Verfassungsprofessoren zerpflücken Bahnprivatisierungsmodell von Tiefensee


Zur Bahnanhörung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags erklärt Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher:

Auf Antrag der Oppositionsfraktionen hat sich der Verkehrsausschuss gestern mit der Frage befasst, ob der Entwurf des Privatisierungsgesetzes für die Deutsche Bahn AG verfasssungskonform ist. Das eindeutige Ergebnis der Anhörung ist: Das Privatisierungsmodell nach dem "Eigentumssicherungsmodell" ist verfassungswidrig. Hauptkritikpunkte der Expertenmehrheit: Die Eigentumsrechte des Bundes werden nicht gesichert, sondern völlig ausgehöhlt. Der Bund verliert seine verkehrspolitische Steuerungsmöglichkeit. Er könnte somit seinem Verfassungsauftrag nicht mehr nachkommen, die Gemeinwohlverantwortung bei der Schieneninfrastruktur sicherzustellen.

Die widersprüchlichen Zielvorgabe der Koalition, sowohl dem juristischen Eigentümer Bund als auch der DB AG als wirtschaftlichen Eigentümer eine starke Stellung verschaffen zu wollen, ist nach Ansicht der meisten Experten nicht lösbar. Eine Stärkung des Eigentümers Bund würde die bilanzrechtliche Position der DB noch weiter einschränken und eine weitere Schwächung der Eigentumsrechte des Bundes zugunsten der DB würde die ohnehin schon bestehende Verfassungswidrigkeit des Gesetzes verstärken. Mehrere Gutachter sprachen in diesem Zusammenhang vom gescheiterten Versuch einer Quadratur des Kreises (Prof. Uerpmann-Witzack, Prof. Hermes, Prof Kirchhof, Prof. Fehling).

Bundesjustizministerin Zypries ist gut beraten, wenn sie in der weiteren Ressortabstimmung konsequent auf ein verfassungs- und bilanzrechtskonformes Gesetz besteht und damit ihren Ministerkollegen und Parteifreund Tiefensee davor bewahrt, nach der mißlungenen Privatisierung der Deutschen Flugsicherung dem Bundespräsidenten ein weiteres verfassungswidriges Privatisierungsgesetz vorzulegen.

Der Formelkompromiss der Koalitionskoalitionen vom November 2006 ist "von den Realitäten des Rechts eingeholt worden sei" (Prof. Kleindiek). Es kann daher nur einen Neuanfang geben. Wir haben deshalb gefordert, die Bahnprivatisierung auszusetzen. Eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission soll das Verkehrsministerium dabei beraten, ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, mit dem die Infrastrukturverantwortung des Bundes gesichert und die politische Steuerungsfähigkeit der Bahnpolitik gestärt wird.

Zum Hintergrund:

Mit Ausnahme von Prof. Gersdorf, dessen Unabhängigkeit aufgrund seiner gutachterlichen Tätigkeiten für die Deutsche Bahn AG stark angezweifelt werden kann, kamen vier Verfassungsrechtler (Prof. Hermes, Prof. Fehling, Prof. Kirchhof, Prof. Uerpmann-Wittzack) zu dem Schluss, dass der vorgelegte Gesetzentwurf nicht mit dem in Art. 87e des Grundgesetzes festgelegten "Schienenwegevorbehalt" vereinbar ist. Insbesondere verwiesen die Gutachter darauf, dass das Grundgesetz eine starke Eigentümerstellung des Bundes in Bezug auf die Eisenbahninfrastruktur vorsieht, der durch das Modell der "Sicherungsübertragung" nicht gewährleistet sei. Sie bestätigten damit die gutachterlichen Expertisen ihrer Kollegen Prof. Möllers (Gutacher für den BDI) und Prof. Masing (Gutachter für Pro Mobilität) und bestätigten die von vier Ressorts eingebrachten Einwände gegen den Gesetzentwurf.

Obwohl der Gesetzentwurf nach Aussage des Verfassungsrechtlers Kirchhof offensichtlich mit dem Ziel konzipiert wurde, der Deutschen Bahn den bilanzrechtlichen Einbezug der Schienenwege zu ermöglichen, urteilte der Bilanzrechtler Prof. Kleindiek, dass trotz dieser Intention "noch nicht einmal die Anforderungen des Bilanzrechts erfüllt seien". Auf die Frage des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD), ob man eine bilanzrechtliche Spezialregelung schaffen könne, antwortete der andere Bilanzrechtler, Prof. Hüttemann, dass eine solche "Lex DB" im Bilanzrecht weder den internationalen Rechnungsvorschriften noch europäischem Recht entspräche und mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem europäischen Gerichtshof landen würde.



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