einer Viertelstunde ein wohlschmeckendes Essen zustande bringen kann: die Mikrowelle.

Ich glaube, bei einigen von Ihnen etwas anderes zu hören. Ich glaube, auch eine gewisse Angst zu hören, Angst vor der Zukunft - und genau die höre ich bei meinen Kindern auch. Das sind die Themen, wenn ich mit meinen Kindern über Zukunft debattiere: Die Angst vor Katastrophen, die Angst vor unbeherrschbarer Technik, die Angst vor dem Verbrauch von Ressourcen, vor der unwiederbringlichen Schaffung von Tatsachen, die uns heute vielleicht noch gar nicht bewusst sind, die aber letztendlich zu unumkehrbaren Entwicklungen führen.

Wir müssen heute in der Politik und in der Wirtschaft ständig Entscheidungen treffen über die Gestaltung unserer Zukunft, deren Folgen wir heute noch gar nicht absehen können. Wir können die langfristigen Konsequenzen beim besten Willen nicht absehen. Was haben die Entscheidungen, die die Bundesregierung in den nächsten drei, vier Jahren unter dem Stichwort Nachhaltigkeit treffen wird, tatsächlich in fünf, zehn oder zwanzig Jahren für Auswirkungen? Woran liegt es, dass seit Rio so wenig passiert ist? Liegt es wirklich daran, dass wir weiterhin einfach blind technikgläubig sind? Oder liegt es daran, dass wir Gutes predigen, Gutes vielleicht auch glauben, dass aber letztendlich Entscheidungen immer in eine falsche Richtung fallen? Was treibt Entscheidungen heute in unserer Welt an? Was bringt uns voran und in welche Richtung bringt uns das eigentlich voran?

Sie werden keine Probleme lösen, wenn sie nicht alle Beteiligten an einen Tisch bekommen. Über eines müssen Sie sich klar sein: Es wird keine deutsche Umweltpolitik, es wird keine deutsche Nachhaltigkeitsstrategie für sich alleine geben können. Wir leben in einer Welt der Globalisierung. Wir leben in einer Welt, in der Unternehmen jederzeit ausweichen können. Das bedeutet, dass nationale umweltpolitische Entscheidungen jederzeit Entwicklungen in Gang setzen können, die zwar bei uns in die richtige Richtung weisen mögen, irgendwo anders auf der Welt aber Fehlentwicklungen herbeiführen.

Wir müssen tatsächlich die drei Ziele - Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und sozialer Wohlstand - unter einen Hut bringen, und zwar nicht nur hier in Deutschland, sondern wir müssen dabei über den deutschen Tellerrand hinaus denken. Wir müssen einerseits versuchen, Umweltschutz voranzutreiben. Wir müssen aber gleichzeitig auch dafür sorgen, dass wir weiterhin in Zukunft wirtschaftliche Prosperität bei uns haben werden, um Arbeitsplätze, um sozialen Wohlstand sichern zu können. Sie müssen sich hierbei vor Augen halten, dass zwei der drei Ziele von unserer Fähigkeit abhängen, Arbeitsplätze in diesem Land zu schaffen und zu erhalten.

Die Chemieindustrie war traditionell lange einer der Hauptarbeitgeber in Deutschland. In den vergangenen Jahren wurden hier jedoch ständig Arbeitsplätze abgebaut. (Folie 1) Das ist ein Zug der Entwicklung, der ganz normal ist - dasselbe wird auch in anderen Branchen passieren. Die Verteilung von Direktinvestitionen im In- und Ausland macht jedoch deutlich, dass Investitionen aus Deutschland abwandern in andere Länder. Betrachtet man die Arbeitsplatzentwicklung in der Chemieindustrie weltweit, sieht das Bild etwas anders aus, denn nicht ein einziger Arbeitsplatz wird endgültig abgebaut. Die Arbeitsplätze werden einfach nur verlagert - in Länder, wo vielleicht niedrigere Umweltstandards die Produktion erleichtern - die Produktion, die man vielleicht hier bei uns nicht haben möchte. So verschieben wir das Problem, anstatt es zu lösen. Die Arbeitsplätze gehen hier verloren.

Nun könnte man einwenden: Wir sind doch auf dem Weg in die Dienstleistungsgesellschaft, in die Informationsgesellschaft. Da entstehen neue Arbeitsplätze. Doch auch das wird genau dem gleichen Trend folgen: Es wird auch in solchen neuen Branchen dieselben Entwicklungen geben. Jede Branche, jedes Produkt hat einen Lebenszyklus - und irgendwann wird auch das zu Ende sein. Unsere Fähigkeit, hier sozialen Wohlstand auf Dauer zu erhalten, hängt entscheidend davon ab, dass wir es schaffen, das Ziel Umweltschutz mit dem Ziel “Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen” unter einen Hut zu bringen. Was wir brauchen, ist die Fähigkeit, uns diesem dramatischen technologischen Wandel, in dem wir leben, anpassen zu können. Das bedeutet, auch wenn dies inzwischen abgedroschen klingen mag: Wir müssen wirklich innovativ bleiben. (Folie 2) Innovativ nicht im Sinne von technischer Erfindung, sondern innovativ darin, unseren Platz als Deutschland in der Weltwirtschaft zu finden - unseren Platz darin zu finden, in diesem Wettlauf ständig mithalten zu können. Wenn uns das nicht gelingt, wird das auf Kosten unserer Kinder - auch auf Kosten meiner beiden Kinder - gehen. Wir werden diesem Land keinen Gefallen tun, wenn wir das Ziel “Erhaltung sozialen Wohlstandes” aus den Augen verlieren.

Nachhaltigkeit ist mehr als nur Umweltschutz. Ein nachhaltiger Innovationsprozess muss alle Bereiche einer modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft einbeziehen. (Folie 3) Das heißt, wir müssen eine ganze Reihe von Schlüsselerfolgsfaktoren erfüllen, zu denen auch der Umweltfaktor gehört. Wir müssen Wege für ein konstruktives Zusammenspiel aller Kräfte suchen. Politik und öffentliche Verwaltung haben bestimmte Ziele, die sie aber nur verwirklichen können, wenn die Wirtschaft mitspielt bei der Umsetzung dieser Ziele. Wir brauchen eigentlich einen Entwicklungsprozess, in dem zwei Dinge zusammenspielen, in dem auf der einen Seite von oben nach unten Politik definiert wird, politische Ziele festgelegt werden - Umweltziele, Nachhaltigkeitsziele, Wachstumsziele. In diesem Prozess müssen aber auf der anderen Seite auch Anreize geschaffen werden, Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Wirtschaft von sich aus zur Umsetzung dieser Ziele beiträgt. Und genau an dieser Stelle klemmt es meiner Meinung nach. Das Ineinandergreifen dieser beiden Dinge funktioniert bei uns - meines Erachtens - nicht.

Alte Vorurteile behindern die Zukunftsgestaltung

Wenn wir ein nachhaltiges Wachstum wollen, müssen wir alle Interessengruppen an einen Tisch bringen - und nicht nur das. Wir müssen sie dazu bringen, alle am gleichen Strick zu ziehen, und zwar in die gleiche Richtung, am gleichen Ende des Stricks.

Wir haben hier drei wesentliche Gruppierungen.

  • Politik und öffentliche Verwaltung,
  • Bürger,
  • Industrie und Wirtschaft.
Damit das besser funktioniert, müssen wir uns von alten, traditionellen Feindbildern lösen.

Wir müssen aufhören, den wirtschaftlich Verantwortlichen als den zu sehen, der lediglich an seinen Profit orientiert ist und dafür alles andere gewissens- und bedenkenlos opfert. Sie können mir glauben, ich bin nicht der einzige, der in der Wirtschaft tätig, Kinder hat und sich sehr viele Gedanken über deren Zukunft macht. Auf der anderen Seite müssen wir uns, was Technik und Wissenschaft betrifft, auch von unserer Fortschrittsgläubigkeit lösen. Da gibt es nicht nur historische, spektakuläre Beispiele wie die Kernenergie. Wir müssen an dieser Stelle Verantwortungsbewusstsein entwickeln. Technik, Wissenschaft ist zunächst einmal in ihren Ergebnissen wertneutral, aber sie wird wertig durch das, was wir daraus machen. Aber wir müssen uns auch lösen von dem Vorurteil auf der anderen Seite des Zauns, dass Umweltschutz inkompatibel mit Wirtschaftswachstum sei. Mit anderen Worten: Wir müssen lernen, uns innerhalb dieser drei Interessengruppen besser zu verstehen. Wir müssen lernen, miteinander zu sprechen, das heißt, wir müssen lernen, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. (Folie 4) Das ist heute nicht der Fall, glauben Sie mir das.

Viele der Vokabeln, die hier in diesem Kreis benutzt werden, werden von dem einen oder anderen meiner industriellen Kunden entweder nicht verstanden oder von vornherein mit starkem Misstrauen belegt. An dieser Stelle müssen wir arbeiten - wir müssen wirklich lernen, alle miteinander zu reden.

Es müssen wirtschaftliche Anreize geschaffen werden

Nun lassen Sie mich auf den Unternehmer noch einmal eingehen. (Folie 5) Was passiert denn im Kopf des Unternehmers? Der Unternehmer muss wirtschaftliche Tragfähigkeit im Auge haben. Er muss wirtschaftliche Ziele erfüllen - das ist seine Aufgabe und das sollten wir auch so akzeptieren. Wenn wir nun ökologische “Nebenwirkungen” im Verhalten des Unternehmers erzielen wollen, dann müssen wir entsprechende Anreize für ihn schaffen. Und diese Anreize sind durchaus da. Wenn Sie sich ansehen, wie heute in der produzierenden Industrie ein klassischer Herstellungsprozess funktioniert, dann gibt es eine ganze Reihe von möglichen Ansatzpunkten:

Was geschieht in einer Fabrik? Ein Teil der Inputs, der gewünschte Teil, geht in Produkte und Dienstleistungen, die ein Unternehmen generiert. Es entstehen zunächst Herstellungskosten, während der Zeit der Produktnutzung entstehen Servicekosten, und schließlich am Ende Kosten für die Entsorgung des Produkts. Dazu kommen externe Kosten, die der Unternehmer - zu recht oder zu unrecht - nicht trägt, Umweltbelastungen usw.

Auf der anderen Seite haben wir den Teil, der in Abfall, Abwasser, Abluft, Abwärme, eingeht, d.h. den “unerwünschten” Teil. Und hier wird unter Umständen sehr viel vergeudet. Es gibt also eine ganze Reihe von Ansatzpunkten, wie man einen Unternehmer - ohne ihm die Daumenschrauben von gesetzlichen Verordnungen anlegen zu müssen - über rein wirtschaftliche Argumentation dazu bringen kann, sich Gedanken darüber zu machen, wie er solche Prozesse optimieren kann. Und Sie sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit heute die Entsorgung in vielen Branchen bereits in den Produktions- und Produkt-Lebenszyklus-Gestaltungsprozess einfließt.

Wir müssen systematisch einen konstruktiven Dialog aufbauen

Wir müssen die Beteiligten an einen Tisch kriegen - wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen. Dazu müssen wir folgendermaßen vorgehen:

  • Es geht erstens darum, die Zukunft zu erforschen, Entwicklungstrends und ihre Auswirkungen zu erkennen. Wo geht die soziale Entwicklung auf unseren Planeten hin? Wo geht die technische Entwicklung hin? Wir müssen uns aber auch damit beschäftigen, wohin die wirtschaftliche Entwicklung geht. Wie entwickelt sich die Weltwirtschaft? Seattle hat gezeigt, dass es hier - unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten betrachtet - auch bedenkliche Entwicklungen gibt. Aber es hat keinen Sinn, die Augen davor zu verschließen. Es hat auch keinen Sinn, solche Entwicklungen einfach zu verteufeln. Man muss sich stattdessen konstruktiv mit ihnen auseinandersetzen, um sie verändern zu können.
  • Zweitens muss man folgendes tun: Man muss seine angestrebte Position festlegen. Was können wir als Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Gesetzmäßigkeiten der Weltwirtschaft - die heute teilweise durchaus darwinistisch sind - tun, um einen Beitrag zu leisten? Wir sind keine Insel.
  • Das Dritte: Dann können wir einen organisatorischen Rahmen schaffen. Ein nationaler Zukunftsrat ist der richtige Weg, denke ich.
  • Dann müssen wir entschlossen und konsequent handeln und Verantwortungen festlegen.

Dazu müssen wir einen systematischen Dialog aufbauen. (Folie 6) Dieser Dialog muss am Anfang sehr stark darin bestehen, zunächst einmal Verständnis zu schaffen für die Ziele, für die Strategien, für die Möglichkeiten, aber auch für Grenzen der einzelnen Interessengruppen in unserem Land. Dabei müssen wir uns darüber klar sein, dass ein Unternehmer in Zeiten des “Shareholder Value” unter sehr starkem Druck steht, dass er wirtschaftliche Ziele hat, die immer enger werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass es zunächst andere Faktoren sind, die sein Verhalten beeinflussen als die Faktoren, die vielleicht die Politik beeinflussen, die die Politik umweltpolitisch engagierter Menschen beeinflussen. Wir müssen lernen, diese unterschiedlichen Ziele, diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zu verstehen und wir müssen dann versuchen, Zielkongruenz herbeizuführen. Das heißt, wir müssen versuchen, Wege zu finden, wie wir die Beteiligten dazu bringen, an einem Strick zu ziehen, das Machbare herauszufiltern und auch tatsächlich zu machen.

Das bedeutet für uns, das wir ein übergeordnetes Ziel “Nachhaltiges Wachstum” zunächst einmal herunterbrechen müssen in bearbeitbare Einzelziele - ob es die Sicherung von Qualität und Quantität unserer Arbeitsplätze ist, ob es die Erhaltung des Wirtschaftsstandortes Deutschland ist, die effiziente Ressourcennutzung, der Umweltschutz usw. (Folie 7) Diese Ziele können dann anschließend bearbeitet werden. Dafür kann man Instrumente finden, um voranzukommen. Aber zunächst einmal müssen wir Diskussionsplattformen schaffen, auf denen die beteiligten Gruppen sich tatsächlich austauschen, miteinander sprechen können. (Folie 8) Wenn dies nicht gelingt, wird auch in den nächsten 2,5 Jahren nichts passieren - und 10 Jahre nach Rio werden wir immer noch dastehen und feststellen, dass nicht weiter sind als damals vor 10 Jahren.

In diesem ganzen Prozess genügt es keinesfalls, endlos rationale Argumente auszutauschen. Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass es hier bei allen Beteiligten Ängste gibt. Es gibt Berührungsängste gegenüber manchen modernen Technologien, es gibt Berührungsängste auf wirtschaftlicher Seite - häufig gegenüber dem Thema Umweltschutz und ähnliche Dinge. Wir können eigentlich nur eines tun: einen konstruktiven Dialog aufzubauen und versuchen, Vertrauen zu schaffen. Wenn wir die ökologischen Probleme dadurch lösen, dass wir den Wirtschaftsstandort Deutschland mit seinen sozialen Komponenten vernichten, dann werden wir das Ziel “Nachhaltiges Wachstum” nicht erreichen.

Prof. Dr. Martin Jänicke:
Nachhaltigkeitsstrategien im europäischen Vergleich

Zusammenfassung: Nachhaltige Entwicklung betrifft nicht nur das Ziel, diese Erde für künftige Generationen bewohnbar zu erhalten. Es geht auch um einen neuen, strategischen Ansatz langfristiger Umweltpolitik. Dieser Ansatz ist letztlich eine neue Form von Umweltplanung. Der neue strategische Politikansatz ist besonders beachtenswert in Ländern, die ihn einerseits mit einer ökologischen Steuerreform, einem ökologischen Technologieprogramm und entsprechenden Investitionsanreizen flankieren und ihn andererseits mit einer Reform des öffentlichen Sektors verbinden. Dabei geht es dann generell um eine zielorientierte Strategie des Public Management. Vorreiter dieses Ansatzes waren bisher die Niederlande. Nunmehr kommt den skandinavischen Ländern in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung zu. Dabei erhält - verstärkt durch entsprechende Bemühungen der EU und speziell der derzeitigen finnischen Ratspräsidentschaft - das Ziel der ”Politikintegration” zunehmend Bedeutung. Im Kern geht es dabei um eigenständige Nachhaltigkeitsstrategien der ”Verursacherbereiche”, deren Kriterien und Qualitätsziele extern durch Parlament oder Kabinett vorgegeben sind und deren Umsetzung durch detaillierten Berichtspflichten transparent gemacht werden soll.

1) Einleitung

Nachhaltige Entwicklung betrifft nicht nur das Ziel, diese Erde für künftige Generationen bewohnbar zu erhalten. Es geht auch um einen neuen, strategischen Ansatz langfristiger Umweltpolitik. Dieser Ansatz ist in seinem Kern eine neue Form von Umweltplanung. Sie wurde auf der Rio-Konferenz 1992 für alle Länder empfohlen und soll spätestens im Jahre 2002 überall vorliegen.

Idealtypisch lässt sich diese in der Agenda 21 beschriebene Planungsform - bei unterschiedlichen Bezeichnungen und Varianten - durch folgende Merkmale kennzeichnen:

Ø Einvernehmliche Formulierung mittel- und langfristiger Umweltziele
(Konsens),

Ø Einbeziehung wichtiger anderer Ressorts,
(Querschnittspolitik),

Ø Beteiligung der Verursacher an der Problemlösung,
(Verursacherbezug),

Ø Breite Beteiligung von Kommunen, Verbänden und Bürgern,
(Partizipation),

Ø Berichtspflichten über erzielte Verbesserungen
(Monitoring).

2) Rasches Diffusionstempo

Die Vorgabe der Rio-Konferenz zur Entwicklung einer förmlichen Nachhaltigkeitsstrategie (NSDS) haben bereits rund 80 Prozent der Industrieländer erfüllt. In einer Reihe von OECD-Ländern liegt bereits die zweite oder auch die dritte Fortschreibung der Strategie vor. An der Forschungsstelle für Umweltpolitik untersuchen wir u. a. die Ausbreitung umweltpolitischer Innovationen. Dabei zeigt sich, dass nationale Nachhaltigkeitsstrategien bzw. Umweltpläne ein besonders rasches Ausbreitungstempo haben (s. Tabelle). Während nationale Umweltministerien und Umweltbehörden 30 Jahre benötigten, um in alle Industrieländer zu diffundieren, wird dies bei den nationalen Nachhaltigkeitsstrategien nicht einmal halb so lange dauern. Umweltplanung hat sich auch viel schneller international ausgebreitet als dies bei technischen Innovationen üblich ist.

