Bahnkompromiss: Halbe Lösung –
doppelte Scheinheiligkeit
Zur im Koalitionsausschuss getroffenen Vereinbarung über
die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG erklärt
Winfried Hermann, verkehrspolitischer Sprecher:
Der Kompromiss der Großen Koalition wird allenfalls
die DB AG stärken, den Schienenverkehr in Deutschland
wird er nicht voran bringen. Das Eigentum an der Infrastruktur
ist nicht wirklich in öffentlicher Hand. Mit dem Teilverkauf
der Verkehrssparte der DB ersetzt die Renditelogik den Gemeinwohlauftrag.
Gestärkt wird der integrierte Konzern als teilprivatisiertes
Staatsmonopol DB AG, zum Schaden des Wettbewerbs. Die Politik
verzichtet auf eine eigenständige Steuerungskompetenz
beim Schienenverkehr.
Mit der Entscheidung für das intransparente Holding-Modell
zur Privatisierung der Deutschen Bahn AG bekommen private
Investoren indirekt Zugriff auf die Infrastruktur. Damit geraten
zahlreiche Strecken im ländlichen Raum auf die Streichliste.
Bis zu 6000 Kilometer gelten in Fachkreisen als akut stilllegungsbedroht
entgegen öffentlicher Beschwichtigungen der Koalitionäre.
Zudem werden zahlreiche Mittel- und Oberzentren vom Fernverkehr
abgehängt werden, da sich in Zukunft jeder Fernverkehrszug
rechnen muss.
CDU und CSU haben ihre ordnungspolitischen Überzeugungen
geopfert und sich auf ein intransparentes Privatisierungsmodell
ohne Vorbild in der Wirtschaftsgeschichte eingelassen. Und
die SPD täuscht die Öffentlichkeit, wenn sie behauptet,
mit der Beschränkung auf 24,9 Prozent wäre das Ende
der Privatisierung erreicht. Das ist durch Finanzminister
Steinbrück auch schon bestätigt worden.
Der Privatisierungserlös soll nicht ausschließlich
in Schieneninvestitionen fließen, wie es CSU-Chef Huber
noch vor einigen Tagen gefordert hat, sondern wird zu zwei
Dritteln für die Sanierung des Staatshaushalts und für
die Aufstockung der Eigenmittel der DB AG verwendet. Damit
kann Mehdorn seine weltweite Einkaufstour in der Branche fortsetzen.
Die eigentliche Aufgabe der Bahn, den Bürgerinnen und
Bürger ein gutes und günstiges Schienenangebot in
der Fläche zu machen oder Container per Güterbahn
aus den Häfen abzutransportieren, gerät darüber
zur Nebensache. Diese Fehlanreize kann man nur mit einer klaren
Trennung von Netz und Transport beseitigen. Dafür ist
es nun zu spät.
Beschämend ist zudem, dass diese Privatisierung vollkommen
am Parlament vorbei passieren wird. Das laufende Gesetzgebungsverfahren
wird eingestellt werden, stattdessen wird die Große
Koalition in einem Entschließungsantrag, den das Verkehrsministerium
vorformuliert, die Privatisierung begrüßen. Selten
hat sich ein Parlament mit bei einer wichtigen Frage so selbstentmachtet,
wie bei der Bahnprivatisierung. Das ist fragwürdig und
scheinheilig.
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