Organisierte Verantwortungslosigkeit:
Berliner S-Bahn fährt mit Tempo 80, auf Verschleiß
Zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Kapazitätsabbau
und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der
Berliner S-Bahn" (16/12945) erklären Winfried Hermann,
verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion und Claudia
Hämmerling, verkehrspolitischer Sprecherin im Berliner
Abgeordnetenhaus:
Der Betrieb der Berliner S-Bahn und ihrer Schieneninfrastruktur
sind ein Paradebeispiel dafür, wohin die verfehlte Bahnpolitik
der Großen Koalition auf Bundesebene und ein vom Land
schlecht ausgehandelten Verkehrsvertrag führen. Bund
und Land lassen sehenden Auges zu, dass die Berliner S-Bahn
GmbH ihre Infrastruktur auf Verschleiß fährt.
Unpünktliche und überfüllte Züge machen
die S-Bahn-Fahrt für viele zur Qual.
Dagegen stellt die Bundesregierung fest, das Land Berlin
verfüge aufgrund der umfassenden öffentlichen Investitionen
in die Schienenwege in Höhe von 4,8 Milliarden Euro
(1994-2008) über „die beste Schieneninfrastruktur
(…), die es je hatte“. Doch der Bund kann und
will nicht kontrollieren, ob und wie die Berliner S-Bahn
GmbH den mit Bundesmitteln hergestellten Netzzustand des
Berliner S-Bahn-Systems durch Unterhalt und Wartungsmaßnahmen
aufrechterhält. Auch die Priorisierung der noch ausstehenden
Maßnahmen zur Grunderneuerung (z.B. der Austausch der
vorsintflutlichen Fahrsperre des Berliner S-Bahn-Systems) überlässt
er dem Unternehmen selbst.
Der Berliner Senat hat 2004 ohne Not auf eine Ausschreibung
des Verkehrsangebotes im Wettbewerb verzichtet und zudem
im Verkehrsvertrag mit der Berliner S-Bahn GmbH viel zu geringe
Strafzahlungen bei Schlechtleistung durch das Unternehmen
festgelegt. Das kommt einer Einladung an die Berliner S-Bahn
GmbH gleich, das Unternehmen zugunsten des Börsenganges
der DB-Konzernmutter bis an die äußerste Schmerzgrenze
auszupressen. Die Berliner S-Bahn kann ihre Unternehmenspolitik
der verkürzten Züge, der Einsparungen bei Investitionen
und Wartungsarbeiten sowie der Fahrzeugverschrottungen fortsetzen.
Die Pönalen von maximal 12,5 Millionen Euro im Jahr
kann sie lächelnd aus der Portokasse bezahlen. Den Preis
der überfüllten, verspäteten und schlecht
gewarteten Züge zahlen die Berliner Fahrgäste.
Der eigentliche Skandal ist, dass sich die schwarz-rote
Bundesregierung hinter den aktienrechtlichen Rahmenbedingungen
und das rot-rot regierte Berlin sich hinter dem Verkehrsvertrag
mit der S-Bahn GmbH verstecken. Nach dem Motto, wir zahlen
zwar, aber verantwortlich ist die Deutsche Bahn AG.
Wir fordern die Bundesregierung auf, nicht nur Milliarden
in eine moderne Schieneninfrastruktur zu pumpen, sondern
als Eigentümerin der Deutschen Bahn AG auch durchzusetzen,
dass diese Milliarden den Fahrgästen bestmöglich
zugute kommen.
Das Land Berlin muss der Berliner S-Bahn GmbH einen Termin
setzen, bis zu dem der Vertrag in allen Punkten zu erfüllen
ist. Andernfalls ist eine Kündigung und Neuausschreibung
in Teillosen erforderlich. Es ist nicht hinnehmbar, dass
die S-Bahn Gewinne in Höhe von 54 Millionen Euro zu
Lasten ihrer Kundinnen und Kunden einfährt. Bund und
Berlin müssen endlich die politische Verantwortung wahrnehmen
und für rasche Maßnahmen zur Verbesserung sorgen.
Aus der beliebten Berliner S(chnell)-Bahn darf keine L(angsam)-Bahn
werden!
zurück.
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