Tabelle: Umweltpläne in OECD-Ländern.

 
Land
Umweltplan (offizieller Name)
Jahr
Niederlande National Environmental Policy Plan (NEPP); NEPP plus; NEPP 2, NEPP 3
1989/90/

93/97

Dänemark

Action Plan for Environment and Development;

Nature and Environment Policy;

sectoral action plans, e.g. Energy 21 ( 1996)

1988

1995

Schweden Environmental Bill; Enviro '93; Towards Sustainable Development in Sweden; Environmental Policy for a Sustainable Sweden
1988/1993/ 1994/1998
Finnland

Sustainable Development and Finland

Finnish Action for Sustainable Development

1989/90

1995

Großbritannien

This Common Inheritance: Britain's Environmental Strategy;

Sustainable Development: The UK Strategy

1990

1994

Kanada

Canada's Green Plan for a Healthy Environment

Environment Action Plan 1996/97-1999/2000

1990

1996
Frankreich National Plan for the Environment/Green Plan (Plan Vert)
1990
Südkorea Master Plan (1991); Korea's Green Vision 21
1991/95
Mexiko 1990-1994 National Programme for Environmental Protection;

1995-2000 National Programme for Environmental Protection

1990

1995
Polen National Environmental Policy (NEP)
1991
Tschechische Republik Rainbow Programme; State Environment Policy
1991/95
Ungarn Short and Medium-Term Environmental Action Plan;

Hungarian Environmental Protection Programme

1991

1997
Neuseeland Resource Management Act (1991); Environment 2010 Strategy
1995
Australien National Strategy for Ecologically Sustainable Development
1992
Österreich National Environmental Plan (Nationaler Umweltplan - NUP)
1995
Japan The Basic Environment Plan;

Action Plan for Greening Government Operations

Fortschreibung das Basic Environmental Plan (geplant)

1995

2000
Portugal National Environmental Policy Plan (Plano Nacional da Política de Ambiente)
1995
Schweiz Strategy for Sustainable Development in Switzerland (Strategie Nachhaltiger Entwicklung in der Schweiz)
1997
Irland Sustainable Development - A Strategy for Ireland
1997
Norwegen Environmental Policy for a Sustainable Development (Report to the Storting)
1997
Luxemburg National Plan for Sustainable Development (Plan National pour un Developpement Durable)
1998

Quelle: Jänicke/Jörgens 1998

3) Zur Rolle der Bundesrepublik

Das geschilderte Diffusionstempo jedenfalls fand in diesem Land keinen besonderen Niederschlag. Erst im April 1998 wurde von Ministerin Merkel der vom Kabinett nicht beschlossene Entwurf für ein Schwerpunktprogramm zur nachhaltigen Entwicklung vorgelegt (BMU 1998). Dies kann sich zwar im Vergleich zu anderen Ländern in seiner Zielstruktur durchaus sehen lassen. Aber der Verbindlichkeitsgrad der Zielsetzung ist vergleichsweise gering. Es gibt auch keine gesetzliche Verankerung der Strategiebildung und ihrer Umsetzung.

Diese relative Zurückhaltung kontrastiert mit der Tatsache, dass Deutschland unter der Regierung Brandt/Genscher eine Vorreiterrolle in Europa einnahm und mit dem Umweltprogramm 1971 eine erste umfassende Planung vorlegte. ”Umweltplanung auf lange Sicht” wurde dort als erstes Ziel formuliert. Neben befristeten Reduktionszielen für Luft und Wasser wurden weit über 100 Gesetzen und Verwaltungsvorschriften geplant, 54 Maßnahmen sogar detailliert budgetiert. 1976 erfolgte eine Evaluation und Fortschreibung. Die heute so wichtige Integration des Umweltschutzes in andere Politikfelder wurde unter der Formel ”Umweltschutz als Querschnittsaufgabe” bereits ausdrücklich verankert.

4) Umweltplanung und New Public Management

Einer der Gründe für die Zurückhaltung gegenüber nationaler Umweltplanung ist ein Vorurteil: Umweltplanung wird hierzulande nicht selten in die Nähe der zentralen Planwirtschaft im Osten des Landes gerückt. Das ist ein arges Missverständnis dieses Typs von kooperativer Planung.

Interessanterweise haben besonders solche Länder eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie bzw. Umweltplanung eingeführt, die bei der Reform des öffentlichen Sektors hervorgetreten sind. Dies gilt nicht nur für die skandinavischen Länder und Holland, sondern auch für Kanada, Neuseeland, Großbritannien und Japan.

Strategische Planung ist eine Selbstverständlichkeit für Großunternehmen. Sie hat aber auch in neueren Konzepten des Public Management Bedeutung erlangt. Den verschiedenen (z. T. auch kritikwürdigen) Varianten von New Public Management ist gemeinsam, dass sie im Gegensatz zum klassisch bürokratischen Ansatz nicht von allgemeinen Regeln, sondern konkreten, befristeten Zielvorgaben ausgehen, deren Umsetzung operativ planen und organisieren und durch ein detailliertes Controlling-System überprüfen. Im traditionellen Politikansatz waren die Ziele zumeist vage, aber die Instrumente genau. Im neuen Ansatz werden nunmehr die Ziele klar definiert, die Instrumente und operativen Mittel aber flexibel gehandhabt (Damkowski/Precht 1995, Naschold/Bogumil 1998, Jänicke/Kunig/Stitzel 1999). Diese Ziel- und Ergebnisorientierung wird auch als Management by objectives bezeichnet. Dieser Ansatz setzt Verwaltungen unter konkreten Leistungs- und Erfolgszwang. Die Zielvorgaben der niederländischen, schwedischen und norwegischen Umweltplanung beziehen sich beispielsweise ausdrücklich auf den Ansatz des Management by objective (s. Kasten).


Management by Objectives und Umweltpolitik-Integration (Beispiele):

Schweden: ”The Government proposes a new structure for the elaboration and implementation of environmental goals...Within the new structure, Environmental quality goals will constitute the basis of a system of management by objectives and results, which in the Government's view is the most effective kind of implementing a broad environmental strategy involving participants in all sectors” (Ministry of the Environment 1998).

Norwegen: ”The Government will clarify the sector's responsibility for achieving environmental policy goals through sectoral environmental action plans based on the principles of management by objectives and cost effectiveness...The Government will further develop a national result monitoring system for implemented environmental measures, environmental impacts, and the state of the environment. This will provide...a basis for a goal-oriented and cost-effective environmental policy across the sectors, and ensure that environmental concerns are integrated in sector policies in line with the principle of sectoral environmental responsibility” (Ministry of the Environment 1997).

5) Umweltplanung als Modernisierung von Umweltpolitik

Jenseits des erhöhten Erfolgszwangs trägt Umweltplanung potentiell aber auch zur Modernisierung von Umweltpolitik bei:

* Der neue Typ der Umweltplanung kann zur Entlastung der nationalstaatlichen Umweltpolitik beitragen. Durch Konzentration auf eine einvernehmliche Zielbildung auf breiter Basis kann die Umsetzung häufig auf nichtstaatliche Akteure delegiert werden. In diesem Fall kann sich der Staat auf flankierende Maßnahmen und die Rolle einer "letzten Instanz" beschränken, die erst eingreift, wenn dezentrale Maßnahmen sich als unzulänglich erweisen. Dezentrale Aktionen - insbesondere von Städten und Industriezweigen - bedürfen aber notwendig der nationalen Umweltplanung als Orientierungsrahmen. In den Niederlanden, in Schweden und in Neuseeland war Umweltplanung auch mit Verwaltungsvereinfachungen verbunden.

* Industrieländer wie die Bundesrepublik verfügen über ein breites Spektrum "sektoraler" Umweltpläne: Beispiele sind die Raumordnung, Landschaftsplanungen, Abfallwirtschafts- und Entsorgungspläne, Gewässerschutz- und Luftreinhaltepläne oder auch das Klimaprogramm. Diese Pläne sind unverbunden, nicht aufeinander bezogen und oft bereits in Nachbarverwaltungen unbekannt. Das "Gedächtnis" der Politik für die von ihr selbst formulierten Ziele ist oft so kurz wie deren Transparenz gering ist. Umweltpläne (die sich zudem moderner Informationstechniken bedienen können), ermöglichen einen Überblick über den Stand umweltpolitischer Zielvorgaben. Unter Einbeziehung internationaler Verpflichtungen können sie eine wichtige Informationsbasis für ein breites Spektrum von Akteuren sein. In Österreich begann der Planungsprozess mit der Zusammenfassung von 134 bereits vorhandenen Zielvorgaben. Der japanische Umweltplan von 1995 besteht überwiegend aus einer Zusammenfassung bereits bestehender Fachpläne und gesetzlicher Zielvorgaben.

* Entwickelte Strategien nachhaltiger Entwicklungen setzen allerdings Priotäten und formulieren - neben dem generellen Zieltableau der Umweltpolitik - Schwerpunkte, in denen eine besondere ”strategische” Anstrengung der Gesellschaft unternommen werden soll. Nachhaltige Entwicklung betrifft ja im Kern Problembereiche, in denen befriedigende Lösungen bis dahin nicht erzielt wurden. Moderne Umweltplanung kann die Handlungsbedingungen für die Lösung von Zukunftsproblemen verbessern, deren Dringlichkeit nicht durch Erfahrung deutlich wird. Hier haben wissenschaftliche Prognosen und Analysen eine wichtige Ersatzfunktion.

* Eine wissenschaftlich begründete Zielbildung ist insbesondere angesichts der schleichenden Akkumulation von Umweltbeeinträchtigungen unvermeidlich: Auch wenn die jährlichen Flussgrößen an Emissionen oder Abfällen sinken, nehmen die angehäuften Bestände an Schadstoffen und Eingriffen in der Umwelt zu - nur langsamer. Es sind vor allem die reichen Länder, die - als alte Industrieländer - mit einer kritischen Akkumulation von Umweltbelastungen ringen. Es ist wenig wahrscheinlich, dass diese schwer vermittelbare - den wahrnehmbaren Erfolgen des Umweltschutzes widersprechende - Akkumulationsproblematik im Routineverfahren gelöst werden kann.

* Nationale Umweltplanung im Sinne der Agenda 21 will nicht zuletzt durch Beteiligung zusätzlicher Akteure die Handlungsfähigkeit von Umweltpolitik erhöhen.

6) Umweltplanung und wirtschaftliche Innovation

Auch wirtschaftliche Vorteile sprechen für eine umweltpolitische Langzeitplanung, insbesondere solche, die mit Innovationen verbunden sind (vgl. Porter/van der Linde 1995, Hemmelskamp 1997):

* Umweltplanung verringert mit ihren Zielvorgaben das Investitionsrisiko für umweltbewusste Pionierunternehmen.

* Sie schafft potentiell zusätzliche Motive, Orientierungen, Informationen und Kommunikationskanäle für technische Innovateure.

* Sie macht die Umweltpolitik für Investoren langfristig kalkulierbar und unberechenbare Veränderungen der Politik, z.B. als Folge veränderter Parteikonstellationen, weniger wahrscheinlich.

* Sie ist häufig eine Strategie, Ressourcen effizient und kostengünstig zu verwenden, Umweltkosten zu senken und auf dem Weltmarkt der durch Umweltkennzeichen u. ä. geprägten Produkte Wettbewerbsvorteile zu erringen.

* Sie ist potentiell eine Strategie, langfristig unvermeidbare Umweltschutzmaßnahmen wirtschaftsverträglich zu gestalten oder mit wirtschaftlichen Vorteilen zu verbinden (sog. win-win-Lösungen).

* Sie ist potentiell eine vorsorgliche Strategie gegen ökologische Standortverschlechterungen, unbezahlbare Schadenskosten und folgenschwere Verluste an Naturkapital.

* Ihr Kalkül könnte die hohe Wahrscheinlichkeit einer wachsenden Umweltnachfrage sein, die bei global wachsender Bevölkerung und Güterproduktion durch die begrenzte Aufnahmekapazität der Erde für Umweltbelastungen entsteht. (Die langfristigen Präferenzen in anderen Bereichen sind weit weniger gut vorhersehbar.)

Die technologie- und wettbewerbspolitische Seite der Umweltplanung bzw. Nachhaltigkeitsstrategie ist in Deutschland gar besonders hervorzuheben. Südkorea verkündet in seinem Zehnjahresplan des Umweltschutzes von 1995 eine ehrgeizige Exportstrategie für Umwelttechnik. Die Notwendigkeit eines strengen Umweltschutzes wird auch mit "ökologischen" Wettbewerbsbarrieren reicher Ländern begründet (Ministry of Environment 1995). Neuseeland und Irland heben in ihrer Umweltplanung das grüne Image des Landes als Exportvorteil hervor und betonen die Wettbewerbschancen durch ressourceneffiziente Technologien. Dänemark verweist auf die bereits eingetretenen Export- und Beschäftigungswirkungen insbesondere seines unlängst aktualisierten Plans Energie 2000 von 1990 (Ministry of Environment and Energy 1995). Im in einem der letzten Umweltberichte der schwedischen Regierung heißt es: "Umweltpolitik trägt zur Modernisierung der schwedischen Wirtschaft bei. Umweltverbesserungen sind ein wichtiger Wettbewerbsfaktor geworden" (Ministry of Environment 1996). In den Niederlanden hat seit dem ersten Umweltplan (1989) die Bedeutung "integrierter" umweltfreundlicher Technologien, wie beabsichtigt, signifikant zugenommen (Crul/Schelleman 1995, VROM 1993).

7) Vier Beispiele entwickelter nationaler Umweltplanung

Kein bisheriger Umweltplan gleicht dem anderen. Die Varianten sind, wie oben gezeigt wurde, äußerst zahlreich. Viele der Umweltpläne oder Nachhaltigkeitsstrategien sind nicht viel mehr als ein erster Schritt hin zu einer verbindlichen Programmierung der Politik auf langfristige Umweltziele (so etwa der österreichische Nationale Umweltplan). Andere Pläne haben eine differenzierte Zielstruktur und wirksame Mechanismen der Umsetzung. Aber auch hier sind die Ansätze unterschiedlich. Vier Beispiele entwickelter nationaler Umweltplanung mögen dies verdeutlichen:

(1) Der Nationale Umweltpolitikplan der Niederlande von 1989 (NEPP), der 1993 und 1997 fortgeschrieben wurde (NEPP 2 und 3), ist nach Zielqualität, Verbindlichkeit und gesellschaftlicher Beteiligung der weitestgehende. In vieler Hinsicht ist er international zum Modell geworden. Der Plan, der 200 meist quantifizierte und zeitlich befristete Einzelziele enthält, wurde vom Umweltamt (RIVM) konzipiert, vom Umweltministerium durchgesetzt und von wichtigen Ministerien (Verkehr, Wirtschaft, Landwirtschaft) mitgetragen. Die Zielbildung erfolgt konsensual und auf breiter gesellschaftlicher Basis. Nationale und provinziale Vierjahrespläne sind seit 1993 gesetzlich vorgeschrieben. Besonderheit des niederländischen Planungssystems ist die Unterfütterung durch ein System freiwilliger, aber verbindlicher und überprüfter Vereinbarungen (covenants), vor allem mit Industrieverbänden. Dazu werden die Umweltziele in einer Matrix-Struktur nach Problembereichen und Verursacherbereichen dargestellt (s. Abbildung). Der soeben vorgelegte dritte Nationale Umweltplan sieht vor, dass künftig die Umweltplanung vorrangig auf sektorale Probleme und deren Lösungen ausgerichtet wird, wobei das Schwergewicht auf Verkehr, Landwirtschaft und Industrie gelegt wird. Die ökologische Steuerreform soll weiter ausgebaut und die Energie-/CO2-Steuer erhöht werden. Der Anteil der Umweltabgaben an den Einnahmen des Zentralstaates stieg von 11 (1994) auf 14 Prozent (1998). Die bilanzierten bisherigen Ziele wurden teils übererfüllt, bei CO2 und bei verkehrsbedingten Emissionen aber nicht erreicht.

(1)

Themen und Zielgruppen der niederländischen Umweltplanung

 
Themen

Ziel-
grup-
pen

Kli-
ma-
wan-
del
Ver-
sau-
erung
Eu-
tro-
phie-
rung
To-
xische Sub-
stan-
zen
Bo-
den-
konta-
mi-
nation
Ab-
fall
Be-
lästi-
gung (Lärm etc.)
Grund-
wasser-
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schöp-
fung
Er-
schöp-
fung
natür-
licher Res-
sour-
cen
Kon-
su-
menten
                 
Land-
wirt-
schaft
                 
Indus-
trie
                 
Raffi-
nerien
                 
Ener-
gie-
wirt-
schaft
                 
Einzel-
handel
                 
Trans-
port
                 
Bau-
wirt-
schaft
                 
Abfall-
wirt-
schaft
                 
Was-
ser-
wirt-
schaft
                 
Quelle: Ministry of Housing, Spatial Planning and the Environment, 1998, S. 14

(2) Der schwedische Ansatz besteht in parlamentarischen Zielvorgaben, die - wie in den Niederlanden .- von der Umweltbehörde wissenschaftlich vorbereitet und vom Umweltministerium vorgeschlagen werden. Parlamentarische Quasi-Pläne dieser Art dieser Art gab es bereits in den Environmental Bills von 1988 und 1991. Besondere Bedeutung hatte 1993 die vom Umweltamt vorgelegte Strategie "Enviro '93", mit sektoralen Programmen für wichtige Verursacherbereiche (Industrie, Energie, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, Wasserver- und -entsorgung). 1998 wurde, zusammen mit einem neuen Umweltgesetzbuch (Environmental Code), eine neue umfassende Zielstruktur als Gesetz (Environmental Bill) verabschiedet. Danach soll Schweden ”a driving force and a model of ecologically sustainable development” werden. Die Umweltstrategie soll auch zur Modernisierung der Industrie beitragen. Als Orientierungsziel wird u. a. vorgegeben, innerhalb einer Generation den Faktor 10 beim Ressourcenverbrauch anzustreben. Es wird ein neuer Mechanismus für die Ausarbeitung und Umsetzung von Umweltzielen auf der Basis eines Systems des ”management by objective and results” formuliert (s. o.). Die von Regierung und Parlament 1997 formulierten 15 grundlegenden Umweltqualitätsziele dienen dabei als Orientierungsrahmen für die ”Definition von Zielen und Strategien in unterschiedlichen Sektoren auf unterschiedlichen Handlungsebenen”. Kern dieses neuen Ansatzes ist die förmliche Zuweisung der Umsetzungsverantwortung an über 20 Fachhörden (Ministry of the Environment 1998). Über die Umsetzung der Planung wird von der Umweltbehörde regelmäßig berichtet. Es bestanden bisher 170, häufig quantitative Zielvorgaben mit unterschiedlicher Befristung, so etwa ein Verwendungsstopp für chlorierte Lösemitteln (bis 1995), Quecksilber (bis 2000) und Blei (keine Frist). Von 67 Zielen, die die nationale Umweltbehörde 1996 evaluierte, wurden 46 erreicht oder haben eine entsprechend günstige Prognose. Das Ziel einer Reduzierung der Schwefeldioxid-Emissionen um 80% bis zum Jahr 2000 (Basis 1980) wurde bereits 1994 erreicht; ebenso wurde das Ziel einer Halbierung des Pestizideinsatzes bis 1990 realisiert, die nochmalige Reduktion um 50% bis 1996 dagegen nicht in vollem Umfang. Nicht erfüllte Ziele, z. B. die Verringerung der NOx-Emissionen um 30% bis 1995 (Basis 1980), führten meist zur Neukonzipierung von Maßnahmen. Bei der Umsetzung wird zunehmend auf Umweltabgaben im Rahmen einer umfassenden Steuerreform zurückgegriffen. - Alle 288 Lokalverwaltungen haben den Agenda-21-Prozeß eingeleitet. Parallel dazu wurde 1997 ein Umweltinvestitionsprogramm für die Kommunen in Höhe von 12,6 Mrd. SEK für 1998-2000 beschlossen.

