Eisenbahngesetz

Meine Rede am 01.Februar 2007 im Deutschen Bundestag

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, ich bin ganz überrascht. Ich dachte, es spricht noch ein Kollege vor mir.
Kollege Ferlemann, ich teile Ihre Freude über den Handballsieg.

(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Gut!)

Ihre Enttäuschung über die Debatte kann ich nicht teilen. Aber ich kann sie verstehen. Denn es ist ja offenkundig geworden, dass Sie nicht besonders viel Diskussionsbedarf sehen. Ihre Fraktion hat zu der ganzen Sache ja nicht besonders viel zu sagen gehabt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Wie wir wissen, sind nicht einmal die Änderungsanträge von Ihnen gekommen, sondern vom Ministerium.

(Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Ganz so war das nicht!)

Wir Grünen begrüßen die Umsetzung des zweiten europäischen Eisenbahnpakets in deutsches Recht, keine Frage. Es ist auch gut, dass der Gesetzentwurf jetzt endlich im Parlament beraten wird. Noch besser wäre es allerdings, wenn dieser Gesetzentwurf stärker an unserer Verfassung und föderalen Gliederung orientiert wäre. Stattdessen wird versucht, über europäische Vorgaben einen deutschen Zentralismus durchzusetzen, der an dieser Stelle nicht angemessen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab – das sage ich gleich vorweg –, weil wir schwerwiegende Bedenken haben.

(Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Schade!)

Dabei geht es nicht um lächerliche Kleinigkeiten nach dem Motto „Es ist zwar ein bisschen unklar, ob es mit der Verfassung vereinbar ist, aber das ist nicht so schlimm“. Kollege Ferlemann, es war anders, als Sie es dargestellt haben. Mehrere Fachleute haben festgestellt, dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf bestehen, weil er den Ländern die Zuständigkeit für die Überwachung nimmt, die sie in diesem Bereich qua Grundgesetz haben. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, den wir – übrigens von Anfang an – ernst genommen haben.

Sie haben mit Ihrer dankenswerterweise kurzen Rede eines nicht geschafft: Sie konnten nicht erklären, warum Sie ohne Not zentralistische Regelungen einführen und nichts anderes zulassen wollen. Das ist seitens der Europäischen Union nicht zwingend erforderlich gewesen.

(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)

Hier hätten Sie Spielräume gehabt, die Sie aber nicht genutzt haben. Das ist ein großer Fehler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie hätten dafür sorgen sollen, dass in Deutschland neue einheitliche Sicherheitsstandards geschaffen werden und nicht mehr die Standards der DB für alle gelten, wie in vergangenen Zeiten, als es nur die Deutsche Bundesbahn gab. Obwohl sich dies inzwischen geändert hat, wird es noch so gehandhabt.

Notwendig ist deshalb ein einheitlicher gesetzlicher Rahmen in Sicherheitsfragen, der dann mit der administrativen Kompetenz unserer Landesbehörden, die das bisher gut gemacht haben, landesspezifisch bzw. regionalspezifisch umgesetzt wird. Die „subnormativen“ Regelungen, die durch die DB und über das Eisenbahn-Bundesamt auf die anderen Eisenbahnen übertragen werden, müssen dringend beseitigt werden – wenn nicht in diesem Gesetz, dann in noch folgenden Gesetzen.

In der Anhörung und auch danach haben Sie uns gesagt, dass den föderalen Bedenken durch Ihre Anträge und die Einrichtung eines Eisenbahnsicherheitsbeirats für die Länder Rechnung getragen wird. Ein Beirat ist aber kein Entscheidungsgremium und auch kein Administrationsgremium. Diese beiden Kompetenzrechte, die die Länder unabdingbar und zweifelsfrei haben, wollen Sie ihnen nehmen. Das kann der Beirat nicht ersetzen.

Ich will unterstreichen, was die Kollegin und der Kollege von der Opposition gesagt haben. Die von Ihnen beabsichtigte regionale Sonderregelung bedeutet an vielen Stellen doppelte Genehmigungen und damit doppelte Bürokratie. Das entspricht nicht der Absicht zum Bürokratieabbau, die Sie sonst immer wieder verkünden. Es ist vielmehr ein Beispiel für Bürokratieaufbau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

Wir argumentieren nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht für die Kompetenzen der Länder; sie sind vielmehr auch inhaltlich und praktisch begründet. Die Landesbehörden haben über die Jahre bewiesen, dass ihre nichtbundeseigenen Eisenbahnen Sicherheitsstandards pflegen können, die außerordentlich gut funktionieren, aber kostengünstiger sind als das, was die DB seit vielen Jahren praktiziert. Unsere Sorge ist, dass das, was mit der föderalen Struktur regional gelungen ist, durch den Zugriff einer zentralistischen Behörde beseitigt wird, die sich nicht vor Ort befindet und in ihren Entscheidungen keine regionalen Unterschiede berücksichtigen kann; vielmehr werden dann die Standards von oben nach unten verordnet.

Wie Sie bereits bemerkt haben, haben wir erhebliche Bedenken gegen den Gesetzentwurf. Obwohl mit den Änderungsanträgen einiges verbessert worden ist, lehnen wir den Gesetzentwurf ab, weil er vom Ansatz her falsch ausgerichtet ist und dies durch die Änderungsanträge letztlich nicht korrigiert wird.

Zum Antrag der FDP möchte ich feststellen: Auch wenn wir nicht in allen Punkten übereinstimmen, so geht er grundsätzlich in die richtige Richtung.

(Zurufe von der CDU/CSU): Oh!)

Die FDP übt dieselbe Kritik wie wir. Deshalb werden wir diesem Antrag zustimmen.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)

 

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