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Positionspapier

Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Fraktionsbeschluss 11.04.00

Die Ozonstrategie

- mit welchen Maßnahmen den Sommersmog-Spitzen begegnen?

Hintergrund:

Während der Sommermonate entsteht in Schönwetterperioden mit hoher UV-Einstrahlung aus den "Vorläufersubstanzen" (v.a. Stickoxyde NOx und leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe VOC) Ozon. Ozon ist der wesentlichste Bestandteil des Phänomens "Sommersmog".

Diese Vorläufersubstanzen stammen nach Angaben des Umwelt- und Prognose-

Instituts/Heidelberg (UPI) im wesentlichen aus dem Verkehr (44 % der NOx-und 22 % der VOC-Emissionen, in den Sommermonaten Mai bis August gar 52 %, bzw. 24 %) und der Lösemittelverwendung (60 bis 61 % der anthropogenen VOC-Emissionen). Die saisonbereinigte Größenordnungen werden vom Umweltbundesamt und anderen Instituten bestätigt. Aufgrund des abnehmenden Bestandes an Altfahrzeugen, der zunehmenden Anforderungen an die Katalysatorleistung und der steigenden Effektivität sparsamerer Motoren sind VOC-Emissionen aus dem Verkehrsbereich langfristig rückläufig.

Die humantoxische Wirkung von Ozon ist bekannt: Ozon ist ein extrem kräftiges Oxidationsmittel. Es verursacht Chromosomenbrüche (erbgutschädigend und krebserzeugend), schädigt Bereiche des Atemtraktes und besitzt einen signifikanten Einfluss auf die Sterblichkeitsrate.

Anlass:

Am 31.12.99 ist das Ozongesetz von 1995 ausgelaufen. Inhalt dieser Regelung war im wesentlichen eine kurzfristige Absenkung sommerlicher Ozon-Spitzenwerte durch großräumige Fahrverbote für Nicht-Kat-Fahrzeuge.

Das zweistufige Verfahren sah ab einem Stundenmittelwert von 180µg Ozon pro m³ Luft (Warnwert) einen Appell an die Bevölkerung vor, kraftstoffbetriebene Motoren (Kfz, Rasenmäher, motorbetriebene Zweiräder, Generatoren usw.) möglichst nicht zu benutzen.

In einer zweiten Stufe trat ab einem Stundenmittelwert von 240 µg/m³ am darauffolgenden Tag ein allgemeines Fahrverbot für hoch emittierende Kraftfahrzeuge in Kraft.

Zahllose Ausnahmeregelungen, die Meßbedingungen (Messwertüberschreitung an drei Meßstationen zwischen > 50 und a href="<.htm" 250 km Entfernung) und nicht zuletzt die viel zu hoch angesetzten Schwellenwerte verhinderten eine effektive Bekämpfung des Sommersmogs. So zeigen die bundesweiten Meßdaten von 1990 bis 1995, daß aufgrund des später geltenden Sommersmog-Gesetzes nur für einen Tag und nur beschränkt auf Hessen und Baden-Württemberg Ozon-Alarm ausgelöst worden wäre, obwohl in diesen sechs Jahren der Grenzwert von 240 µg/m³ 496 mal überschritten wurde und dabei Spitzenkonzentrationen bis zu 336 µg/m³ gemessen wurden. Zum Vergleich, der „Gesundheitswert“ der WHO zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt 120 µg/m³.

Eine Nachfolgeregelung im Mobilitätsbereich ist nicht geplant.

Der Trend:

1. Computerunterstützte Untersuchungen des prognos-Institutes/Basel haben zum Ergebnis, daß aufgrund bereits beschlossener und eingeleiteter Maßnahmen eine Reduktion der Ozonvorläufer-Substanzen NOx und VOC bis 2005 um 37%, bzw. 42 Prozent (bezogen auf 1990) erreichbar wäre. Aufgrund dieser dauerhaften Minderungsmaßnahmen errechnet ihr Szenario auch ohne weitere Maßnahmen eine weiträumige Absenkung der nachmittäglichen Ozon-Spitzenkonzentration, allerdings nur um 15 bis 25 Prozent.

2. Das BMU geht in seinem Strategiepapier vom Februar 1999 davon aus, daß die Einhaltung des von der WHO empfohlenen Schwellenwertes zum Schutz der menschlichen Gesundheit (8-Stunden-Mittelwert: 120 µg/m³) nur dann sicher einzuhalten ist, wenn die Emissionen der Vorläufersubstanzen gemessen am Niveau der 80er Jahre um 70 bis 80 Prozent reduziert werden.