(3) Dänemark hat schon 1988 - in Anlehnung an den Brundtland-Report (WCED 1987) - einen Aktionsplan für Umwelt und Entwicklung vorgelegt, der u. a. das ehrgeizige Ziel einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 Prozent bis zum Jahre 2005 (gegenüber 1988) vorsah. Die Stärke des Landes waren aber umweltorientierte sektorale Fachpläne, etwa die Aktionspläne für die Verursacherbereiche Energie, Landwirtschaft und Transport (Transport 2005, 1999). Ferner der Aktionsplan für die ”aquatische Umwelt” (1987, 1998) sowie die stark ökologisch ausgerichtete räumliche Planung. Besonders entwickelt ist die Energieplanung. Seit der Ölkrise liegt bereits der vierte Energieplan vor ("Energy 21", 1996). Dieser enthält Ziele für den Zeitraum bis 2030, u. a. quantitative Vorgaben für die Senkung des Energieverbrauchs (um 15 Prozent), die Halbierung der CO2-Emissionen und die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf ein Drittel (Danish Energy Agency 1996). Eine umfassende "strategische Umweltplanung" wurde 1993 beschlossen. Dieser Beschluss fiel mit einer weitgehenden ökologischen Steuerreform zusammen, die stark auf Umweltabgaben setzt und die Energiesteuern planmäßig bis 2000 erhöht. Das integrierte Planungssystem befindet sich noch im Aufbau, ist aber bereits im Umweltbericht von 1995 konzipiert und im Folgebericht von 1999 mit systematischen Zielvorgaben weiter ausgebaut worden (Ministry of Environment and Energy 1995, 1999). Ziel ist u. a. eine "Minimierung des Ressourcenverbrauchs" und eine systematische Integration von Umweltkriterien in die wirtschaftsnahen Politikfelder. Ähnlich den Niederlanden hat Dänemark eine vorwiegend auf Verursachersektoren bezogene, breit akzeptierte, dialogförmige, und auf technische Innovationen gerichtete Form der Umweltplanung.

(4) Erstaunlicherweise kommt in Südkorea die 1987 im Zeichen hoher Umweltbelastung (und der Olympischen Spiele von 1988) eingeführte und 1990 gesetzlich verankerte nationale Umweltplanung der niederländischen in vielen Punkten sehr nahe. Wie diese ist sie - bis in die Budgetierung der Ziele - konkret vorgeschrieben. Der zweite Fünfjahresplan (1992-96) umfasste ein Kostenvolumen in der Größenordnung von bis zu einem Prozent des Bruttosozialprodukts jährlich. Bereits 1995 waren einige seiner Ziele übererfüllt (bei Schwefeldioxidemissionen und städtischen Grünflächen), andere erwiesen sich als zu ambitioniert, führten aber ebenfalls zu Verbesserungen. 1997 wurde der dritte Mittelfristplan beschlossen. Die rund 30 quantitativen Zielvorgaben des 1995 beschlossenen, jährlich fortgeschriebenen Zehnjahresplanes ("Korea's Green Vision 21") betreffen die zentralen Umweltbereiche (Luft, Wasser, Abfall, Naturschutz, Chemikalien). Sie wurden vom Umweltministerium und seiner Planungsabteilung in z. T. konfliktreichen Abstimmungsprozessen mit anderen Zentralverwaltungen durchgesetzt. Der Plan enthält das Ziel, Korea zum ”Model Country of Environmental Preservation” zu machen. Der Plan wird laut Gesetz vom Staatsrat beschlossen. Wie in anderen Ländern spielen sektorale Fachpläne (insbesondere für Abfall, Energie und Raumordnung) eine ergänzende Rolle. In der Energieplanung geht es beispielsweise um eine Rückführung der energieintensiven Industrien. Diese müssen Fünfjahrespläne für die Steigerung der Energieeffizienz vorlegen. Die Partizipation bei der Zielformulierung ist schwächer als im niederländischen Fall. Die Zielerreichung wird jährlich bilanziert. Die eingetretene Wirtschaftskrise könnte zu Vollzugsproblemen führen. Andererseits steht der neu gewählte Präsident den Umweltverbänden näher als der alte.

8) Erste Evaluation von Wirkungen

Bei der Beurteilung vorhandener Umweltpläne im OECD-Bereich muss zunächst gesagt werden, dass die Mehrheit der vorhandenen Umweltpläne überwiegend allgemein formulierte erste Schritte in Richtung einer integrierten, zielorientierten Politikformulierung darstellen. Dabei werden in der Literatur vor allem die folgenden Defizite gesehen (JÄNICKE et al., 2000; SRU, 1998, 2000; DALAL-CLAYTON, 1996; OECD, 1995):

* Die Umweltziele sind häufig vage formuliert, d.h. sie sind nicht quantifiziert, oft fehlen konkrete Umsetzungsfristen.

* Die daraus resultierende Unverbindlichkeit der Umweltziele führt zu einer mangelnden Überprüfbarkeit der Zielerreichung. Eine effektive ziel- und ergebnisorientierte Steuerung ist auf dieser Grundlage kaum möglich.

* Die Umweltziele werden nicht aus der Problemdiagnose abgeleitet (Problemvergessenheit), es werden Antworten gegeben, ohne dass die Fragen hinreichend klar sind.

* Häufig ist eine Beschränkung auf herkömmliche Umweltschutzziele zu beobachten. Auf die Thematisierung und Bearbeitung der bisher weitgehend ungelösten "schleichenden” Umweltprobleme wird oft verzichtet.

* Die häufig fehlende gesellschaftliche Konsensbasis macht die Umweltplanung anfällig für Veränderungen der politischen Prioritäten - insbesondere im Falle eines Regierungswechsels.

* In der Mehrheit der Fälle ist eine schwache Institutionalisierung des Planungsprozesses zu beobachten. Klare Verantwortlichkeiten und Ablaufstrukturen fehlen oft.

* Schließlich ist generell ein geringer Grad der Politikintegration, d.h. der Berücksichtigung von Umweltzielen in den Entscheidungen anderer, umweltrelevanter Ressorts, festzustellen. Hier sind allerdings gerade in den letzten Jahren - auch von der EU - Anstrengungen einer Verbesserung unternommen worden.

* Kritisiert wird an einzelnen Planungsvorgängen auch das Fehlen an öffentlicher Beteiligung (z. B. im Falle Österreichs und der Schweiz).

Positiv zeigt der internationale Vergleich eine Reihe bemerkenswerter Strategieansätze. Dabei zeichnen sich die am weitesten entwickelten Nachhaltigkeitsstrategien - neben der Formulierung konkreter Umweltziele - insbesondere durch folgende Faktoren aus:

* eine Institutionalisierung der Nachhaltigkeitsstrategie durch Schaffung einer gesetzlichen Basis und Stärkung der federführenden Umweltministerien und Umweltämter (Niederlande, Schweden, Dänemark und Südkorea, ferner Japan und Neuseeland),

* eine Konzentration auf die Umweltaspekte der Nachhaltigkeit bei starker Betonung ihrer Sozial- und Wirtschaftsverträglichkeit bzw. ihrer Vorteile (win-win-Konstellationen) für andere Politikfelder,

* eine Einbindung der Umweltplanung in die Reform des öffentlichen Sektors (Niederlande, skandinavische Länder; erwähnt sei auch Kanada, Großbritannien, Neuseeland und Japan),

* eine parallel zum Umweltplan eingeführte ökologische Finanzreform (Niederlande, skandinavische Länder) bzw. ein umfassendes System von Umweltabgaben (Südkorea),

* einen stark technologie- und forschungspolitisch orientierten Ansatz der Umweltpolitik (Niederlande, skandinavische Länder, Südkorea) und

* deren Verstärkung durch ökologische Investitionsprogramme (Schweden, Niederlande, Südkorea).

Spezielle Einrichtungen wie ein Council für Sustainable Development sind bis auf Finnland kein hervorzuhebendes Merkmal. Im Falle der Schweiz hat eine hochrangige zusätzliche Institution (IDARio) ein eher mageres Ergebnis hervorgebracht.

Über die Umweltwirkungen des neuen strategischen Ansatzes der Umweltplanung kann noch nicht viel ausgesagt werden, da die Laufzeit der nationalen Umweltpläne bzw. Nachhaltigkeitsstrategien im Regelfall noch kurz ist. Insgesamt befindet sich die Strategieentwicklung noch in einer Phase des learning by doing. Das heißt aber nicht, dass Wirkungen nicht zu verzeichnen sind; die bloße Tatsache, dass beispielsweise Verkehrs- oder Agrarministerien an der Entwicklung langfristiger Umweltziele beteiligt sind, dass ein breiter Diskurs hierzu stattfindet und schließlich auch eine internationale Berichtspflicht besteht, verändert auch die Handlungsbedingen der Umweltpolitik. Ursache und Wirkung sind in einem so komplexen und dynamischen Handlungsgefüge allerdings kaum präzise zu messen.

Die Zielerfüllung in drei Fällen fortgeschrittener Umweltplanung, den Niederlanden, Schweden und Südkorea, wurde bereits angesprochen. In allen drei Fällen fällt auf, dass kaum ein quantitatives Ziel exakt erfüllt wurde. Eine beachtliche Gruppe von Zielen wurde nämlich übererfüllt (durchgängig z. B. das Reduktionsziel für Schwefeldioxid). Andere Ziele - insbesondere die Vorgaben für verkehrsbedingte Emissionen - wurden nicht erreicht, obwohl auch in dieser Gruppe im Regelfall Verbesserungen erzielt wurden. Als Politikforscher ist man darüber nicht überrascht: Zu den Unsicherheiten von Planung gehören sowohl die unerwarteten Dynamisierungseffekte einer Maßnahme als auch die nicht vorhersehbaren oder unzureichend antizipierten Widerstände (Restriktionen). Das interessanteste Ergebnis aus den drei Ländern könnte sein, dass bei der großen Mehrzahl der Ziele Trendverbesserungen gegenüber dem vorherigen Zustand zu verzeichnen sind, und zwar auch dann, wenn ehrgeizige Zielvorgaben nicht erfüllt wurden. Da in den drei Fällen die Umweltplanung einen hohen institutionellen Verbindlichkeitsgrad hat und die Zielvorgaben ein breites Spektrum von Folgemaßnahmen auslösten, kann auch unterstellt werden, dass die eingetretenen Trendverbesserungen wesentlich dem gewählten strategischen Ansatz zuzuschreiben sind. Für die Niederlande, Schweden und Dänemark lassen sich auch Innovationseffekte auf die Planungsaktivität zurückführen, ohne dass dazu systematische Aussagen gemacht werden können.

Die Evaluation Vorreiterfälle zeigt also auch, wie offen diese gesamte Thematik noch ist, welche Unzulänglichkeiten zu überwinden sind und welcher Informationsbedarf generell noch besteht. Derzeit unternimmt z. B. eine Reihe von OECD-Ländern, aber auch die EU den Versuch, die mit Nachhaltigkeitsstrategien verbundene schwierige Integration von Umweltzielen in die übrigen Ressorts mit neuen Mechanismen zu verwirklichen. Hier ist also ein institutioneller Innovationsprozess im Gange, der andauert. Die kritisch-produktive Auswertung der international gemachten Erfahrungen ist daher dringend geboten.

Ausgewählte Literatur:

BMU, 1998: Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, Bonn.

BUND und Misereor (Hrsg.), 1996: Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser Verlag.

Crul, Marcel und Fred Schelleman, 1995: Long-term Environmental Planning and the Use of Integrated Environmental Technology: The Dutch Experience. Project Commissioned by the Office of Technology Assessment of the German Parliament (TAB). Bonn.

Dalal-Clayton, Barry, 1996: Green Plans. National-Level Experience in Industrial Countries. London.

Damkowski, Wulf / Precht, Claus, 1995: Public Management. Neuere Steuerungskonzepte für den öffentlichen Sektor. Stuttgart, Berlin, Köln.

Danish Energy Agency / Ministry of Environment and Energy, Denmark 1996: Energy in Denmark, Kopenhagen.

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Cornelia Quennet-Thielen

Nationaler Nachhaltigkeitsrat in Deutschland

Ich möchte mich ganz herzlich für die Einladung zu dieser Veranstaltung bedanken. Sie kommt zum rechten Zeitpunkt, um die vielfältigen, derzeit laufenden Gespräche und Überlegungen zur Nachhaltigkeitsstrategie zu vertiefen und zu bündeln. Sie ist damit eine willkommene Gelegenheit, auch unsere eigenen Überlegungen nochmals zu reflektieren.

Viel ist zum Thema bereits von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt worden - auch zur Idee eines nationalen Nachhaltigkeitsrates. So hat Frau Parlamentarische Staatssekretärin Altmann einleitend einen Überblick über bereits Geleistetes wie auch die Überlegungen zum weiteren Vorgehen im Bundesumweltministerium und der Bundesregierung gegeben. Lassen Sie mich daran anknüpfen - auch wenn die Abstimmungen noch nicht in allen Details abgeschlossen sind.

§ Die Bundesregierung misst dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung hohe Bedeutung zu. Sie hat sich die ökologische Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel gesetzt. Die große Aufgabe unserer Generation besteht darin, den in den letzten 50 bis 100 Jahren gewachsenen - und in anderen Weltregionen allmählich entstehenden - Wohlstand auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. Wir dürfen künftigen Generationen keine Hypotheken hinterlassen. Das gilt für die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssysteme. Es gilt gleichermaßen für unsere natürlichen Lebensgrundlagen und die Gesundheit der Menschen. Auf Energie, natürliche Ressourcen und intakte Ökosysteme werden künftige Generationen genauso angewiesen sein wie wir. Ich frage mich, ob die vielfach sehr emotional geführte Diskussion um Gleichrangigkeit, Vorrang und Grenzen wirklich im Zentrum der jetzt notwendigen Diskussion stehen muss. Jeder, der verantwortungsvoll nicht nur für heute, sondern auch für morgen sorgen will, muss doch erkennen, dass die langfristige Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen Grundbedingung für wirtschaftliche Prosperität ist. Diese ökologische Begrenzung ist eine Tatsache - und die sind bekanntlich nicht verhandelbar.

§ Wir müssen uns dabei auch immer wieder deutlich machen, dass es um Nachhaltigkeit heute und morgen nicht nur in Deutschland oder Europa geht, sondern weltweit. Zu oft verengt sich unsere Diskussion auf das eigene Wohlergehen - nach dem alten Motto: Das Hemd ist näher als der Rock. Die Menschen in anderen Teilen der Welt, insbesondere in den Entwicklungsländern, werden ausgeblendet. Wir können jedoch Nachhaltigkeit nicht im eigenen Land und Kontinent allein erreichen. Die weltweite Dimension müssen wir deshalb bei der Erarbeitung unserer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie kontinuierlich mit einbeziehen. Jürgen Maier hat bereits einige wichtige Handlungsbereiche genannt. So müssen wir vor dem Hintergrund der Globalisierung einen Wettlauf um die niedrigsten Umweltstandards verhindern. Umweltdumping kann nicht akzeptiert werden. Vielmehr müssen alle Anstrengungen unternommen werden, ökologische Standards und Normen ständig zu verbessern und zu harmonieren. Dafür ist eine verstärkte internationale Umwelt- und Entwicklungspartnerschaft unabdingbar.

§ Meßlatte unserer Aktivitäten bilden dabei die drei Managementregeln der Nachhaltigkeit, die breit anerkannt sind und die sich auch die Bundesregierung zu eigen gemacht hat:

o Regeneration:
Erneuerbare Naturgüter wie z.B. Holz oder Fischbestände dürfen auf Dauer nur im Rahmen ihrer Regenerationsfähigkeit genutzt werden, andernfalls gingen sie zukünftigen Generationen verloren.

o Substitution:
Nicht-erneuerbare Naturgüter wie z.B. Mineralien und fossile Energieträger dürfen auf Dauer nur in dem Maße genutzt werden, wie ihre Funktion durch andere Materialien oder durch andere Energieträger ersetzt werden können.

o Anpassungsfähigkeit:
Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der Ökosysteme - z.B. des Klimas, der Wälder und der Ozeane.”

Die vor uns liegende Aufgabe besteht darin, das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung zügig in politisches Handeln umsetzen und die politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese allgemein anerkannten Regeln im täglichen Wirtschaften und Handeln fest zu verankern. Wir müssen die gesamte Gesellschaft für diesen Prozess gewinnen und vor allem praktische Beispiele nachhaltigen Handelns und Wirtschaftens einfordern und fördern.

