Mogelpackung Bahn-Volksaktie
Zwei Jahre lang hat der sozialdemokratische Bundesverkehrsminister
in engster Zusammenarbeit mit dem Bahnvorstand die Privatisierung
und den Börsengang vorangetrieben. Übrigens unbehelligt
von seiner Partei, die ihn größtenteils wohlwollend,
nur vereinzelt auch kritisch gewähren ließ. Trotz
aller Proteste aus der Bevölkerung. Trotz zahlreicher
Bedenken von Fachleuten und Bahnkennern.
Zur Begründung hieß es, man brauche frisches Geld
und es gäbe große institutionelle Anleger, die
Interesse an solchen Aktien hätten. Lange hat die Große
Koalition gestritten, wie das Privatisierungsmodell aussehen
könnte. Anfang Oktober wurde schließlich von der
Koalition ein Gesetz zur „Teil-Privatisierung“
in den Bundestag eingebracht. Damit sollte der Verkauf der
DB bis zu 49% ermöglicht werden. Zugleich sollte der
Bund sein Eigentum an der Schieneninfrastruktur der (privatisierten!)
DB-AG zur Verfügung und Nutzung stellen, kostenfrei und
mit einer Subventionszusage für 18 Jahre von mindestens
2.5 Mrd. pro Jahr für die Bestandserhaltung plus weiteren
unbestimmten Ausgaben für den Ausbau. Das gewaltige Vermögen
der Bahn (von Experten auf einen Wert zwischen 130 und 180
Mrd. geschätzt) würde, so die Schätzung der
Bundesregierung, für ca. 8 Mrd. zur Hälfte an der
Börse veräußert werden. Eine Anfrage von mir
an die Bundesregierung ergab zudem, dass der Bund etwa 8 Mrd.
zahlen müsste, wenn er das (also sein!) Netz nach 18
Jahren zurückhaben wollte. Ein verqueres Konstrukt!
Dieser Ausverkauf der Bahn an private Investoren, diese Verschleuderung
hat viele schwer geärgert und verwundert. Warum verscherbeln
ausgerechnet Sozialdemokraten, die ansonsten gerne die Anwälte
des Gemeinwohls sind, so schäbig Volkseigentum? Und wozu
befördern sie die Privatisierung von Infrastruktur, die
nach dem Grundgesetz gemeinwohlorientiert in Bundesverantwortung
blieben muss?! Das hat auch viele Genossen an der Basis mächtig
geärgert.
Auf ihrem Bundesparteitag wollen sie die Bahn vor dem Verkauf
an Heuschrecken-Fonds retten mit Hilfe der sog. Volksaktie
ohne Stimmrecht. Leider ist die Volksaktie nicht fürs
Volk. Tatsächlich ist sie eine Vorzugsaktie mit höherer
Rendite (garantiert!) bei gleichzeitigem Verzicht auf Stimmrechte.
Für die BahnkundInnen und die SteuerzahlerInnnen bedeutet
der scheinbar geniale Schachzug (das Volk kauft seine Bahn
– die schon Eigentum des Volkes ist) nichts Gutes. Denn
Renditedruck auf die Bahn wird auch von uns Kleinaktionären
ausgeübt, aufgrund des fehlenden Stimmrechts sogar noch
stärker. Besonders „sozial“ ist die Tatsache,
dass der Konzern, letztlich aber der Mehrheitseigentümer
Bund, die Vorzugsrendite garantieren, d.h. bezahlen muss.
Ansonsten bekommt die Vorzugsaktie Stimmrecht! Mit anderen
Worten: Die Volksaktie verhindert nicht den Ausverkauf, sie
sichert lediglich komfortable Bedingungen für Anleger
und ist eine Verschlimmbesserung eines schlechten Gesetzes.
Bleibt die Hoffnung, dass das Vorzugsaktienmodell in der
Koalition nicht mehrheitsfähig ist und das Ende des Börsengangs
á la Mehdorn/Tiefensee einleitet.
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