3. Die VOC-Emissionen sind seit 1990 und die NOx-Emissionen seit 1988 signifikant rückläufig. Neueste Berechnungen des Umweltbundesamtes vom Dezember 1999 stellen fest, dass von 1990 bis 1998 die VOC-Emissionen um 47 Prozent und die NOx-Emissionen um 34 Prozent sanken.

4. Im Juni 1999 stellte das Umweltbundesamt fest, "dass trotz des seit 1990 zu beobachtenden Rückgangs der Emissionen [der Vorläufersubstanzen] um mehr als 30 Prozent eine entsprechende Abnahme der Ozonbelastung erst sehr undeutlich zu beobachten ist."

5. Andere Auskünfte besagen sogar, dass wir bis in das nächste Jahrzehnt mit einer Zunahme der Hintergrundbelastung, jedoch mit einer Abnahme der Anzahl und der Höhe der Ozonspitzen zu rechnen haben, bis dann bereits getroffene und noch zu treffende Maßnahmen zu einer allgemeinen Reduktion der Ozonbelastung führen werden. So zeigt die Auswertung empirischer Messdaten (ca. 9 Mio Datensätze) der letzten zwei Jahrzehnte in einer Untersuchung des Umwelt- und Prognose-Institutes/Heidelberg (UPI) einen scheinbar deutlich zunehmenden Trend von ca. 27 µg/m³ (1977) über 38 µg/m³ (1987) auf ca. 50 µg/m³ (1997). Dieser Verlauf könnte aber auch mit einer Umstellung der Messmethodik Ende der 80er Jahre zusammenhängen, die zu nominell höheren Messwerten führte.

Daraus folgt zusammenfassend, daß die in den letzten Jahren beobachtete Abnahme der Vorläuferemissionen nur zu einer geringen Abnahme der Ozon-Hintergrundkonzentra-tion geführt hat. Gründe für die nur geringe Ozon-Reduzierung können im nicht linearen Zusammenhang zwischen den Vorläufer-Emissionen und der Ozonbildung - also dem höchst komplexen Reaktionsprozess - liegen. Eine Reduzierung der Vorläufersubstanzen führt nicht 1:1 zu einer Reduzierung der Ozonkonzentrationen. Zudem sind noch nicht erfaßte Emissionen (z.B. auch "importierte" Emissionen) und biogene VOC-Emissionen durch die Vegetation (bundesweit ca. 20 %, regional bis zu 50 %, z.B. durch bestimmte Baumarten) nicht vernachlässigbare Einflußfaktoren. Nur eine ausreichend große und gleichzeitige Reduktion beider Vorläufersubstanzen verspricht Aussicht auf Erfolg.

Dabei muss also berücksichtigt werden, dass nicht alle VOC-Emissionen (importierte, natürliche) einer Reduzierung zugänglich sind und es auch keine Einzelmaßnahmen mit großen Reduzierungspotentialen gibt, sondern nur einen Instrumenten-Mix mit kleinen Teilbeiträgen.

Besteht Handlungsbedarf?

1. Ja, weil: Der nächste Sommersmog ist ein „rot-grüner“. Nur aufgrund günstiger, meteorologischer Verhältnisse war Ozon 1999 kein Thema. Ohne eine Novelle geraten wir in der nächsten, ungünstig verlaufenden Schönwetterperiode in den politisch-argumentativen Notstand.

2. Ja, weil: Aufgrund der vernachlässigenden Wirksamkeit des Sommersmog-Gesetzes von 1995 haben die beiden Parteien in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben: „Die Sommersmogverordnung wird novelliert“. Damit stehen wir im Wort.

3. Ja, weil: Der Trend der Ozonbelastung sowohl der Hintergrundkonzentration, als auch der Ozonspitzen erfordern weitergehende Maßnahmen. Bereits getroffene Maßnahmen auf europäischer oder nationaler Ebene sind nicht ausreichend. (s.u.)

4. Ja, weil: Die Europäische Kommission setzt sich in den geplanten Richtlinien über nationale Emissionshöchstgrenzen für bestimmte Luftschadstoffe sowie über den Ozongehalt der Luft (Ozon-Tochterrichtlinie) ein Langfristziel: Der höchste 8-Stunden-Mittelwert während eines Kalenderjahres soll zum Schutz der menschlichen Gesundheit 120 µg/m³ nicht überschreiten. Bis dahin gilt folgender Zielwert, der bis 2010 erreicht werden soll: Bezogen auf die höchsten 8-Stunden-Mittelwerte darf 120 µg/m³ nur an 60 Tagen innerhalb dreier Jahre überschritten werden. Sollte sich dieser Richtlinienentwurf durchsetzen, würde dies eine gewaltige Anstrengung zur NOx- und VOC-Emissionsreduzierung voraussetzen.