§ In den vergangenen Jahren ist auch in Deutschland intensiv über Sinn und Zweck von Umweltzielen, Umweltplänen und Nachhaltigkeitsstrategien debattiert worden. Die Enquete-Kommission “Schutz des Menschen und der Umwelt” und der Sachverständigenrat für Umweltfragen haben sich mit dem Thema befasst, zahlreiche Studien und wissenschaftliche Gutachten wurden erstellt. Sie alle kennen beispielsweise die Studien des Wuppertal-Instituts, von BUND und MISEREOR in Auftrag gegeben, und des Umweltbundesamtes zu Nachhaltigkeit in Deutschland. Wir haben in der letzten Legislaturperiode auch erste praktische Erfahrungen mit Dialogprozessen gesammelt. Über den richtigen Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung wurde vom Umweltministerium ein Dialog mit breiter gesellschaftlicher Partizipation geführt. Die Ergebnisse dieses sogenannten Schritte-Prozesses sind zwar noch recht allgemein geblieben. Es wurde deutlich, dass die Einigung über das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen Akteure sich um so schwieriger gestaltet, je konkreter und zeitnaher Ziele und Maßnahmen formuliert sind. Ambitioniert hingegen ist, was in diesem Zusammenhang an Umweltzielen und Maßnahmenvorschlägen im BMU entwickelt worden ist. Ich meine den “Entwurf für ein umweltpolitisches Schwerpunktprogramm” vom April 1998. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie kann auch hieran anknüpfen. Denn wir sollten in der Debatte über das umweltpolitisch Notwendige nicht wieder bei Null anfangen.

§ Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie ist für uns zentrales Instrument. Sie muss alle drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung berücksichtigen: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Bereichsübergreifende, alle relevanten Fachpolitiken (wie Umwelt, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Städtebau, Gesundheit, Arbeit und Soziales, Entwicklungszusammenarbeit, Bildung und Forschung) integrierende Strategien sind notwendig, wenn wir Produktion und Konsum nachhaltig gestalten und zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweisen entwickeln wollen. In der Pflicht stehen dabei nicht nur die Regierungen. Nachhaltigkeit ist nicht per staatlicher Verordnung zu erzielen. Sie braucht alle Handlungsebenen von der lokalen bis zur globalen sowie die Eigenverantwortung und das Handeln auch der gesellschaftlichen Akteure, die tagtäglich nachhaltigkeitsrelevante Entscheidungen treffen. Bei der Erarbeitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie wollen wir sicherstellen, dass am Ende nicht wohlklingende Absichtserklärungen stehen, sondern konkrete Ziele, Maßnahmen und Projekte. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie soll in diesem Sinn ein praktisches Bündnis von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darstellen. Wesentlich sind dabei nicht nur die zu erarbeitenden Inhalte, sondern auch die institutionellen und prozeduralen Komponenten. Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gila Altmann hat fünf wesentliche Pfeiler bereits genannt:

Ziele und Maßnahmen der Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Hintergrund einer Analyse zur Ist-Situation;

Demonstration innovativer Modellprojekte;

  • Institutionalisierung durch Einrichtung des “Rates für nachhaltige Entwicklung” und eines Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung;
  • breite Kommunikation in die Gesellschaft hinein;
  • Monitoring und Bewertung des Erreichten, Analyse von Defiziten und Hemmnissen.
Ich will mich nunmehr auf die institutionellen und prozeduralen Aspekte konzentrieren. Wie bereits gesagt, sind die Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung dazu noch nicht finalisiert, stehen aber kurz vor dem Abschluss. Insoweit darf ich um Ihr Verständnis bitten, dass ich Ihnen heute noch nicht das fertige Konzept vorstellen kann.

§ Der nationale “Rat für nachhaltige Entwicklung” soll eine zentrale Rolle bei der Erarbeitung und Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie spielen. Er soll als Dialoggremium zwischen den Vertretern von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft fungieren und so aktiv die Konsensbildung zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie befördern. Dabei soll der Rat insbesondere folgende Aufgaben wahrnehmen:

§ Die Politik im Vorfeld staatlicher Entscheidungen und Maßnahmen beraten und dabei die Anforderungen an eine NHS aus der Perspektive der gesellschaftlichen Kräfte formulieren;

§ die Umsetzung von Zielen und Maßnahmen einer nachhaltiger Entwicklung kritisch begleiten;

§ den Dialog zwischen den staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren vertiefen;

§ den gesellschaftlichen Konsenses über das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung stärken und

§ Vorbildfunktion und Multiplikatorwirkung durch seine Arbeit entfalten.

Der “Rat für nachhaltige Entwicklung” soll aus unabhängigen, engagierten Persönlichkeiten bestehen, die gerade nicht die typischen Verbandsvertreter sind, und in seiner Gesamtheit die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen reflektieren. Seine Mitgliederzahl soll 10-15 Personen nicht übersteigen, um durch eine schlank gehaltene Struktur eine effektive Arbeitsweise zu gewährleisten. Innerhalb seines Mandates sollte der Rat ein Selbstbefassungsrecht haben. Er soll mit den bestehenden Gremien zur wissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung kooperieren.

§ Innerhalb der Bundesregierung wird ein Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung unter Federführung des Bundeskanzleramtes eingerichtet werden - unser “Green Cabinet”. Ihm sollen die hauptbetroffenen Ressorts angehören. Dieser Ausschuss soll der Bundesregierung eine Konzeption für eine nationale Politik der nachhaltigen Entwicklung und konkrete Projekte zur Umsetzung vorschlagen und dabei Ergebnisse der Arbeit des Rates miteinbeziehen. Er soll die Ressortabstimmung steuern.

§ Umweltschutz und Nachhaltigkeit bedürfen der Modernisierung und Innovation. Sie sind oft ein Ergebnis pfiffiger Ideen. Solche Ideen erfordern Mut zum Risiko, Mut zur Veränderung und damit Mut zur Infragestellung von Besitzständen. Wir wollen deshalb auch verstärkt modellhafte Vorhaben und Aktivitäten identifizieren und auszeichnen. Praktische Umsetzungsmaßnahmen und gemeinsame Projekte

§ können kurzfristige Erfolgserlebnisse schaffen und so den Frust ritualisierter Gesprächsrunden vermeiden,

§ sind ein Schritt zu mehr Nachhaltigkeit, auch wenn allein nicht hinreichend,

§ ermöglichen Innovation durch Kooperation,

§ helfen die Kluft zwischen Einsicht und tatsächlichem Handeln zu überwinden und

§ fördern so den gesellschaftlichen Lernprozess sowie die Partizipation und Selbstorganisation der gesellschaftlichen Akteure.

§ Wir wissen, dass trotz vielfältiger Bemühungen, den Diskurs über nachhaltige Entwicklung in Deutschland zu vertiefen, von einer wirklichen Verankerung des Nachhaltigkeitsgedankens in unserer Gesellschaft noch keine Rede sein kann. 1998 kannten nur 15% der Befragten in der vom BMU in Auftrag gegebenen Umfrage zum Umweltbewusstsein den Begriff Nachhaltigkeit.
Deshalb ist eine breite Kommunikation in die gesamte Gesellschaft hinein dringlich. Sicherlich werden wir hierfür das uns zur Verfügung stehende Instrumentarium nutzen wie: ein einheitliches Logo, Veröffentlichungen, Anhörungen, Tagungen und Workshops, Wettbewerbe und Auszeichnungen sowie Kommunikations- und Diskussionsform in den neuen Medien (Internet, Homepage).

Wir setzen jedoch auch darauf, dass der Rat und seine Mitglieder, wie auch die gesellschaftlichen Gruppen den Nachhaltigkeitsgedanken und -prozess mit in die Gesellschaft hineintragen werden.

§ Last but not least sind Bestandsaufnahme, kontinuierliches Monitoring und eine Bewertung der Fortschritte von hoher Bedeutung. Informationen und Daten zu allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit müssen dabei gemeinsam und möglichst miteinander verknüpft dargestellt werden. Die Bundesregierung wird deshalb beispielsweise - so im Mai beschlossen - im Jahreswirtschaftsbericht neben den wichtigsten wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren auch erste ausgewählte Umweltindikatoren veröffentlichen (BMU-Umweltbarometer). Ihre Entwicklung und Konsolidierung wird von uns ebenso wie bei Nachhaltigkeitsindikatoren auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene nachdrücklich vorangetrieben. Ein gutes Beispiel ist der unter Federführung des BMU gerade abgeschlossene Bericht der Bundesregierung zur Testphase für Nachhaltigkeitsindikatoren im Rahmen der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung.

Ich setze darauf, dass all diese Aktivitäten es uns ermöglichen, eine breite gesellschaftliche Verständigung über einen nachhaltigen Entwicklungspfad für Deutschland in einer globalisierten Welt herbeizuführen. Wir wollen unsere Überlegungen und Ergebnisse aktiv in den laufenden europäischen Prozess wie auch in die Arbeiten auf Ebene der OECD und der Vereinten Nationen einbringen. Rechtzeitig zum 10. Jahrestag der Rio-Konferenz für Umwelt und Entwicklung wollen wir eine erste Gesamtfassung der NHS vorlegen.
Ich hoffe, wir alle werden dabei kooperativ und konstruktiv zusammenarbeiten.

Frank Biermann / Prof. Dr. Udo E. Simonis:

Politikinnovation auf der globalen Ebene

Eine Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung

“Denkt man nur bis zum nächsten Jahr, muss man nicht radikal sein. Denkt man bis zum Jahr 2030, dann wird klar, dass radikale Änderungen notwendig sind.” Claude Fussler

I. Erinnerungen

Die Hauptthese des Berichts der Nord-Süd-Kommission “Das Überleben sichern” (1980) spiegelte sich schon in dessen Untertitel wider: “Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer”.1 In seinen “Erinnerungen” (1992) gesteht Willy Brandt, der Vorsitzende dieser Kommission, dass sich diese These nicht bestätigt habe: “Statistisch betrachtet, hat sich die ökonomische Verflechtung der Industrie- mit den Entwicklungsländern keineswegs verstärkt; im Gegenteil, beide haben sich weiter voneinander entfernt”.2 Wie würde das Urteil heute lauten, wenn man nicht die Ökonomie, sondern die Ökologie vor Augen hätte?

Die Hauptthese des Berichts der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (1987) spiegelte sich in dessen Titel wider: “Unsere Gemeinsame Zukunft”.3 Das Adjektiv war groß geschrieben - und in ihrem Vorwort schrieb die Vorsitzende der Kommission, Gro Harlem Brundtland: “Wir leben in einer Ära der Geschichte der Nationen, in der es mehr als je zuvor der koordinierten politischen Aktion und der globalen Verantwortung bedarf”.4 Wie steht es um Aktion und Verantwortung, wenn es nicht nur um internationale Wirtschafts-, sondern um Umweltpolitik ginge?

Ökologisch gesehen waren Industrie- und Entwicklungsländer schon immer eng verflochten und diese Verflechtung hat in den letzten zwei Jahrzehnten - nach Erscheinen des Brandt-Berichts und seit Veröffentlichung des Brundtland-Berichts - weiter zugenommen. Es gibt auch starke gemeinsame Interessen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die aus der ökologischen Verflechtung, aus gravierenden trans-nationalen und globalen Umweltproblemen resultieren.5 Zukunftsszenarien haben die Dringlichkeit des Handelns aufgezeigt und die Gefahren verdeutlicht, die Nicht-Handeln oder verspätetes Handeln heraufbeschwören.6 Ohne einen ökologischen Umbau der Wirtschaft der Industrieländer und ohne eine ressourcen- und energiesparende Gestaltung der nachholenden Entwicklung in den Entwicklungsländern driftet die Welt in eine ökologische Sackgasse. Diese globale Problematik lässt sich durch lokale und nationale Initiativen mildern, doch nur in Verbindung mit globalen Politikansätzen wirklich lösen.7

Bislang reagierte die Politik hierauf mit dem Versuch einer verbesserten Koordination und Kooperation der Staaten: Eine wahre “Explosion von umweltvölkerrechtlichen Verträgen” (Richard E. Benedick) ist festzustellen. Aber wurden diese Verträge auch umgesetzt, nutzten diese Rechtstexte der Umwelt? Und halten sich die Regierungen an das, was sie auf den großen internationalen Umwelt- und Entwicklungskonferenzen, wie 1972 in Stockholm, 1992 in Rio de Janeiro und 1997 in New York beschlossen haben?

Manche Erfolge sind unbestreitbar. Im Gefolge der Umsetzung der Konvention über weitreichende grenzüberschreitende Luftverschmutzung (1979, in Kraft 1983) konnten die Schwefelemissionen in Europa drastisch reduziert werden. Das Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht (1987, in Kraft 1989) bewirkte in den Industrieländern, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) kaum noch hergestellt bzw. verbraucht werden. Die Klimarahmenkonvention (1992, in Kraft 1994) war dagegen bislang wenig erfolgreich, weltweit werden heute mehr Treibhausgase freigesetzt als damals. Und ob die Biodiversitätskonvention (1992, in Kraft 1993) das Artensterben seither aufhalten konnte, ist mehr als fraglich.8

Im folgenden soll daher ein Vorschlag unterbreitet werden, wie die Umsetzung von internationalen Vereinbarungen verbessert werden kann, im Sinne der Markierung von Eckpunkten einer Reform des Institutionensystems der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik.

II. Eine neue UN-Architektur

Gängig ist die Sichtweise, dass die bestehenden internationalen Organisationen zu schwerfällig seien und eine schlankere Form sowie effizientere Verfahren benötigten. Diese Sicht der Dinge soll hier nicht im Detail diskutiert werden.9 Zweifelsohne wäre viel gewonnen, wenn das Management des UN-Umweltprogramms (UNEP; vgl. Kasten 1) oder der UN-Kommission zur nachhaltigen Entwicklung (CSD, vgl. Kasten 2) effizienter würde. Ein Königsweg ist die minimalistische Strategie einer Effizienzsteigerung der vorhandenen Bausteine einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik aber sicherlich nicht.

Kasten 1: Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)

Im Zuge der Stockholmer “Konferenz über die Umwelt des Menschen” beschloss die UN-Vollversammlung 1972 die Einrichtung eines eigenständigen UN-Umweltprogramms (United Nations Environment Programme, UNEP). UNEP ist keine Sonderorganisation mit eigener Mitgliedschaft und Rechtspersönlichkeit, sondern lediglich ein Nebenorgan der UN-Vollversammlung. UNEP sollte im Gesamtsystem der Vereinten Nationen vor allem als “Umweltgewissen” dienen, mit bescheidenen Finanzmitteln als “Katalysator” zu Umweltschutzprojekten anderer Organe und Sonderorganisationen anregen und die UN-Umweltpolitik koordinieren. Während die Verwaltungskosten des Sekretariats und des Verwaltungsrates vom allgemeinen UN-Haushalt gedeckt werden, finanziert ein zusätzlicher, aus freiwilligen Beiträgen gespeister Umweltfonds einzelne Projekte. Dieses Programmbudget belief sich 1996/1997 auf knapp 100 Millionen US-Dollar. Als Sitz des UNEP-Sekretariats wurde Nairobi gewählt, wodurch erstmals ein UN-Organ in einem Entwicklungsland angesiedelt wurde.

Kasten 2: Die UN-Kommission zur nachhaltigen Entwicklung (CSD)

1992 wurde, im Zuge des “Erdgipfels” von Rio de Janeiro, ein neues Gremium innerhalb der Vereinten Nationen geschaffen: die “Kommission zur nachhaltigen Entwicklung” (Commission on Sustainable Development, CSD). Diese neue Kommission ist dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC), einem ihrer Hauptorgane, beigeordnet; ihre 53 Mitglieder werden auf regionaler Grundlage gewählt und sollten auf Ministerebene vertreten sein. Arbeitsgrundlage ist die Agenda 21, das umfangreiche, völkerrechtlich aber unverbindliche “Aktionsprogramm für eine nachhaltige Entwicklung”, das 1992 in Rio de Janeiro beschlossen worden war. Von den Verwaltungskosten abgesehen, verfügt die CSD über keine eigenen Finanzmittel.

Häufig wird auch eine bessere Koordination zwischen diesen und den anderen Akteuren der internationalen Umweltpolitik gefordert, wie insbesondere der Globalen Umweltfazilität (GEF) von Weltbank, UNEP und UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), den Vertragsstaatenkonferenzen zur Klimarahmenkonvention, zur Biodiversitätskonvention, zur Desertifikationskonvention, zum Montrealer Protokoll, zu den Konventionen über die Feuchtgebiete, den Schutz des Weltnaturerbes, den Schutz der weitwandernden Wildtiere und weiteren Verträgen, alle mit eigenen Sekretariaten und Wissenschaftlichen Beiräten. Zwischen fast all diesen Institutionen gibt es Überschneidungen im Aufgabenbereich; eine Abstimmung findet, wenn überhaupt, nur ad hoc statt, indem einzelne Vertragsstaatenkonferenzen mit UN-Organisationen oder untereinander Absprachen treffen.10 Deshalb wäre eine bessere Vernetzung dieser Umwelt-Institutionen mit den anderen UN-Organisationen sowie mit Weltbank, Währungsfonds (IMF) und Welthandelsorganisation (WTO) sicherlich ein wichtiges Element zur Optimierung der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik. Eine solche bessere Vernetzung wird allerdings ohne eine entsprechende institutionelle und finanzielle Stärkung keine ausreichenden Fortschritte bewirken - eine andere Architektur der integrierten internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik ist gefragt.

Im Auftrage der Stiftung Entwicklung und Frieden (SEF) haben Frank Biermann und Udo E. Simonis hierzu das Modell einer Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung (World Environment and Development Organization) entworfen.11 Diese neue Sonderorganisation der Vereinten Nationen sollte mindestens das UNEP, die CSD sowie die relevanten umweltpolitischen Konventionssekretariate integrieren, eventuell auch das UNDP. Eine enge Zusammenarbeit mit den Bretton-Woods-Organisationen, der WTO und den themenverwandten UN-Sonderorganisationen müsste darüber hinaus sichergestellt werden (vgl. hierzu Abbildung 1).

Quelle: Biermann, Frank & Udo E. Simonis, 1998.

