Grüner Kommentar zur Luftverkehrssteuer

Autor: admin  |  Kategorie: Luft

Wir begrüßen die Luftverkehrssteuer zwar als einen ersten Schritt für mehr Kostenwahrheit im Luftverkehr, haben zugleich aber deutliche Kritik an der Ausgestaltung. Es ist hohe Zeit für ein derartiges Instrument, denn die Privilegien des Luftverkehrs gehören zu den ältesten und lange Zeit als unanfechtbar geltenden Sondertatbeständen bei den Verkehrsträgern. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Schwarz-Gelb die von Grünen immer wieder geforderte und bisher als Ticket-Tax bekannte Abgabe einführt. Freilich mit ganz anderen Motiven: Geldbeschaffung und Stopfen von Haushaltslöchern!

Überkommende Steuerprivilegien für den Luftverkehr

Es ist längst Zeit für die Internalisierung der externen Kosten des Luftverkehrs. Die Privilegierung des Luftverkehrs rührt aus der Nachkriegszeit und sollte die vergleichsweise junge Verkehrsbranche im Konzert mit Bahn und Straße stärken. Dieses Motiv ist längst überholt. Doch noch immer ist der Flugverkehr steuerlich privilegiert. So unterliegt der gewerbliche Luftverkehr im Gegensatz zu Eisenbahnen und Bussen weder einer Energiesteuer noch einer Mehrwertsteuer bei Auslandsflügen. Rechnet man wie das Umweltbundesamt beim Luftverkehr mit einer vergleichbaren Besteuerung wie im Straßenverkehr, dann wird der Luftverkehr in Deutschland jährlich mit rund 11,5 Milliarden Euro subventioniert.

Luftverkehr trägt nicht zum Klimaschutz bei – im Gegenteil

Auch nach Krisenjahr und Vulkanwolke boomt die Branche. Bis 2050 würde sich nach Prognosen des Weltklimarates  bei anhaltender Tendenz die Anzahl der Passagiere im Vergleich zu heute verdreifachen. Mit dem Luftverkehr wächst die Klimalast. Neue Expertisen, die etwa den Einfluss von Cirruswolken (Kondensstreifen) einbeziehen, bewerten den Beitrag des Luftverkehrs im Jahr 2005 an der Erderwärmung mit ca. 5 Prozent. Wegen der bestehenden Unsicherheiten über die Nicht-CO2-Effekte könnte der Anteil aber auch bei bis zu 14 Prozent liegen.

Welche Beiträge leistet der Luftverkehr bisher für den Klimaschutz? Während in anderen Sektoren – etwa beim Strom – mit der nächsten Stufe des Emissionshandels und der Vollversteigerung der Zertifikate die Reduktionspflichten deutlich verschärft werden, bleibt der Luftverkehr bisher komplett verschont. Der Einbezug in den Emissionshandel zunächst in Europa beginnt erst ab 2012 zu vergleichsweise sehr günstigen Konditionen. Wenn nichts geschieht, wird der Bereich Luftverkehr gemeinsam mit der Hochseeschifffahrt bis Mitte des Jahrhunderts zu den Emittenten avancieren. Denn in den anderen Sektoren werden Dank Kyoto-Protokoll Emissionen reduziert, wenn auch noch nicht in dem der Geschwindigkeit der Klimaveränderungen entsprechendem Maße.

Von wegen Geld für Entwicklung – Steuer bedeutet das Aus für eine deutsche Ticket-Abgabe

Im Jahre 2005 haben sich die EU-Finanzminister für die Einführung einer Ticket-Abgabe auf freiwilliger Basis ausgesprochen um die Finanzierung der europäischen Entwicklungszusammenarbeit zu stärken. Deutschland hat sich international verpflichtet bis 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) aufzuwenden. Das Zwischenziel von 0,51 Prozent im Jahr 2010 wird mit 0,4 Prozent deutlich verfehlt. Im kommenden Jahr beträgt die Finanzierungslücke zu den selbst gesteckten Zielen wahrscheinlich schon mehr als 4 Milliarden, davon allein auf Bundesseite circa 3,2 Milliarden. Die Einnahmen aus der Ticket-Abgabe hätte dazu beitragen können, dass Deutschland seine internationalen Verpflichtungen erfüllt. Wir Grünen fordern schon lange, dass Deutschland zur Umsetzung des EU-Stufenplans für die Entwicklungsfinanzierung dem Beispiel andere Länder folgen und die Abgabe zur Aufstockung der ODA einführen soll. Aber die Schwarz-Gelbe Koalition setzt andere – falsche – Prioritäten.

Koalition versenkt Luftverkehrssteuer komplett im Haushaltsloch

Noch im Sparpaket formulierte die Koalition wie später ihr Verkehrsminister, die Abgabe gelte nur bis zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das EU-Emissionshandelssystem ab 2012. Jetzt wurde die Abgabe unbefristet eingeführt. Die kalkulierten Einnahmen betragen 1 Mrd. Euro pro Jahr im Zeitraum 2011 bis 2014. Wenn der Flugverkehr ab 2012 in den europäischen Emissionshandel einbezogen wird, soll der Steuersatz so angepasst werden, dass das Gesamtaufkommen aus der Luftverkehrssteuer und den Erlösen aus der Versteigerung von Emissionsrechten konstant bei einer Milliarde Euro gedeckelt bleibt.

