Schwäbisches Tagblatt: Kolumne vom 12.02.2010

Autor: admin  |  Kategorie: Schwäbisches Tagblatt, Wahlkreis Tübingen

100 Tage Schwarz-Gelb

Die Bilanz dieser 100 Tage „bürgerliche Koalition“ ist rekordverdächtig: Keine Bundesregierung zuvor hatte einen derart desaströsen Start. Keine wurde so schnell von den eigenen Fehlern eingeholt. Der schlampig zusammengeschusterte Koalitionsvertrag mit 84 „Prüfaufträgen“ und vielen Formelkompromissen führt zum Dauerstreit. Das Kabinett musste schon nach vier Wochen umgebildet werden. Jugendlichkeit und Unerfahrenheit scheinen wesentliche Berufungskriterien zu sein. Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die Koalition vor allem das Schuldenwachstum auf Rekordhöhe getrieben. Nach dem Motto „Ist der Schuldenberg erst groß genug, kommt es auf ein paar Milliarden mehr auch nicht mehr an“.

Steuererleichterungen fürs eigene Klientel wurden trotzdem durchgedrückt zum Schaden der Mehrheit der BürgerInnen und der Kommunen. Deren Verschuldung wächst, die Gebühren steigen. Für die Allermeisten wird  so aus „mehr netto vom brutto“ netto ziemlich weniger. Die „notleidenden Banken“ freuen sich übers Staatskreditgeschäft und Besserverdienende über gute Zinsen für sichere Staatsanleihen. In vorauseilender Dankbarkeit spendierte Baron von Finck der Mövenpickpartei eine Million, die sich mit einer Milliarde Steuerersparnis für das Hotelleriegewerbe bedankte. Eine lohnende Investition. Während die FDP in erstaunlicher Dreistigkeit Klientelinteressen verfolgt, steht die Union oft gespalten bis hilflos daneben. Der wirtschaftsliberale Flügel lebt auf, der christlich-bayerische Flügel schreit auf.

In der Gesundheitspolitik treibt die FDP zusammen mit dem Kopfpauschale-Flügel der Union den Wechsel zur ungerechten Finanzierung voran. 8 bis 37 Euro im Monat ist die Einstiegsprämie in den Systemwechsel. Die Kosten werden einseitig auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt. Pharmaindustrie und Apotheker werden geschont. Die Zwei-Klassen-Medizin wird vorangetrieben.

Atomkraftwerke sollen so lange laufen dürfen, bis genügend Erneuerbare Energien verfügbar sind. Dabei verhindern sie als abgeschriebene und hoch subventionierte Altanlagen schon heute das Wachstum der Erneuerbaren. Geschützt werden letztlich die Monopolinteressen der vier Energieriesen zum Schaden von Stadtwerken und alternativen Anbietern. Gleichzeitig plant die Koalition die Einspeisevergütung für Solarstrom drastisch zu kürzen.

Nach 100 Tagen ist klar: Die vermeintlichen „Wunschpartner“ haben keine gemeinsame und keine überzeugende Vision für die Zukunft Deutschlands. Ein bürgerliches Trauerspiel.

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