Abbildung 1: Modell der Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung

1. Begründung

Wer in Zeiten von Haushaltskürzungen den Aufbau einer neuen Organisation empfiehlt, muss dies mit guten Argumenten begründen können. Zunächst sollte man die Synergien durch Integration bestehender Programme und Institutionen in Betracht ziehen, wodurch erhebliche Einsparungen bei den Verwaltungskosten möglich würden. Eine Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung muss von der UN-Generalversammlung bzw. einer diplomatischen Konferenz beschlossen werden - und diese hätte Mandat, Budget, Finanzierungsschlüssel und Verfahrensfragen festzusetzen. Danach müsste das Gründungsdokument ratifiziert werden. Nicht alle Staaten der Welt müssen dabei mitmachen, und anders als bei einer Änderung der UN-Charta, besitzen die ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bei einer solchen Reorganisation kein Vetorecht.

Welche Funktionen sollte einer solchen neuen Weltorganisation im internationalen Institutionensystem aufgetragen werden? Im wesentlichen geht es wohl um drei Aufgaben:

  • den höheren Stellenwert für die Aufgaben der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik bei den nationalen Regierungen, internationalen Organisationen und privaten Akteuren, auch dadurch, dass dem Thema nachhaltige Entwicklung weltweit Aufmerksamkeit und Priorität eingeräumt wird;
  • den raschen Einsatz der bestehenden Instrumente der Umwelt- und Entwicklungspolitik sowie ein geeignetes institutionelles Umfeld, um akute internationale Probleme auf die Agenda setzen und detaillierte Ziele und Maßnahmen, auch neue Konventionen, verhandeln zu können; sowie
  • die Stärkung der Handlungskapazität der ärmeren Staaten Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Lateinamerikas.

2. Höherer Stellenwert der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik

Die Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung sollte, wie es Aufgabe aller Sonderorganisationen der Vereinten Nationen ist, das spezifische Problembewusstsein fördern und den weltweiten Informationsstand als Entscheidungsgrundlage verbessern - die Information über das Erdsystem, die akuten und absehbaren Umwelt- und Entwicklungsprobleme ebenso wie die Information über den Stand der Umsetzung der internationalen und nationalen Politiken zur Steuerung des globalen Wandels.12 Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden: Sämtliche globalen Umweltverträge verpflichten schon heute ihre Vertragsparteien zur regelmäßigen Berichterstattung über ihre Politik; Sonderorganisationen wie die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sammeln und verbreiten wertvolles Wissen und fördern weitergehende Forschung; die CSD leistet wichtige Beiträge zur Entwicklung von Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung; und nicht zuletzt ist UNEP auf all diesen Gebieten aktiv.

Was fehlt, ist jedoch die entscheidungsorientierte Aufbereitung, Weiterleitung und Umsetzung dieses Wissens. Was von den verschiedenen internationalen Akteuren erarbeitet wird, benötigt daher einen Fixpunkt im internationalen Institutionensystem. UNEP könnte dieser Fixpunkt sein, doch reichen die Ressourcen und Kompetenzen dieses der UN-Vollversammlung beigeordneten Programms bei weitem nicht aus. Viel eher wäre das möglich bei einer vertraglich abgesicherten, finanziell mit zusätzlichen Mitteln gestützten und institutionell eigenständigen Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung.

3.Besseres Umfeld zur Politikumsetzung

Globale Umwelt- und Entwicklungspolitik erfolgen über internationale Regime, in denen die Staaten sich auf gemeinsame Ziele und Maßnahmen einigen.13 Die “Weltlegislative” sitzt dabei in den diplomatischen Konferenzen, den Versammlungen und Ausschüssen der Vereinten Nationen, ihrer Sonderorganisationen und den Bretton-Woods-Organisationen. Wie bei der Information, fehlt aber auch hier die entsprechende Verknüpfung. Beispielsweise mangelt es an der Koordination der Klima- und Biodiversitätspolitik. So ist es wahrscheinlich, dass die Anrechnung von Treibhausgassenken (wie Wälder) im Kyoto-Protokoll zur Klimarahmenkonvention Anreize in der Waldpolitik setzen wird, welche den Zielen der Biodiversitätspolitik schlicht zuwiderlaufen, weil in diesem Protokoll faktisch das Abholzen von (artenreichen) Urwäldern und das anschließende Wiederaufforsten mit (artenarmen, aber schnellwachsenden) Plantagen als klimapolitische Maßnahme prämiert wird.14

Ein weiteres grundsätzliches Problem besteht darin, dass die globale Umweltkrise im Kern kein technisches Problem ist, das sich durch sektorale Politik allein lösen ließe: Nötig ist eine politische Strategie, die dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung in der internationalen Handelspolitik, in der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Finanzpolitik wirkungsvoll Gehör verschafft. Dies kann das UNEP nicht leisten; auch die CSD war hier wenig erfolgreich. Gerade deshalb könnte die Gründung einer starken Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung ein neues Forum für die Vereinbarung und Durchsetzung einer globalen Strategie der nachhaltigen Entwicklung bieten.

4. Erhöhte Handlungskapazität der Entwicklungsländer

Die Rio-Konferenz von 1992 hat explizit den Grundsatz der “gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Fähigkeiten” der Staaten in der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik anerkannt.15 Hieraus ergab sich in mehreren der nachfolgenden Verträge eine Differenzierung der Pflichten: Entwicklungsländer müssen weniger für den Erhalt der globalen Ökologie leisten als Industrieländer; daraus folgt die Pflicht der Industrieländer, die Mehrkosten der Entwicklungsländer beim Schutz der globalen Umweltgüter zu finanzieren. Was die globale Ökologie betrifft, erklärte der Norden sich also bereit, den Süden in seinen Anstrengungen finanziell und technisch voll zu kompensieren.

Auch hier ist jedoch das internationale Institutionensystem von einem ad hoc-Ansatz gekennzeichnet, der den Erfordernissen der Transparenz, Effektivität und Beteiligung der Betroffenen bestenfalls zum Teil gerecht wird. Die GEF (vgl. Kasten 3) wird von vielen Entwicklungsländern weiterhin nicht als Finanzierungsmechanismus akzeptiert16, weil ihre Vergabekriterien zu wenig den unmittelbaren Interessen der Entwicklungsländer entsprechen.

Neben der GEF gibt es ein Mosaik an separaten, nicht koordinierten Fonds: den Ozonfonds, die Fonds zum Schutz von Feuchtgebieten, zum Schutz des Welterbes, zum Schutz des Mittelmeeres, den geplanten “Clean Development Mechanism” der Klimapolitik und so fort.

Kasten 3: Die Globale Umweltfazilität (GEF)

Um die Forderung der Entwicklungsländer nach einem unabhängigen Klimafonds oder Weltumweltfonds abzuwehren, war auf deutsch-französische Initiative hin 1990 die Gründung einer “Globalen Umweltfazilität” (Global Environment Facility, GEF) in der Weltbank beschlossen worden. Die Gelder der GEF sollen dem Schutz “globaler Umweltgüter” dienen: dem Schutz des Klimas, der Ozonschicht, der internationalen Gewässer, der Biodiversität sowie des Bodens, soweit ein Zusammenhang mit den ersten vier Problemfeldern besteht. Dadurch werden Projekte mit lediglich lokaler Bedeutung für die Entwicklungsländer nicht gefördert, etwa die Sondermüllbeseitigung, der Trinkwasserschutz oder der Umgang mit gefährlichen Chemikalien. Das Finanzvolumen der GEF betrug bislang rund 700 Millionen US-Dollar pro Jahr. Die Weltbank verwaltet diese neue Globale Umweltfazilität gemeinsam mit UNDP und UNEP. 1994 wurde die GEF grundlegend umstrukturiert. Diese “GEF-II” ist nun eine eigenständige Körperschaft mit Vollversammlung, Rat und Sekretariat. Von den 32 Sitzen im Rat werden 16 von Entwicklungsländern, zwei von Transformationsländern und 14 von OECD-Ländern eingenommen. Ist ein Konsens nicht erreichbar, wird mit qualifizierter Mehrheit entschieden, welche zugleich 60 Prozent der Gesamtzahl der GEF-Teilnehmer und 60 Prozent der gesamten Beitragszahlungen einschließen muss.

Die Gründung einer Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung bietet daher eine neue Möglichkeit, die verschiedenen Finanzierungsmechanismen zur Realisierung synergetischer Effekte zusammenzuführen bzw. die Mittel der sektoralen Fonds zu übernehmen und treuhänderisch zu verwalten. Hierin könnten auch die Funktionen der GEF eingegliedert (und diese damit aufgelöst) werden. Für die finanziell betroffenen Industrieländer könnte dieser Vorschlag dadurch akzeptabel werden, dass die Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung ein der GEF entsprechendes Entscheidungsverfahren erhielte (was weiter unten beschrieben wird).

III. Institutionelle Maximalvorschläge

Die hier vorgeschlagene Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung soll im wesentlichen auf die genannten drei Kernfunktionen beschränkt bleiben. Es gibt hingegen eine Reihe von maximalistischen Vorschlägen, die deutlich weiter gehen und fundamentale Änderungen im internationalen Institutionensystem voraussetzen oder zur Folge haben.17

1. Umweltsicherheitsrat

Einige Vorschläge betonen die Notwendigkeit der Aufgabe an nationaler Souveränität, zum Beispiel durch Einsetzung eines “Weltumweltrates” bzw. “Umweltsicherheitsrates”, der Zwangsgewalt zur Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen in der Weltumweltpolitik erhalten müsste. Solche Vorschläge sind aber für die nahe und mittlere Zukunft eher unrealistisch, weil sie unter anderem eine Änderung der UN-Charta voraussetzen - und das kann nur mit Einwilligung von zwei Dritteln aller Staaten erfolgen, einschließlich der Stimmen der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA). Derzeit stemmen sich gerade die Entwicklungsländer (vor allem China) gegen jegliche Andeutung einer Souveränitätseinschränkung, aber auch die Industrieländer (vor allem die USA) wollen hier nicht sehr weit gehen.

2. Umwelttreuhandrat

Etwas anders stellt sich das Problem dar bei dem Vorschlag, den bestehenden UN-Treuhandrat, der nun, nach der politischen Unabhängigkeit der letzten Treuhandgebiete, obsolet geworden ist, in einen “Weltumwelt-Treuhandrat” umzuwandeln. Dieser Gedanke wurde von UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Reformprogramm Erneuerung der Vereinten Nationen (1997) aufgegriffen, doch blieb der Generalsekretär eher vage hinsichtlich der Funktionen eines solchen Rates. Praktikabel erscheint eine treuhänderische Verwaltung seitens der Vereinten Nationen nur für staatsfreie Gebiete, wobei aber selbst eine stärkere UN-Kontrolle über die Antarktis gegen den Widerstand der Parteien zum Antarktisvertrag kaum durchzusetzen sein dürfte. Zu erwägen wäre indes eine Treuhandfunktion der Vereinten Nationen für die Meere, vor allem jenseits der 200-Meilen-Zone, sowie für den Weltraum.

3. Umweltgerichtshof

Seit einiger Zeit ist auch ein “Internationaler Umweltgerichtshof” in der Diskussion, vor allem bei Juristen, für die höchstrichterliche Entscheidungen die typische Lösung von gesellschaftlichen Konflikten darstellen. Aber auf die Weltumweltpolitik ist dieses Modell nicht ohne weiteres übertragbar. So darf der bestehende Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag zwar über alle Fragen des Völkerrechts urteilen, also auch über die Auslegung und Umsetzung von internationalen Umweltverträgen; das Gericht darf aber nur richten, wenn Kläger und Beklagter mit seiner Anrufung einverstanden sind - und dies ist natürlich nur höchst selten der Fall. Zur Auslegung von Umweltverträgen wurde der IGH denn auch noch nie eingeschaltet.

4. Handelsbeschränkungen

Grundsätzlich könnte die Einhaltung von bestimmten Umweltstandards auch durch handelsbeschränkende Maßnahmen erzwungen werden.18 Beim Montrealer Protokoll sind gegenüber Nichtvertragsstaaten Einschränkungen des Handels mit FCKW wie auch des Handels mit FCKW-haltigen Produkten vorgesehen.19 Da das Protokoll anfangs nur von Industrieländern verhandelt worden war, sahen viele Entwicklungsländer in diesen Handelsrestriktionen einen Fall von “Öko-Kolonialismus”, weil auf diese Weise die strengen (und teuren) Umweltstandards des Nordens dem Süden über dessen Integration in den Welthandel aufgezwungen werden könnten.

Eine andere Art, das ökonomische Nord-Süd-Gefälle zur Förderung der Umweltpolitik in Entwicklungsländern zu nutzen, sind die Kampagnen von Umweltverbänden aus Industrieländern für die Einführung von Umweltstandards in der Exportfinanzierung, also etwa bei den Hermes-Bürgschaften. Hiermit soll verhindert werden, dass Industrieunternehmen des Nordens in Entwicklungsländern wesentlich niedrigere Standards anwenden als in Industrieländern, wenn sie eine Exportbürgschaft erhalten wollen. Auch dies führt aber in der Tendenz dazu, dass Entwicklungsländer sich externem ökonomischen Druck beugen bzw. sich den umweltpolitischen Zielen der Industrieländer zumindest teilweise anpassen müssten.

Handelsbeschränkende Maßnahmen sind also ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es zwar richtig, dass ein “race to the bottom” bei den Umweltstandards vermieden werden muss, dass also die Konkurrenz der Standorte in Nord und Süd nicht zu einem Verzicht auf effektiven Umweltschutz führen darf. Andererseits darf bei den Umweltproblemen, die nur eine lokale oder regionale Bedeutung haben, nicht in die freie Entscheidung der Entwicklungsländer über die für sie optimale Umwelt- und Entwicklungspolitik eingegriffen werden. Was dagegen die globalen Umweltprobleme angeht, so sollen ja gerade international einvernehmlich verhandelte Konventionen - und die hier vorgeschlagene Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung - zu ökonomisch effizienten, sozial akzeptablen und ökologisch effektiven Lösungen beitragen. Die internationalen Verträge zu Klima, Biodiversität und Ozon bieten - dementsprechend - einen Kompromiss an, indem Entwicklungsländern für ihren Beitritt sowohl das Recht auf niedrigere Umweltstandards als auch die Erstattung derjenigen Mehrkosten zugesichert wurde, die ihnen durch ihren Beitritt zu den Verträgen entstehen.

IV. Funktionsweise der Weltorganisation

1. Entscheidungsverfahren

A und O des Erfolges einer jeden politischen Institution sind die Verfahren, nach denen entschieden wird. Die jeweils besonderen Aufgaben und Probleme haben in den verschiedenen internationalen Organisationen zu recht unterschiedlichen Verfahren geführt.20 Gewisse Elemente dieser unterschiedlichen Entscheidungsverfahren ließen sich für eine Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung kombinieren, um so ihre administrative Effektivität wie ihre politische Akzeptanz sicherzustellen.

Sinnvoll dürften vor allem solche Entscheidungsverfahren sein, die Nord und Süd eine gleichberechtigte Stellung einräumen. Dies würde gewährleisten, dass Entscheidungen der neuen Weltorganisation zu Strategie und Programm weder den Interessen der Entwicklungsländer noch jener der Industrieländer zuwiderlaufen würden. Denn ohne Zustimmung der Mehrheit der Regierungen des Südens ist eine globale Umwelt- und Entwicklungspolitik nicht möglich. Aber auch ohne die Zustimmung der Mehrheit der Industrieländer kann eine globale Politik nicht gelingen. Nord-süd-paritätische Entscheidungsverfahren sind also im Ergebnis ein “dritter Weg” zwischen dem süd-orientierten Entscheidungsverfahren der UN-Vollversammlung (ein Land, eine Stimme) und der nord-orientierten Prozedur der Bretton-Woods-Organisationen (ein Dollar, eine Stimme).

Im Montrealer Protokoll (und für den Multilateralen Ozonfonds) wurde 1990 festgelegt, daß jegliche Entscheidung die Zustimmung von zwei Dritteln aller Vertragsparteien erfordert, wobei diese zwei Drittel zugleich die einfache Mehrheit der Entwicklungsländer und die einfache Mehrheit der Industrieländer einschließen müssen.21 In der GEF erfordern die Entscheidungen des Verwaltungsrates seit 1994 ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit, die hier 60 Prozent der an der Fazilität beteiligten Staaten und zugleich 60 Prozent der finanziellen Beiträge zur Fazilität repräsentieren muss. Auch dies ist im Ergebnis ein nord-süd-paritätisches Verfahren, das den Entwicklungsländern und den Industrieländern jeweils ein effektives Vetorecht einräumt. Beide genannten Ausgestaltungen des paritätischen Verfahrens kämen für die Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung in Betracht.

Problematisch bei strikt paritätischen Verfahren bleibt allerdings die Einigung auf die Gruppenzugehörigkeit. Singapur hat beispielsweise ein höheres Pro-Kopf-Einkommen als viele Industrieländer, gilt jedoch - als Mitglied der “Gruppe 77” - weiterhin als Entwicklungsland. Im Ozonregime wird problemspezifisch graduiert: Wenn ein Entwicklungsland mehr als 300 Gramm FCKW pro Kopf und Jahr verbraucht, wird es automatisch als Industrieland eingestuft; es muss dann die schärferen Reduktionspflichten der Industrieländer erfüllen und wird bei der paritätischen Abstimmung zur Gruppe der Industrieländer gezählt.

Bei einer Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung scheidet eine solche problemspezifische Graduierung jedoch aus. Übrig bliebe daher als zweitbeste Lösung die Selbstdefinition der Staaten, wie das in der UNCTAD oder in der UN-Vollversammlung der Fall ist. Zumindest sollte zu erwarten sein, dass Entwicklungsländer, die der OECD beitreten (wie vor einiger Zeit Mexiko und Südkorea), automatisch die umweltpolitischen Pflichten der Industrieländer erfüllen müssen.

2. Beteiligung der Nichtregierungsorganisationen

In den internationalen Verhandlungen zur Umwelt- und Entwicklungspolitik hat die Bedeutung der über Staatsgrenzen hinweg agierenden Umwelt- und Entwicklungsorganisationen (NROs) deutlich zugenommen.22 Solche transnationalen Vereinigungen liefern vielfältige Dienstleistungen im internationalen Institutionensystem: Sie leisten kostengünstige Forschung und Politikberatung durch qualifizierte Mitarbeiter, kontrollieren die gegenseitigen Verpflichtungen der Staaten, informieren Regierungen und Öffentlichkeit sowohl über die Handlungen der “eigenen” Diplomaten als auch über die der anderen Verhandlungspartner - und erlauben so eine Rückkopplung der Regierungsvertreter auf diplomatischen Konferenzen mit der innenpolitischen Situation vor Ort.