Was beschlossen wurde:

  • Die ursprüngliche Ticket Tax wird als Verkehrsteuer „Luftverkehrsteuer“(LuftVSt) erhoben.
  • Der Steuersatz ist in drei Stufen gestaffelt: 8 Euro (bis 2.500 km, das heißt Inland und EU); Mittelstrecke 25 Euro (bis 6.000 km, das heißt etwa Afrika und Naher Osten) und Langstrecke 45 Euro (mehr als 6.000 km, das heißt USA, Asien, Südamerika).
  • Sie soll unbefristet gelten und wird vom Finanzministerium jährlich in Abhängigkeit von den Einnahmen aus dem Emissionshandel angepasst.
  • Die Steuer gilt nur für die gewerbliche Beförderung von Passagieren. Luftfracht und privater Flugverkehr sowie Transferpassagiere sind ausgenommen.
  • Sie wird beim Ticketkauf erhoben, Steuerverpflichtete sind die Fluggesellschaften. mit der Durchführung wird die Bundesfinanzverwaltung (Zoll) betraut.
  • Die Steuer wird bei Abflug aus Deutschland erhoben. Alle Überflüge bleiben ausgenommen, bei Zwischenlandungen oder Umstieg soll sie nur einmal erhoben werden.
  • Die vom Bundesumweltministerium und dem Umweltbundesamt vorgeschlagene genauere Differenzierung nach Flugentfernung und Flugklasse und die Einbeziehung der Parameter Lärm und/ oder Nachtflug wurden fallengelassen.
  • Die Einnahmen gehen zu 100 Prozent in den Bundeshaushalt. Anteilige Mittel für die Aufstockung der ODA-Quote sind nicht vorgesehen. Auch war es nicht möglich, Teile der Einnahmen für Zwecke des Klimaschutzes zugänglich zu machen.

Potenziale ökologischer Lenkungswirkung verspielt

Die von der Koalition vorgesehene Flugverkehrsabgabe verschenkt das Potenzial optimaler ökologischer Lenkungswirkung. So werden etwa die klimaschädlichen Langstreckenflüge mit 45 Euro viel zu gering belastet. Die Steuersätze für Inlandsflüge, EU-Flüge und Langstreckenflüge steht in keinem Verhältnis zu den verschiedenen Klimafolgen. Langstreckenflüge zwischen 6.000 km (Ostküste USA) und 10.000 km (Westküste USA, Fernost: Tokio) mit entsprechenden Flugweiten haben weit höhere CO2-Emissionen und größere Klimawirkung. Die Emissionen erfolgen überdies in Flughöhen von etwa 11.000 Metern, in diesen Höhen (Tropopause und untere Stratosphäre) haben die Emission von Wasserdampf, Stickoxid und Ruß noch zusätzliche klimaschädliche Wirkungen, die Klimalast beträgt das 2 bis 5-fachen des CO2.

Eine Differenzierung nach Klassen erfolgt nicht: Business- und Erste-Klasse-Kunden würden trotz zweifach höherer CO2-Emissionen wegen des höherer Platzbedarfs zu Ungunsten der Auslastung nicht stärker als Economy-Kunden belastet. Unverständlich ist, dass Frachtflüge komplett ausgenommen werden, obwohl es sich oft um ältere, weniger effizientere und vor allem laute Maschinen handelt. Auch die Zuordnung der Zielländer in Entfernungsklassen, wobei die Entfernung zwischen dem jeweils wichtigsten Drehkreuz des Ziellandes und dem Flughafen Frankfurt (FRA als dem wichtigsten Drehkreuz in D) maßgeblich ist, verzerrt die externen Kosten der Flüge. Dass etwa ein Flug auf die Kanaren mit Distanzen von rund 4000 Kilometern ebenso mit 8 Euro besteuert wird, wie ein Flug nach Madrid ist selbstredend ein Geschenk an die Tourismusbranche. Denn bei diesem Taschenspielertrick wird offenbar, was jeder bei atmosfair.de schnell nachrechnen kann: Der einfache Flug Frankfurt-Madrid produziert pro Passagier die Klimawirkungen von 380 kg/CO2 – bei einem einfachen Flug von Frankfurt nach Teneriffa aber sind es schon 870 kg/CO2 pro Passagier. Eine Steuer von 8 Euro für diese so unterschiedlichen Flüge ist mitnichten ein Preis, der die ökologische Wahrheit über ihre Klimafolgen abbildet. Deshalb fordern wir:

Die Luftverkehrssteuer muss ökologisch ausgestaltet werden, durch:

  • Weitergehende Ausdifferenzierung nach Streckenlängen (z.B. in 5 bis 8 Distanzklassen), Kerosinverbrauch und Ticketpreis: Economy, Business Class und First Class (in einem nächsten Schritt Bezugsgröße Flugzeuggröße und Flugzeugtyp);
  • Einbeziehung des Lärms und Erhebung von Zuschlägen für den Nachtflug (zwischen 22 bis 7 Uhr);
  • Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Frachtflüge zu einem extra festzulegenden Steuersatz;
  • Beibehaltung der Abgabe neben dem ETS und keine Verrechnung mit Auktionierungserlösen des ETS sowie regelmäßige Überprüfung bei Fortentwicklung des ETS;
  • Ausgestaltung mit weit höheren Sätzen nach der Maßgabe: Einnahmen von mindestens 2,3 Milliarden Euro;
  • Verwendung des Aufkommen, um die deutschen Zusagen zur Entwicklungsfinanzierung zu erfüllen (ODA-Quote).

Die Vorteile einer weitergehenden Differenzierung der Luftverkehrssteuer liegen auf der Hand: So kann man stärkere Anreize für umweltfreundliche Technologie bei Airlines und Triebwerksherstellern setzen, effizientere Flugzeuge würden profitieren. Damit wäre ein Wettbewerb um das öko-effizienteste Fliegen möglich und zugleich für die Airlines ein Anreiz gesetzt, bestimmte Flugrouten und Flugzeiten (Nacht) zu vermeiden.

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