Kolumne Schwäbisches Tagblatt
         

„Artenschutz für Spritschlucker“

Unsere Klimaschutzkanzlerin hat in diesen Tagen einmal mehr bewiesen, dass sie keine ist! Während sie beim Weltverkehrsforum in Leipzig erklärte, es sei nicht hinnehmbar, dass die Autoindustrie von ihrer Selbstverpflichtung zur Senkung der CO2-Emissionen abgerückt sei, hat sie sich mit Präsident Sarkozy verständigt, den Wünschen vor allem der deutschen Autobauer nachzugeben. Bei den neuen EU-weiten Verbrauchsobergrenzen für die Pkw-Flotte wurden folgende Zugeständnisse vereinbart: die Einführung des CO2-Grenzwerts von 120 Gramm pro Kilometer soll mit Rücksicht auf die Spritschlucker von Audi, BMW, Daimler und Volkswagen statt 2012 de facto erst 2015 kommen („phase-in“ heißt schrittweise); weitere, geringfügige Absenkungen werden bis 2020 angekündigt; die Strafen für säumige Konzerne sollen herabgesetzt und sog. Öko-Innovationen angerechnet werden. Im Klartext: Die Branche muss nichts tun, was sie nicht ohnehin vorhatte. Der Verband der Deutschen Autoindustrie hat die Kanzlerin dafür sehr gelobt.

Dieser krumme Deal zwischen zwei Autonationen ist hoffentlich nicht das Ende der Debatte, sondern nur der Versuch, den europäischen Konflikt um die Flottengrenzwerte vor der französischen Ratspräsidentschaft, an der Mehrheit der EU-Länder vorbei, zu entschärfen. Die Entscheidung fällt am Ende das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Ministerrat. Im Herbst wird sich herausstellen, ob die Lobby erfolgreich war und das Artenschutzprogramm für die deutsche Spritschlucker zustande kommt.

Klimaschutz im Straßenverkehr beschränkt sich bei der Großen Koalition auf Ankündigungen und Lippenbekenntnisse. Dies zeigen die immer wieder verschobene Reform der Kfz-Steuer, die Forderungen aus der Koalition nach einer vollständigen Wiedereinführung der Entfernungspauschale und der Verzicht auf ein Tempolimit. Eine Senkung der verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 33 Millionen Tonnen, wie es das Klimaschutzpaket der Bundesregierung vorsieht, wird so keinesfalls gelingen. Der Verkehr bleibt das Stiefkind der Klimaschutzpolitik, wie auch die mangelnden Anstrengungen bei den anderen Verkehrsträgern zeigen. Der Flugverkehr wird weiter steuerlich subventioniert, die Bahn wird teilprivatisiert statt ausgebaut. Dabei brauchen wir im Kampf gegen den Klimawandel dringend eine Verkehrswende: weg von klimaschädlichen Verkehrsmitteln, hin zu verbrauchsarmen Formen und Fahrzeugen. Technisch ist heute schon viel mehr möglich, als die Autoindustrie anbietet, wie wir in unserem Green Car Concept gezeigt haben. Nicht nur für die Umwelt auch für den Geldbeutel der FahrerInnen ist Verbrauchsminderung überfällig. Angesichts global steigender Öl- und Spritpreise könnten Fahrzeuge mit zu hohem Verbrauch bald Ladenhüter sein. Ich hoffe nicht, dass die deutsche Autoindustrie diesen Trend (auch) verpasst.

 


 

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vom 13.06.2008

 

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