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Stimmen, die den nichtstaatlichen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen einen internationalen Rechtsstatus einräumen wollen. Ein möglicher Präzedenzfall hierbei ist das Entscheidungsverfahren der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), bei dem jeder Mitgliedstaat mit vier Stimmen vertreten ist, von denen zwei auf die Regierung und je eine auf die Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften entfallen.

Beim Übertragen eines solchen Entscheidungsverfahrens auf die globale Umwelt- und Entwicklungspolitik träten derzeit aber noch gewisse Probleme auf: Es gibt kaum Zusammenschlüsse von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, die ihre gesamte nationale Klientel überzeugend repräsentieren. Doch können sich solche Koalitionen in Zukunft sehr wohl herausbilden - ja, dieser Prozess könnte dadurch befördert werden, dass im Statut der Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung die Repräsentation von stimmberechtigten NRO's aus beiden Interessenlagern förmlich festgelegt wird.

3. Finanzierung

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Aufgaben einer Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung zu finanzieren.23 Zum einen erkennen die Industrieländer schon seit den 60er Jahren und noch immer das politische Ziel an, 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe aufzubringen. Bislang haben allerdings nur die skandinavischen Staaten und die Niederlande dieses Ziel eingehalten; manche von ihnen überschritten zeitweise sogar die 1-Prozent-Grenze. Die Erinnerung an diese Zahlungszusage der Industrieländer und deren Einhaltung wäre also eine Möglichkeit, die Aufgaben der Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung zu finanzieren.

Daneben hat die Schuldenkrise der Entwicklungsländer zu verschiedenen Vorschlägen geführt, die Lösung dieser Krise mit der Lösung umwelt- bzw. entwicklungspolitischer Probleme zu verknüpfen. Mitte der 80er Jahre begannen US-amerikanische Umweltverbände, Schuldentitel von Entwicklungsländern auf dem Weltmarkt aufzukaufen und diese bei den jeweiligen Regierungen gegen bestimmte umweltpolitische Programme “einzutauschen” (debt for nature swaps), wobei in der Regel Regenwaldgebiete unter Schutz bzw. pflegliche Nutzung gestellt wurden. Eine auf Umweltschutz zielende Schuldenstreichung oder -streckung stellt ohne Zweifel ein erhebliches Finanzierungspotential dar, wenn die Industrieländer öffentliche Schuldentitel von Entwicklungsländern an die Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung abtreten oder ihr die Rückflüsse aus diesen Krediten als “Anschubfinanzierung” zur Verfügung stellen würden.

Ein Grundproblem aller multilateralen Finanzierungsmechanismen bleibt aber weiterhin, dass es keine verbindlichen, durchsetzbaren Verpflichtungen gibt. Selbst wo vertraglich festgelegte Mitgliedsbeiträge existieren - etwa für den Haushalt der Vereinten Nationen -, zeigt sich immer wieder, dass Zahlungen politisch instrumentalisiert oder von der Wirtschaftskonjunktur abhängig gemacht werden. Sinnvoll und realistisch erscheint daher die Einführung automatischer Finanzierungsquellen, das heißt einer Art indirekter Steuern zur Finanzierung globaler Gemeinschaftsaufgaben, die nicht vom Tagesgeschäft nationaler Finanzminister abhängen.

In der Wissenschaft, jüngst aber auch in der CSD, sind zwei Arten solcher Finanzierungsquellen intensiv diskutiert worden, die beide mit internationalen Transaktionen zu tun haben: eine internationale Luftverkehrssteuer und eine Devisen- bzw. Börsenumsatzsteuer.24 Eine Steuer von fünf US-Dollar für jeden geflogenen “Passagiersektor” würde jährlich globale Einkünfte von etwa 1,5 Milliarden US-Dollar erbringen. Da eine Steuer auf den Luftverkehr vergleichsweise leicht und mit geringen Kosten eingetrieben werden kann, zum Beispiel zusammen mit der Erhebung der (üblichen) Flughafengebühr, ist ihre Praktikabilität als sehr hoch einzuschätzen.

Eine zweite gute Möglichkeit, die Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung zu finanzieren, besteht in der Einführung einer internationalen Devisenumsatzsteuer (Tobin-Steuer). Dieser Vorschlag gewinnt in jüngster Zeit an Zustimmung, und zwar nicht nur wegen der dadurch möglichen “Abbremsung” der ungesteuerten internationalen Devisentransaktionen, sondern auch und gerade wegen der Eleganz und Leichtigkeit der Erzielung zusätzlicher Steuereinnahmen für globale Umwelt- und Entwicklungsaufgaben. Eine Steuer von 0,5 Prozent auf die weltweiten Devisentransaktionen würde zwischen 150 und 200 Milliarden US-Dollar pro Jahr erbringen.

III. Zusammenfassung und Ausblick

Mit der bevorstehenden Jahrhundertwende kommt auch die notwendige Reform der Vereinten Nationen - erneut - in den Blick.25 Effizienzsteigerung und mehr Koordination sind - so wurde eingangs argumentiert - wünschenswert, reichen allein aber nicht aus, um die Wirksamkeit des bestehenden Institutionensystems der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik zu verbessern. Zusätzlich sollte daher - und möglichst noch im Jahr 2000 - eine Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung als weitere Sonderorganisation der Vereinten Nationen beschlossen und zügig eingerichtet werden, die den drängenden Aufgaben der globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik einen höheren Stellenwert bei nationalen Regierungen, internationalen Organisationen und privaten Akteuren verschaffen, das institutionelle Umfeld für die Aushandlung und Umsetzung neuer Konventionen und Aktionsprogramme verbessern und die Handlungskapazität der ärmeren Staaten in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika stärken sollte.

Hinsichtlich der Entscheidungsverfahren wäre eine größtmögliche Akzeptanz der Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung durch Einführung nord-süd-paritätischer Entscheidungsverfahren nach dem Modell des Ozonregimes zu erzielen. Dabei hätte die Mehrheit der Entwicklungsländer und zugleich die Mehrheit der Industrieländer jeweils ein Gruppenvetorecht über die Entscheidungen. Zusätzlich sollten Repräsentanten der Umwelt- und Entwicklungsverbände und der Wirtschaft nach dem Modell der ILO stimmberechtigt sein.

Auch die Finanzierung der Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung ist realisierbar. Einmal würden durch die Integration der bestehenden Organisationen und Programme erhebliche Kosten eingespart. Darüber hinaus wäre eine Finanzierung zu sichern durch Erfüllung des 0,7-Prozent-Ziels der Industrieländer, durch Umwidmung von Schuldentiteln der Entwicklungsländer für die Aufgaben der Weltorganisation und durch Einführung automatischer Finanzierungsmechanismen, vor allem einer internationalen Luftverkehrssteuer oder einer Devisenumsatzsteuer.

Anmerkungen

i Bericht der Nord-Süd-Kommission, Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer (=Brandt-Bericht), Köln 1980.

i Willy Brandt, Erinnerungen, Frankfurt a.M., Berlin 1992 (4. Aufl. 1993), S. 384.

i Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, Unsere Gemeinsame Zukunft (=Brundtland-Bericht), Greven 1987.

i Vgl. Weltkommission (Anm. 3), S. X.

i Vgl. Agenda 21. Programme of Action for Sustainable Development, New York 1992.

i Vgl. Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), Climate Change 1995. Economic and Social Dimensions of Climate Change, Cambridge 1996.

i Vgl. Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU), Welt im Wandel. Wege zur Lösung globaler Umweltprobleme, Jahresgutachten 1995, Berlin-Heidelberg 1996.

i Vgl. Udo E. Simonis et al., Weltumweltpolitik. Grundriß und Bausteine eines neuen Politikfeldes, Berlin 1998².

i Vgl. hierzu u.a. Ernst-Otto Czempiel, Die Reform der UNO, München 1994; William Douglas, The Specialized Agencies of the United Nations. The System in Crisis, London 1987; Dennis C. Pirages, Global Ecopolitics. The New Context for International Relations, North Scituate-Mass. 1977.

i Vgl. Frank Biermann, Weltumweltpolitik zwischen Nord und Süd. Die neue Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer, Baden-Baden 1998.

i Vgl. Frank Biermann / Udo E. Simonis, Eine Weltorganisation für Umwelt und Entwicklung. Funktionen, Chancen, Probleme, SEF-Policy Paper Nr. 9, Bonn 1998; auch in Englisch: A World Environment and Development Organisation. Functions, Opportunities, Issues, SEF-Policy Paper No. 9, Bonn 1998.

i Vgl. Peter M. Haas / Robert O. Keohane / Marc A. Levy (Eds.), Institutions for the Earth. Sources of Effective International Environmental Protection, Cambridge-Mass. 1993.

i Vgl. Stephan D. Krasner (Ed.), International Regimes, Ithaca, N.Y. 1983; James M. Rosenau / Ernst-Otto Czempiel, Governance without Government. Order and Change in World Politics, Cambridge 1992.

i Vgl. Andreas Gettkant / Udo E. Simonis / Jessica Suplie, Biopolitik für die Zukunft. Kooperation und Konflikt zwischen Nord und Süd, SEF-Policy Paper Nr. 4, Bonn 1997; Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU): Die Anrechnung biologischer Quellen und Senken im Kyoto-Protokoll: Fortschritt oder Rückschlag für den globalen Umweltschutz? Sondergutachten 1998, Bremerhaven 1998.

i Vgl. Frank Biermann / Udo E. Simonis, Institutionelles Lernen in der Weltumweltpolitik, in: Horst Albach et al., Organisationslernen - institutionelle und kulturelle Dimensionen. WZB-Jahrbuch 1998, Berlin 1998, S. 289-308.

i Vgl. Marian A.L. Miller, The Third World in Global Environmental Politics, Boulder-Col. 1995.

i Vgl. Edith Brown-Weiss, In Fairness to Future Generations. International Law, Common Patrimony, and Intergenerational Equity, Tokyo 1989; Wilhelm Hankel, Die Finanzkrise zwischen Nord und Süd. Gründe, Lehren, Schlußfolgerungen, in: Udo E. Simonis (Hrsg.), Entwicklungsländer in der Finanzkrise. Probleme und Perspektiven, Berlin 1983, S. 9-62; South-Commission (Süd-Kommission): Die Herausforderung des Südens (=Nyerere-Bericht), Bonn 1991.

i Vgl. Daniel C. Esty, Greening the GATT. Trade, Environment and the Future, Harlow 1994.

i Vgl. Richard E. Benedick, Ozone Diplomacy. New Directions in Safeguarding the Planet, enlarged edition, Cambridge-Mass. 1998.

i Vgl. Frank Biermann / Udo E. Simonis (Anm. 11), S. 8-9.

i Vgl. Richard E. Benedick (Anm. 19).

i Vgl. United Nations, Agenda for Development, New York 1995.

i Vgl. hierzu Peter Hayes / Kirk Smith (Eds.), The Global Greenhouse Regime. Who Pays?, Tokyo 1993; Inge Kaul / Isabelle Grunberg / Marc A. Stern (Eds.), Global Public Goods. International Cooperation in the 21st Century, New York-Oxford 1999.

i Den Originalvorschlag zur sog. Tobin-Steuer von 1978 hat der Verfasser später noch einmal überarbeitet. Siehe: James Tobin, On the Efficiency of the Financial System, in: Lloyds Bank Review, July 1984.

i Generell hierzu Paul W. Kennedy, In Vorbereitung auf das 21. Jarhundert, Frankfurt a.M. 1993; Dirk Messner / Franz Nuscheler, Global Governance. Herausforderungen an die deutsche Politik an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, SEF-Policy Paper Nr. 2, Bonn 1996; Paul P. Streeten, Global Institutions for an Interdependent World, in: World Development, 14 (1989) 9, S. 1349-1359; The Independent Working Group on the Future of the United Nations, The United Nations in its Second Half-Century (=Qureshi/von Weizsäcker-Bericht), New York 1995; Jan Tinbergen (Ed.), RIO-Reshaping the International Order, New York 1976.

Jon Kahn:

Schwedens Weg in die Nachhaltigkeit

I am going to talk about the different processes that are going on, about sector-involvment in target setting, how the objectives now are set. I would like to discuss, if this is a wise way of going on, where we are at this moment, if these targets will be powerful or not, how different actors in these process have to co-operate and how we reach out into society.

(3) The Swedish history of ecological policy startet already in 1969 with integrated pollution control. (Folie 1) Of course we were influenced a lot by the Stockholm confernence in 1972, and later on we had two very important environmental decisions in 1988 and 1991 concerning target values for NOx, Carbon Tax and so on. However, after a while we found that this was not enough. All this, the taxes and the other things, was successful. But we needed a strategy that goes together with the different sectors, that works togehter with the people responsible for energy, for traffic, culture or for other sectors. And therfore we agreed on these objectives for environmental quality, which I will talk about. At the same time we also had a law restructuring, where all the environmental laws went into one single environmental code.

(4) From a more general or abstract point of view this process can be summarized as follows: We started with point sources and with legislation during the sixties and the seventies; we continued with enonomic instruments and some targets setting in the end of the eighties and the beginning of the nineties; and right now we are trying to work with objectives for environmental quality, sectoral responsibility, environmental management and cooperation between different groups.

(5) What the politicians told in the Government bill in 1998 is: “The overall objective is to solve today's environmental problems before the year 2010-2025 - in one generation.” - ”Solve today's environmental problems”, this is a very political way of putting it. But it is a real challenge, and the interesting thing about that sentence is, that the objective itself was not discussed, when this bill was debated in parliament and accepted by all parties in parliament.

It is of course a question of what you consider as ”today's environmental problems” and what will happen with the new ones, but that is another story.

Fifteen National Objectives for Environmental Quality - the Basis of the Process

(6) The national objectives for environmental quality which now are accepted in parliament - in full unity as well, all seven parties agreed - are these:

Folie 2

Of course, they are very general. But some of them are very far-reaching like for instance ”no eutrophication” or ”clean air”.

(7) There are a lots of things going on in Sweden. We did not try to put everything into one single box and say, that everything goes in there and comes out there.

  • There is a climate commission dealing with the fifteenth of these environmental targets (see above, picture 6) and the Swedish strategy.
  • There is a yearly cabinet action programme on sustainable development where all ministries in Sweden say, what they are doing for sustainable development. And this is written down in a report to parliament.
  • There is another special investigation going on about environment and growth, resource efficiency and factor 10. Of course, this is one of the more important means in our work. But, from a more general point of view, this deals with the question, how the two different concepts - sustainable growth and sustainable developement - go together.
  • There is a special Agenda 21-comittee, there are all Swedish municipalities having agenda 21 activities, and there is a special central coordination of that in another comittee, which also does the UNGASS preperations.
  • And of course, we, who were one of the proposing countries, are very active in the Cardiff-process on EU sector integration.
So all this is going on at the same time, but we - so far - can manage it.

(8) The Committe on Environmental Objectives, which I'm the secretary of, has all political parties as members. I should also say that this is a very Swedish or Finnish-Swedish way of working. We prepare a lot of things, and we have a dialogue with industry, with interest-groups in our committee, in order to get them involved in the preparation process before ministries make a draft for a law. Our material - our base-line- is the bill, or rather what is said in the bill about new objectives needed and how all the old objectives - there were 172 old objectives - could be put into this process.

But also more than 40 state agencies, about 20 of them central and sectoral agencies plus all the regional agencies in Sweden, were commissioned to propose sectoral targets and also national targets for all these 15 environmental quality objectives. And wie are assigned by government to propose subtargets to reach the national environmental objectives, to present strategies for action and instruments, and also to do cost analysis and to watch the effects on different policies, different groups in society. And we have both: Maßnahmen und Steuerung.

(9) The basis of this process was the fact, that the old targets were too many, very varied, unorganized, and their implementation was unclear. If you set a target in parliament and you do not tell who is going to do the job, you can hardly see, if it is successfull or not. The reality has not been monitored according to the targets. The sectors were not sufficiently involved, the timetables have elapsed for some of them - we did not do what we should have done. We had a future study about Sweden 2021 - How could a sustainable Sweden look like? - which was done by the Swedish “Umweltbundesamt”, the Swedish Environmental Protection Agency. And they also proposed these 15 new environmental quality objectives.

From Objectives to Strategy: Subtargets and Sectoral Involvement

(10) Will this be a good way to walk or not? I don't know, we will see. But the idea is, that we will get a clear decision on where we are heading, which can give more freedom when we decide on instruments, and varieties could be good for this process.

If we get to joint understanding of the objectives, this will lead to practical solutions and follow-up of results. And the follow-up indeed is very good to varify what you are doing. And the most important thing of this process: When governments decide plans they overlook a one-year-budget, a three-year-budget or a five-year-budget, if possible, and they see what can be achieved. And enironment as such ist a question of taking the future into account. And you can't do that by just using interest rates or discounts. You have to do more. And therefore, the aim of this is to have the long-run effects present when deciding in the short-run - to know the vision.

(11) Our timetable is very short, perhaps too short. The agencies were commissioned to propose subtargets one year ago. In October this year we have got about five to ten thousand pages from the sectors, which we now get stuck into. And they are supposed to present targets, strategies and instruments - and and analyse consequences. The analysis of consequences was not that good, there were not always strategies and instruments and they do not all have set timetables. Some were very good. We have only little time left until June next year to present our total proposal for the new environmental policy. And the government prepares a new bill with all these subtargets for parliament discussion, because, when the first bill was presented, parliament said, that they want to decide on all the subtargets. The government ist not allowed to decide on the subtargets.

And the government wants to do this before we have - for the first time (in 2001) - the presidency of the Council of the European Union. At the same time also the EU is supposed to - I think that was the outcome of the Helsinki meeting - have a comprehensive overview of what has been going on in the Cardiff Process, with the Sixth Evironment Programme, before Rio +10.

(12) Our intention is to have subtargets for 2010. We have chosen 2010 as a halfway, because then you change things, if they don't go so well and you still have enough time to get things implemented. This will be decided in parliament as I said, and it will be complemented by sectoral targets. Our task is not to set sectoral targets - our task is to evalutate the sectoral targets, based on consequence analyses with actions, instruments, follow up mechanisms, monitoring and a clear implementing of responsibility - a tough task.

(13) Will these objectives and subtargets have any power? That is very important to discuss, I heard the questions before - about energy policy and so on. I think it will have. It will be a guide for the decision on instruments. We will give some headlines for what is to be done with instruments. When the objectives are there, it is very hard to decide on instruments which go the other way.

As the sectors have been involved - a hundred, maybe more people are involved in central places in the sectors - it will be a guide for sectoral strategies. It will also be a basis for companies, when they decide about environmental policies or environmental management. It will be the basis for regional and local targets. Many Swedish guides are already working with these 15 targets. It not a law. It is just a recommendation in the commentary to the law, so that, when you apply this law, you should use the objectives as a guide. But it is hard to put them into the law. We are discussing that a lot at the moment: What can we do more?

(14) The sectoral involvement. Some sectors are very interested, some are not so interested. They propose national targets, they have the possibility to. The sectoral targets as such are decided in sectors, which means that the sector can also be the parliament, in case of more important issues like for instance decisions on sustainable transport, energy and so on. And the sector agencies have done consultations in each sector, like the forestry, for instance. When they wanted to propose targets for forestry, they first made a draft, then they went out to forest-owners, to NGO's of different kinds. Then they went back, wrote a new draft, went out again with a new conference with all these sector representatives and went back to write their proposal. So they went out really three times in the forestry sectors. Not everybody has been that good.

I think, that for this process it has been very important, that the prime minister has put foreward the vision of sustainable development.

The Process is Organized on different Levels

(Folie 3)

(16) The objectives are set on a central level, whoever that is in each country. It could be parliament, it could be the chancellor, it could be anybody. The environmental partner, the UBA or the Bundesumweltministerium in this country or whoever - in our place I did - can formulate threats and potentials, have a dialogue with sectors on targets and instruments , follows-up and proposes. The environment has a difficult role here, because they are both - helpers and deciders - this is the limit, it's not so easy.

And the sector agencies will do a quite a lot of implementation and will formulate targets with sector agents. And for this there is a need for common objectives.

(17) How do you reach out in society? We have this dialogue with sectors that I have told you about. We have experts in the committee representing industry, environment groups, ministries, municipalities and trade unions. We go out with seminars and newsletters. The agencies meet their sector. Regional Conferneces we will have in the beginning of next year, I hope, and we will also have hearings. And after our proposal is presented the government could also go out to all groups. And we are on the web, which doesn't say much more than I have said today; it is on www.sustainable -sweden.gov.se.

Conclusions and General Ideas about the Process: What we have learnt so far (Folie 4)

(18) I try to draw same general conclusions. I think it is important for this kind of process as we have had it, that all agencies have environmental competence and objectives. They cannot just rely on the environmental competence from the environment protection agencies. You must agree on the baseline - not only where we are heading but also where are we now, what is the problem? This is very important. If you do not agree on the problem you won't come anywhere.

You must realize the spreading good examples, but you cannot fully rely on them. The dialogue will promote ideas. It has done in Sweden. It will improve knowledge and attitudes. But the dialogue - the process - takes time. I think, we have been very successfull with the process so far, and we will see if we become as successfull with the targets as such. Of course, there is always a tendency to say that international agreement is important and that you should wait for them or whatever, but not only.

(19) Another general idea is that the vision must be visible throughout the process. This is very important. If you loose the overall vision the process will deteriorate. You have to respect different cultures in different sectors. Sometimes people cannot speak to each other, it depends on the different cultural frames they have.

The sector agencies must realize their general responsibility for all society and they must know the best practise in their sector. Leadership in the process - I want to stress that again - is needed and one fault you can make is to go to deep into the details. You should pave the way for the future, but history shows that you cannot plan every detail. If you try to do, then you will get backlashes.

Finally, it is necessery to look over the fence and see what other countries are doing. In a more and more global environment I think this is more and more important, as companies also look at other countries. But however, this must be done woth reason. There is not one perfect way of going ahead in this process. You all have different backgrounds, you are on different stages in this process, in different countries. You have different frames, different industries and so on.

But take the good examples. I also will look at a good examples from Germany - let us steal freely from each other.

Dr. Reinhard Loske:

Neue politische Konzepte für Nachhaltige Entwicklung

Seit 1992 habe ich mich immer wieder gefragt, ob diese Rio-Konferenz eigentlich der Anfang oder das Ende eines Prozesses gewesen ist. War sie der Anfang eines Prozess dergestalt, dass jetzt das Zeitalter der globalen Kooperation beginnt, wo Umwelt, Wirtschaft und die soziale Frage auf immer versöhnt sind? Oder war sie auch ein Endpunkt, sozusagen ein Überrest aus den 80er Jahren? 1987, die Brundtland-Kommission, der Bericht “Unsere gemeinsame Zukunft”, das war ja im Grunde der Höhepunkt der globalen Nachhaltigkeitsdiskussion - und wir wissen alle, dass dann, Anfang der 90er Jahre, der “Nachhaltigkeitsdiskurs”, wie es so schön heißt, abgelöst wurde durch den “Globalisierungsdiskurs”.

Die harten Realitäten der 90er - Stichwort: Ende der bipolaren Welt, Hyperwettbewerb, die Zunahme des Welthandels etc. - zeigen, dass das Jahr 1992 auch ein Endpunkt war. Insofern haben wir da eine gewisse Ungleichzeitigkeit. Viele von uns, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit und mit den internationalen Institutionen und Konventionen beschäftigen, mussten feststellen, dass der Gegenwind zugenommen hat. Bei vielen hat das auch zu Larmoyanz geführt, zu einer gewissen Weinerlichkeit darüber, dass nun doch die Globalisierung an die Stelle der Nachhaltigkeit getreten sei. Ich sehe jetzt - wenn ich mein Ohr ein wenig an den Wind halte - wieder eine moderate Veränderung der Bedingungen, wenn ich mir beispielsweise die jüngsten Ereignisse in Seattle anschaue.

Der Globalisierungsdiskurs - die Art und Weise jedenfalls, wie er geführt worden ist im Sinne einer totalen Dominanz des Wettbewerbsgedankens - stößt an Grenzen. Diese Grenzen sind zwar nur in geringerem Umfang ökologische Widerstände, aber zum großen Teil natürlich soziale Widerstände. Das ist teilweise auch eine Melange, die fragwürdig ist - von Regionalisten und Nationalisten bis hin zu Umweltschützern und Menschenrechtsaktivisten. Aber mir scheint doch, dass der Globalisierungsdiskurs, wie er sich in den letzten Jahren zumindest in seiner radikalen Variante gezeigt hat, sich nicht länger durchsetzen kann. Und das betrachte ich als Chance für die Revitalisierung der Nachhaltigkeitsdebatte und dessen, was sie denn bedeutet für uns, für unsere politische Kultur und für unser politisches Handeln.

Kommunikation spielt eine wesentliche Rolle

Als wir am Wuppertal Institut an der Studie “Zukunftsfähiges Deutschland” arbeiteten, haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie man denn dieses ganze Projekt nennen soll.

Wir wissen ja alle, dass es für den Begriff “Sustainability” sehr viele Übersetzungen in die deutsche Sprache gibt. Die einen reden von “Nachhaltigkeit”, andere von “Dauerhaftigkeit”, Dritte von “Zukunftsfähigkeit”, wieder andere von “Umweltverträglichkeit” oder - wie ich jetzt unlängst hörte - von “Durchhaltbarkeit”. Es war uns wichtig, das auf eine Art und Weise zu präsentieren, dass die Öffentlichkeit, wenn sie es hört, eine positive Bezugnahme hat. Der Begriff sollte mit dem Wort “Deutschland” verknüpft werden, also “Sustainable Germany”. So sind wir dann letztlich zu dem Ergebnis gekommen, dass “zukunftsfähig” der adäquate Begriff sei. Schließlich klingt “Dauerhaftes Deutschland” nach “Deutschland für immer”, “Nachhaltiges Deutschland” schon fast wie eine Drohung, ganz zu schweigen vom “Durchhaltbaren Deutschland”. Ich spitze diese Anekdote etwas zu, weil ich in der Tat der Meinung bin, dass die Begrifflichkeit ganz, ganz zentral ist - und den Begriff der Nachhaltigkeit finde ich wirklich sehr leblos.

Der Nachhaltigkeitsgedanke findet Anwendung auch in anderen politischen Handlungsfeldern

Im politischen Raum, im politischen Handeln beobachte ich etwas, worauf viele, die den Nachhaltigkeitsgedanken vertreten, eigentlich stolz sein könnten: der Nachhaltigkeitsgedanke hat sich im politischen Raum weitgehend durchgesetzt, zum Teil auch substanziell. Ich beobachte beispielsweise, dass unsere Haushaltspolitiker und unsere Sozialpolitiker den Gedanken der Nachhaltigkeit immer häufiger verwenden. Das ist vielleicht nicht 1:1 identisch mit dem, was Ökologen darunter verstehen. Aber der Grundgedanke ist derselbe. Wenn wir über Ökologie und Nachhaltigkeit reden, dann sagen wir ja: Bislang weigert man sich in der Gegenwart, die notwendigen Dinge zu tun und verschiebt stattdessen die Lasten auf die Zukunft, auf die zukünftigen Generationen. Und dieser Grundgedanke spiegelt sich jetzt in der Haushaltspolitik, wo die Argumentationsfigur von Hans Eichel kommt: Wir können doch nicht immer mehr Zinsaufwendungen auf die zukünftigen Generationen abladen und damit ihre Handlungsspielräume einengen. Oder bei der Diskussion um die Rentenreform: Wenn man sagt, wir wollen einen Krieg zwischen den Generationen vermeiden, dann geht es doch darum, eine neue Lastenverteilung zu finden - damit die nachrückenden Generationen bzw. die jungen Leute nicht übermäßig mit Rentenversicherungsbeiträgen belastet werden.

Dieser Gedanke der Zukunftsverantwortung - oder neuerdings wird auch von Generationengerechtigkeit geredet - sickert langsam in die politische Rhetorik und auch in das politische Handeln ein. Und das sollten wir mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis nehmen.

Themen verknüpfen und neue Allianzen schmieden

Die Dreidimensionalität der Nachhaltigkeit, das Dreieck Wirtschaft - Umwelt - Soziales, vermittelt ein sehr stark konfliktives Politikmodell und man glaubt, man müsse diese drei Elemente irgendwie ausbalancieren: Wieviel Ökologie können wir uns leisten bei gleichzeitiger sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung? Oder: Wieviel wirtschaftliche Entwicklung kann man sich leisten unter Berücksichtigung dieser oder jener Umweltbedingung? Das ist schon deshalb fragwürdig, weil die Realität ja so aussieht, dass zwei von diesen drei Elementen sehr mächtige Interessenvertretungen in der Gegenwart haben: die Wirtschaft - sehr dominant, wie wir alle wissen ,und in Zeiten der Globalisierung natürlich nochmal gestärkt - und die soziale Dimension. Letztere hat zwar gegenüber der Wirtschaft in den letzten 10 Jahren an Boden verloren Sie hat aber nach wie vor sehr gut organisierte Interessengruppen und ist insofern in hohem Maße präsent.

Die ökologischen Interessen - also das dritte Eckchen dieses Dreiecks - sind Interessen der zukünftigen Generationen und der nichtmenschlichen Kreatur und daher nicht so potent in der Gegenwart. Und deshalb gibt es einen strategischen Schluss, den viele gezogen haben - und ich glaube, politisch gibt es dazu keine Alternative: dass man eben nicht “nur” ethisch-moralisch argumentiert, sondern dass man sich auch in der Gegenwart Interessenverbündete sucht, mit denen man solche Ziele gemeinsam verfolgen kann. Dann ist die Rede von win-win-Situationen und neuen Allianzen. Ich glaube in der Tat, dass das der richtige Ansatz ist.

Ich will einfach einmal ein paar Stichworte nennen für solche neuen Allianzen. Sie finden sich dann auch in dem Organigramm von dem nationalen Nachhaltigkeitsrat:

  • Technologie und Umwelt: Da hat unsere Kultur natürlich eine extrem hohe Affinität.
  • Arbeitsplätze und Umwelt. Das ist ein Thema, das man wirklich wunderbar bestellen kann und wo man zeigen kann: Da muss diese Regierung mehr bringen.
  • Umwelt und Gesundheit. Ein ganz wichtiges Thema, wozu jetzt auch die beiden grünen Häuser mit der Einrichtung eines Rates eine gemeinsame Geschichte vorgelegt haben.
  • Schönheit und Umweltschutz - die ganze Frage der Landschaftsästhetik. Hier gibt es möglicherweise neue Allianzen zwischen Landwirtschaft und Umwelt. Ist dieser alte Konflikt nicht relativ fruchtlos? Wir haben ja heute die Situation, dass beide mit dem Rücken zur Wand stehen, die Bauern und die Naturschützer. Lassen sich da nicht möglicherweise neue Allianzen schmieden?
  • Nachhaltigkeit und Verwaltungsreform - ein Thema von Martin Jänicke. Das ist natürlich ein gigantisches Thema: die Art und Weise, wie man Nachhaltigkeit im politischen Raum implementiert - also public policy management. Das ist eine Sache, die man in vielen Kommunalverwaltungen interessanterweise schon beobachten kann.
  • Subventionsabbau und Nachhaltigkeit. Das ist natürlich politisch sehr heikel, aber das muss angegangen werden. Wenn es so ist, dass wir Haushaltsprobleme haben, dass die öffentlichen Kassen nicht mehr prall gefüllt sind und wir gleichzeitig Subventionen geben, die objektiv ökologisch kontraproduktiv sind, dann müssten wir ja verrückt sein, wenn wir nicht versuchen würden, diese beiden Themen zusammenzuspannen: Subventionsabbau unter ökologischen Gesichtspunkten. Ich will offen zugeben, man kann nicht über den zweiten Satz der Nachhaltigkeit “Nutze nicht erneuerbare Energien nur in dem Maß, wie du Ersatzkapazitäten schaffst für erneuerbare” reden und gleichzeitig die Braunkohle ganz massiv fördern. Das ist - um das mindestens zu sagen - inkonsistent.

Solche Themenverknüpfungen sind sehr wichtig im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion - man verknüpft Themen und versucht, neue Allianzen zu schmieden.

Es ist mit Sicherheit problematisch, zu sagen, Soziales, Wirtschaft und Umwelt müsse immer ausgewogen sein und sich dann Hilfsargumente zu suchen wie “Umweltschutz ist gut, weil er Arbeitsplätze schafft” oder “Umweltschutz ist gut, weil sich damit neue Technologien entwickeln und möglicherweise später exportieren lassen”. Da besteht die Gefahr, dass nur noch die ökologischen Maßnahmen ergriffen werden, die eben auch Kosten sparen, die eben auch Arbeitsplätze schaffen, die eben auch exportfähige Produkte hervorbringen. Man muss sehr darauf achten, dass ökologische Ziele ganz eigene Begründungszusammenhänge haben. Solche Hilfsargumente sind zwar notwendig, um in der gesellschaftlichen Debatte bestehen zu können. Aber es darf nicht soweit gehen, dass Ökologie zum reinen Mittel wird, um bestimmte Ziele zu erreichen. Nein, Umweltschutz - der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen - ist ein Ziel an sich.

Wir sind auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit

Was diese Regierung bislang sicherlich nicht besonders gut gemacht hat, war, ist, über die Dinge auch öffentlich zu reden, die sie angestoßen hat. Es sind jedoch eine ganze Menge Dinge, die sich vorzeigen lassen, die es vor allem früher in dieser Form nicht gegeben hat. Das Thema Energiewende beinhaltet weit mehr als die leidliche Diskussion über den Atomausstieg: Wir haben das 100.000-Dächer-Programm für Photovoltaik. Wir haben ein Förderprogramm für marktnahe, erneuerbare Energien aufgelegt. Wir haben eine Novelle des Stromeinspeisungsgesetzes vorgelegt, die es ermöglicht, weiter auf diesem Pfad Richtung Wachstum bei den erneuerbaren Energien zu gehen. Wir haben uns vorgenommen, die Kraft-Wärme-Kopplung nicht nur zu schützen, sondern auszubauen. Wir haben die Ökologische Steuerreform - das ist im Moment kein Projekt, das große öffentliche Unterstützung findet, deshalb müssen wir dafür werben. Wir haben die ökologische Steuerreform eingeführt und ihr eine Perspektive auf der Zeitachse gegeben - über die Legislaturperiode hinaus bis 2003 - und wir haben - jenseits der allgemeinen Hebesätze, der bekannten 6 Pfennig pro Liter Benzin jährlich und insgesamt 4 Pfennig pro Kilowattstunde Strom - im Ökosteuer-Regime eine ganze Menge Sonderregelungen, die zielführend wirken zugunsten der Kraft-Wärme-Kopplung, zugunsten der Blockheizkraftwerke, zugunsten hocheffizienter Kraftwerke, wenngleich auch eine nicht unbedeutende Restriktion auf Druck der Braunkohle-Lobby dabei ist. Das, was wir innerhalb eines Jahres im Bereich der Energiepolitik geschafft haben, weist auf jeden Fall in Richtung Nachhaltigkeit.

Beim Thema Verkehr sieht es etwas schwieriger aus. Wir hatten uns vorgenommen, die Investitionsmittel für Straße und Schiene einander anzugleichen. Diese Entwicklung ist noch nicht erreicht, auch aufgrund von Verpflichtungsermächtigungen aus der letzten Legislaturperiode. Aber in die Richtung müssen wir gehen. Wir haben gleichzeitig vereinbart - und daran wird zur Zeit gearbeitet - bis 2001/2002 ein Kriterienraster zu entwickeln, mit dem der Bundesverkehrswegeplan systematisch noch einmal im Hinblick auf seine Wirtschaftlichkeit und auf Umweltauswirkungen geprüft werden soll.

Institutionelle Reformen sind der erste Schritt

Wenn es innerhalb der Ökologiediskussion der letzten 20 Jahre darum ging, wie man das politische System ergänzen muss, so ging es dabei immer um zweierlei: zum einen um partizipative Elemente und zum anderen um langzeitorientierte Elemente. Martin Jänicke nannte das Elemente von “oben” und von “unten”. Die eher linke/kritische Perspektive war eigentlich immer die: Man hat großes Gewicht auf partizipative Elemente - Mitspracherechte - gelegt, in dem Glauben, dass sich die Vernunft schon Bahn brechen werde, wenn man die Leute nur genug mitreden lässt. Die Folge waren Forderungen nach Informationsrechten, Beteiligungsrechten, Klagerechten, Einsichtsrechten - da sind wir ein gutes Stück weitergekommen, und das ist gut so. Doch auch da ist durchaus noch einiges zu tun.

Doch möchte ich hierzu eine kleine Einschränkung machen. Die Nichtregierungsorganisationen - NGOs - werden heute meiner Ansicht nach zu stark idealisiert. Als es damals gelungen war, die Versenkung der Ölplattform Brent Spar zu verhindern, erschien ein Artikel im ZEIT-Dossier mit dem Titel “Die neue Weltregierung”. Es hieß, die NGOs treten jetzt quasi an die Stelle der Regierungen - die neue Weltzivilgesellschaft werde es schon richten. Die NGOs sind tatsächlich sehr wichtig. Wir brauchen sie, gerade in der Politik. Aber sie können Politik nur im Sinne von Komplementär-Elementen ergänzen, kritisch begleiten, Wachhunde sein, wenn man so will. Aber der legitimierte Souverän ist nach wie vor das Parlament - die Politik. Die Politik kann sich nicht darauf herausreden: “Wir machen mal Partizipationsrechte, die Vernunft kommt dann von selbst”. Beteiligungsrechte sind wichtig, aber sie ersetzen kein politisches Handeln.

Dasselbe gilt analog für langzeitorientierte Instrumente. Ideen dazu sind in Deutschland - soweit ich das überblicke - immer eher aus einer konservativen oder aus einer kulturpessimistischen Position gekommen. So beispielsweise bei Gruhl, oder auch später bei Bahro, der zwar aus der Linken kam, aber der Massendemokratie sehr skeptisch gegenüberstand. Der Idee der Langzeitorientierung entspricht die Vorstellung, es müsste einen Rat von Weisen geben, der, losgelöst von den tagespolitischen Niederungen - den tagespolitischen Konflikten, die große Perspektive einnehmen könnte und den Politikern sagen könnte, was sie zu machen haben. Bahro nannte das damals den “Fürsten der ökologischen Wende” - er wollte nur einen Weisen, nicht einen Rat von zehn Weisen.

Ich denke, dass man eine Ergänzung des politischen Systems um beides braucht, sowohl um partizipative Elemente als auch um langzeitorientierte Elemente. Das sind wichtige Institutionen, die der Politik den Marsch blasen können, die der Politik sagen können, was sie falsch macht, die ihr auf die Finger klopfen und ihr sagen, was sie denn stattdessen machen soll - aber nicht im Sinne von Politikersatz. Neben dieser Ergänzung, neben dieser Einziehung von Komplementärelementen von oben und unten ist es auch notwendig, die Regierung selbst zu reformieren. Denn wenn es richtig ist, dass der Schlüsselbegriff der Nachhaltigkeit die Politikintegration ist - die Integration von Umweltbelangen in Wirtschaftspolitik, Energiepolitik, Verkehrspolitik, Landwirtschaftspolitik usw., dann muss man daraus früher oder später institutionelle Konsequenzen ziehen. Es kann ja nicht sein, dass eine interministerielle Arbeitsgruppe die Krone der institutionellen Reformen bleibt. Man muss über kurz oder lang auch über eine Änderung der Ressortzuschnitte nachdenken. Es gibt vier Dinge, die ich mir vorstellen könnte:

1. Man könnte sich natürlich vorstellen, dass der Umweltminister ein Vetorecht hat. Das wäre das Weitestgehende. Der Umweltminister schaut den Anderen auf die Finger und sagt: “So nicht! Du, Verkehrsminister, die Autobahn, die du planst, ist nicht nachhaltig. Deswegen genehmige ich sie Dir nicht.” Das wäre eine sehr weitgehende Vorstellung, die allerdings nicht besonders realistisch ist.

2. Das zweite wäre, dass es ein Superministerium für Nachhaltigkeit gäbe, in dem die wichtigsten ökologisch relevanten Aktivitäten zusammengeführt werden. Das wäre beispielsweise ein Ministerium, wo die Infrastrukturbereiche Energie, Abfallwirtschaft, Verkehr vereinigt sind, um mindestens zentrale Schlüsselkompetenzen in einem Ministerium zu haben. Das hätte seine Vorzüge, ohne jeden Zweifel. Es wäre eine Aufwertung, und tatsächlich ist in einigen Landesregierungen ein solcher Umbau zu beobachten. Ich kann diesem Modell einiges abgewinnen. Hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass die anderen dieses Ministerium nur als Gegner begreifen oder dass die anderen jegliche Eigenverantwortung auf dieses abwälzen.

3. Eine dritte Richtung, in die man sich im nationalen Rahmen vorstellen könnte, ist eine Richtung, in die in Holland zumindest angedacht wird, wenn sie dort auch nicht vollzogen wird: Jedes Ministerium erhält eine eigene grüne Abteilung oder einen eigenen grünen Staatssekretär, einen Green Secretary of State, der dann später einem Green Cabinet angehört. Dann werden alle Ministerien so grün, dass über kurz oder lang das Umweltministerium abgeschafft werden kann. Auch das ist eine sehr weitgehende Vorstellung. Das sind alles idealtypisch vereinfachte Optionen, aber sie schwingen bei den verschiedenen Politikansätzen mit.

4. Das vierte und letzte wäre folgendes: Der Bundeskanzler weist alle Ministerien an, im Sinne der Nachhaltigkeit zu agieren. Das scheint mir der Weg zu sein, der dem Projekt “Zukunftsrat” entspricht. Der Rat ist beim Kanzleramt angesiedelt und nicht beim Umweltministerium. Das halte ich für sehr vernünftig. Aber klar sein muss auch, dass das Umweltministerium in diesem ganzen Prozess eine wichtige Rolle spielen muss, eine herausgehobene Rolle. Nicht nur, weil der Umweltminister ein Parteifreund von mir ist, sondern auch, weil es von der Sache her geboten ist. Das Umweltministerium ist das Ministerium, wo der größte Sachverstand, die größte Kompetenz auf diesem Felde versammelt ist.

Es gibt sicherlich keine Patentantworten. Wir werden sehen, was passiert. Aber das Konzept, so wie ich es jetzt erkennen kann, scheint mir ein vernünftiger Weg zu sein. Eine arbeitsfähige Größe ist sehr wichtig,. Der nationale Nachhaltigkeitsrat ist überschaubar und mit Leuten besetzt, die auch etwas in ihre Community hinein vermitteln können - Leute, die nicht aus Spaß an der Freude zusammensitzen, sonder die wirklich was einbringen können. Und das grüne Kabinett ist auf jeden Fall ein erster Schritt Richtung Neuzuschnitt von Ressorts im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion. In Zukunft kann das darüber hinausgehen, aber im Moment ist das der richtige Ansatz.


K U R Z - B I O G R A P H I E N

Winfried Hermann:

MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Fachbereichsleiter (VHS Stuttgart); geb. 1952 in Rottenburg am Neckar

Studium der Fächer Deutsch, Politik und Sport in Tübingen. 1981/84 Schuldienst an einem Gymnasium in Stuttgart. 1989/98 Fachbereichsleiter an der VHS Stuttgart für Gesundheit und Umwelt.

1984/88 MdL Baden-Württemberg; 1987/89 Landesvorstand der GRÜNEN in Baden-Württemberg. 1987/89 und wieder seit 1999 Mitglied des Bundesvorstandes der Naturfreunde. Mitglied der GEW und des VfvB Verein für vielfältige Bewegungskultur e.V. Stuttgart.

1997/98 Initiator und Koordinator der Lokalen Agenda Stuttgart. Herausgeber und Mitautor des Buches “Lokale Agenda - Anstöße zur zukunftsfähigen Entwicklung von Gemeinden”, Kohlhammer Verlag (Erscheinungstermin Januar 2000)

  • MdB seit 1998, stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses und sportpolitischer Sprecher der Fraktion

Gila Altmann:

MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Lehrerin, seit 1998 Parlamentarische Staatssekretärin im Ministerium für Umwelt, Naturschutz & Reaktorsicherheit, geb. 1949 in Wilhelmshaven.

Studium an der PH in Hildesheim zum Lehramt für Grund- und Hauptschulen mit den Fächern Bildende Kunst/Visuelle Kommunikation, Mathematik und Chemie. 1973/1976 Lehrerin an der Sonderschule für Lernbehinderte und 1976/1991 Lehrerin an der Hauptschule in Moordorf. 1991/1996 Mitglied des Vorstandes der AG Schacht Konrad, Mitglied des Vorstandes Rosana e.V. Brücke für Belaruss. Seit 1981 Mitglied der GRÜNEN, 1991/94 hauptamtliche Landesvorsitzende der GRÜNEN Niedersachsen. 1986/93 Fraktionssprecherin im Auricher Stadtrat.

  • MdB seit 1994; 1994/98 verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion, seit 1998 Parlamentarische Staatssekretärin. Schwerpunkte: Klima- und Naturschutz.

Marion Caspers-Merk:

MdB SPD; Kommunalwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte, geb. 1955 in Mannheim.

Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte an den Universitäten Berlin und Freiburg, 1980 Magisterexamen. Wissenschaftl. Mitarbeiterin an einem Forschungsinstitut, Dozentin in der Erwachsenenbildung, Lehrbeauftragte an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl sowie an der Ev. Und Kath. Fachhochschule für Sozialwesen in Freiburg.

Publikationen zur Kommunalpolitik und Umweltplanung. Mitglied BUND, in der AWO und bei den Naturfreunden. Mitglied im Kuratorium Deutsche Umweltstiftung. Seit 1972 Mitglied der SPD, 1975/86 im Vorstand und Vorsitzende Ortsverein March, seit 1990 Mitglied im Kreisvorstand Lörrach, seit 1991 stellv. Landesvorsitzende der SGK Baden-Württemberg, seit 1996 stellvertretende Vorsitzende der Bundes-SGK. 1980/90 Gemeinderätin in March/Breisgau.

  • MdB seit 1990, 13. Legislaturperiode Vorsitzende der Enquete-Kommission “Schutz des Menschen und der Umwelt”, seit 1997 Mitglied im Vorstand der SPD-Fraktion, Mitglied im Umweltausschuss des Bundestages.

Dr. Hans-Jürgen Nantke:

Geb. 1950, Diplom-Chemiker

1973/78 Chemiestudium an der Freien Universität Berlin. 1979/84 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Anorganische und Analytische Chemie der FU Berlin. Seit 1984 Mitarbeiter des Umweltbundesamtes Berlin, u.a. als Pressesprecher und Leiter des Grundsatzreferates. Zuletzt Leiter der Abteilung Umweltstrategien und Umweltinformation.


Jürgen Maier:

1993/96 Geschäftsführer der Asienstiftung, Essen, die sich neben dem deutsch-asiatischen Austausch publizistisch u.a. mit dem Aufstieg der asiatischen "Tigerländer" zu Industrieländern auseinandersetzt.

Seit 1996 als Leiter der Projektstelle Umwelt & Entwicklung verantwortlich für die Geschäftsführung des Forums Umwelt & Entwicklung, dem deutschen NGO-Zusammenschluss für die internationale und nationale Begleitung des Rio-Prozesses.


Dr. Michael Braun:

Vice President von Arthur D. Little, Beratungsbereich Technologie- & Innovationsmanagement.

Die Arbeit seines Beratungsbereich konzentriert sich auf die Steigerung der Innovationskraft von Unternehmen und Forschungseinrichtungen durch strategische und operative Maßnahmen. Dabei setzen wir Schwerpunkte beim Management von Forschung und Entwicklung, bei der Optimierung übergreifender Innovationsprozesse, bei der Erschließung und Nutzung neuer, innovativer Technologien und der Weiterentwicklung des traditionellen Innovationsansatzes in Richtung auf Innovation im Prozess- und Dienstleistungsbereich. Das besondere Interesse von Herrn Dr. Braun gilt dabei der erfolgreichen Umsetzung solcher Konzepte und der Begleitung der damit verbundenen tiefgreifenden Veränderungsprozesse.

Vor seinem Eintritt bei Arthur D. Little International war Herr Dr. Braun als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem Max-Planck-Institut im Bereich der Laserforschung tätig.

Er hat Chemie an den Universitäten München und Heidelberg studiert und darüber hinaus am INSEAD den Grad eines Master of Business Administration (MBA) erworben.


Prof. Dr. Martin Jänicke:

geb. 1937 in Buckow (Mark); 1963 Diplom (Soziologie) an der FU Berlin; 1969 Promotion zum Dr. phil. Und 1970 Habilitation für das Fach Politikwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der FU Berlin. Seit 1971 Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der FU Berlin und seit 1973 Leiter zahlreicher Drittmittelprojekte zur Umweltpolitik-Analyse, darunter mehrere internationale Kooperationsvorhaben.

1974/76 Externer Berater der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes; 1981/83 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. 1981-82 Mitglied der Kommission “Aktionsprogramm Ökologie” des Bundesinnenministers. Seit 1986 Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik der FU Berlin. 1989/97 Mitglied des Energiebeirates des Senates von Berlin. 1991/92 Mitglied der strukturpolitischen Expertenkommission des Senators für Wirtschaft und Technologie Berlin.

1992/96 Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission und 1994/96 Projektleiter der UN Universität. 1996/98 Mitglied des Nationalen Komitees für Global Change-Forschung. 1998 Umweltpreis der Stiftung Naturschutz Berlin.

Mitglied der wissenschaftl. Beiräte des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, des Bremer Energieinstituts (bis 1997), des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung und der Energiestiftung Schleswig-Holstein (ab 1998). 1977/90 Mitglied des Kuratoriums des ÖKO-Instituts Freiburg. Bis 1982 Vorsitzender des Beirates des Wissenschaftszentrums Berlin und des Instituts für Zukunftsforschung. Mitglied des Vorstandes (bis 1981) und (bis 1988) des Beirates der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Leiter des Arbeitskreises Umweltpolitik der DVPW (1996/98). Mitglied der wissenschaftlichen Beiräte der Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht (seit 1978), der Zeitschrift für angewandte Umweltforschung (seit 1988) und der Zeitschrift Policy Studies (seit 1996). Mitbegründer der Zeitschrift NATUR (1980).

Seit Frühjahr 1999 Gutachter im Sachverständigenrat für Umweltfragen

Lehr- bzw. Forschungsaufenthalte: Harvard-Universität (1965, 1971), Universität Leningrad (1977), Institut für Höhere Studien Wien (1984), Japan (1981, 1994), Universität Bern (1994), Wirtschaftsuniversität Wien (1996).

Gutachter: EU (DG XII), BMBF, DFG, VW-Stiftung.


Cornelia Quennet-Thielen:

geb. 1957 in Freiburg, Ministerialdirigentin. Studium der Rechtswissenschaften.

Unterabteilungsleiterin “Grundsätzliche und wirtschaftliche Fragen des Umweltpolitik, fachübergreifendes Umweltrecht” im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ( BMU ).

1990 - 1999 Referentin und Referatsleiterin im Bereich der europäischen und internationalen Zusammenarbeit des BMU, 1985 - 1990 Persönliche Referentin von Minister Prof. Dr. Klaus Töpfer im Ministerium für Umwelt und Gesundheit, Rheinland-Pfalz sowie ab 1987 im BMU,

1985 Richterin im Landesdienst Rheinland-Pfalz.


Jon Kahn:

Hauptsekretär, Ministerialdirigent

1974/92 Head of division for energy and environment, Stockholm County

Council. 1992/94 Berater des Umweltministers (Political adviser to the Minister of

Environment).

1994/98 Ministerialdirigent für Umweltanalyse, Umweltstrategien und

-steuerung im schwedischen Umweltministerium (Director for the division for environmental

analysis, strategy and instruments at the Ministry of Environment ).

Seit 1998 Hauptsekretär des Komitees für Umweltziele (Committee on Environmental Objectives)im schwedischen Umweltministerium


Prof. Dr. Udo Ernst Simonis:

geb. 1937 in Hilgert bei Koblenz; Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Mainz, Wien und Freiburg; Dr. sc. pol., 1964-67 Assistent an der Universität Kiel; 1967-69 Berater des Präsidenten von Zambia; 1970-71 Research Fellow an der Universität Tokyo; 1973-88 Professor für Ökonomie an der Technischen Universität Berlin; 1981-87 Direktor des Internationalen Instituts für Umwelt und Gesellschaft (IIUG), Berlin; seit 1988 Professor für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB); 1988-93 Mitglied des Committee for Development Planning (CDP) der Vereinten Nationen; 1992-96 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU); seit 1991 Mitherausgeber und Redakteur des >Jahrbuch Ökologiea href="<.htm"; Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW); Träger des Umweltpreises Wissenschaft des Bundesdeutschen Arbeitskreises Umweltbewußtes Management (B.A.U.M.), seit 1999 Mitglied des Committee for Development Policy (CDP) der Vereinten Nationen.

Veröffentlichungen u.a.: Ökologische Orientierungen, Berlin 19882; (Hrsg.) Präventive Umweltpolitik, Frankfurt a. M., New York 1988; Beyond Growth. Elements of Sustainable Development, Berlin 1990; (Hrsg.) Basiswissen Umweltpolitik, Berlin 19902; (Ed.) Sustainability and Environmental Policy, Berlin 1992; (Hrsg.) Ökonomie und Ökologie, Heidelberg 19947; (Ed.) Industrial Metabolism, Tokyo, New York, Paris 1994; Globale Umweltpolitik, Mannheim 1996; Weltumweltpolitik, Berlin 19982; (Hrsg.) Jahrbuch Ökologie 1992-2000, München 1991-1999; über 600 Beiträge in Fachbüchern und Fachzeitschriften.


Dr. Reinhard Loske:

MdB BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Diplomvolkswirt, geb. 1959 in Lippstadt.

Kaufmännische Ausbildung 1978, Studium Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft in Paderborn, Nottingham und Bonn, Dipl.-Volkswirt 1986. Nebenberuflich Promotion an der Univ.-Gesamthochschule Kassel, Dr. rer. pol, 1999 Habilitation FU Berlin. 1986/87 wissenschaftlicher Mitarbeiter Universität Paderborn, 1987/90 wissenschaftl. Angestellter Fraktion DIE GRÜNEN im Bundestag.

1990/91 Projektleiter, 1991/92 Referent im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie NRW. 1992/97 Leiter der AG Zukunftsfähiges Deutschland am Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.

1989/90 Mitglied des Landesvorstandes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NRW und umweltpolitischer Sprecher. 1984/89 Mitglied im Stadtrat Geseke, Fraktionssprecher. Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung, Mitglied im Umweltrat der Umweltbank Nürnberg und im Kuratorium der Bonner Stiftung Zukunftsfähigkeit.

  • MdB seit 1998, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, Mitglied im Umweltausschuss des Bundestages


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