Bei der Strategieentwicklung stellt sich die Frage, ob etwa nur noch durch dauerhafte Maßnahmen oder nur noch der gewerbliche oder industrielle Bereich geregelt werden soll, da Maßnahmen im Mobilitätsbereich (dauerhafte Maßnahmen, aber auch temporäre Maßnahmen wie Tempolimit, Fahrverbot, Appell an Lösemittelverzicht etc.) „nichts bringen“. Wir sind der Ansicht, dass nur eine integrierte Strategie mit einem Kombi-Mix an Maßnahmen Aussicht auf Erfolg hat.

Strategieentwicklung:

Die bisher diskutierte Ausschließlichkeit von langfristigen und kurzfristigen Maßnahmen ist politisch nicht statthaft. Um Ozonkonzentrationen als Hintergrundbelastung spürbar zu reduzieren, ist eine deutliche und dauerhafte Verringerung der Emissionen beider Vorläufersubstanzen, NOx und VOC erforderlich. Um darüber hinaus sommerliche Ozonspitzenkonzentrationen zu senken, sind auch temporäre Maßnahmen erforderlich.

Das Umweltbundesamt (UBA) formulierte in einer Hintergrundinformation vom Juni 1999 dazu:

„ Bei der Verringerung der sommerlichen Ozonkonzentrationen sind zwei Strategien von Bedeutung: Zum einen muß langfristig angestrebt werden, während des gesamten Jahres (also nicht nur während der Smogperioden) die Emissionen der Vorläufersubstanzen zu verringern. Die Reduktion muß bei beiden Stoffgruppen etwa 70 bis 80 Prozent bezogen auf die Emissionen Mitte der 80er Jahre betragen...

Da eine Reduktion in dieser Größenordnung nur langfristig realisierbar sein wird, müssen zudem Maßnahmen ergriffen werden, die nur während der eigentlichen Smogperioden gelten. Diese kurzfristigen, zeitlich begrenzten Maßnahmen haben das Ziel, die Spitzenwerte zu senken und damit akute gesundheitliche Beeinträchtigungen zu verringern.“

Das Bundesumweltministerium präsentierte im Februar 1999 eine noch nicht abschließend beratene Ozonstrategie, die auch temporäre Maßnahmen im Verkehrsbereich umfasste:

Unterteilung der Bundesrepublik in zwei große Maßnahmengebiete (Nord- und Südcluster). Die maximale Ozonkonzentration jeder Messstation eines Maßnahmengebiets wird als Stunden-Mittelwert täglich registriert. Die Werte des "schlechtesten Viertels" aller Messstationen werden gemittelt (also die obersten 25 Prozent aller maximalen Ozonkonzentrationen). Liegt dieser Mittelwert über 180 µg/m³ (1-Stunden-Mittel) und ist für den nächsten Tag mit gleichbleibend hohen Werten zu rechnen, wird für diesen nächsten Tag Ozonalarm ausgelöst.

Das BMU sah Tempolimits auf Autobahnen (100 km/h für Pkw/Motorräder und 60 km/h für Lkw/Busse/Gespanne) und Landstraßen (80 km/h für Pkw, bzw. 50 km/h für Lkw) vor. (Zur Erinnerung: für Lkw existiert bereits heute ein Tempolimit auf Autobahnen - auch ohne Smogalarm.

Die Europäische Kommission führt aus, dass trotz der bis zum Jahr 2010 zu erwartenden Verbesserungen im Bereich Luftqualität und Umweltschutz die Gemeinschaft auch weiterhin mit dem Ozonproblem konfrontiert sein wird, wenn sie nicht rasch handelt: „Selbst mit der Umsetzung sämtlicher derzeit verfügbarer technischer Maßnahmen zur Emissionsminderung dürfte das Ziel, daß EU-weit keine Überschreitung der kritischen Werte und Belastungen erreicht werden, nicht erreichbar sein.“ Die Ozon-Tochterrichtlinie sieht daher auch die Möglichkeit nationaler Kurzfristmaßnahmen ausdrücklich vor.

Dringend erforderlich ist eine integrierte Strategie, die langfristige und temporäre Reduktionsmaßnahmen verfolgt. Selbst, wenn die positivsten Prognosen von einer Reduktion der Ozonspitzen aufgrund der getroffenen Maßnahmen bereits im Zeitraum von 2005 bis 2010 ausgehen, ist

a. auch weiterhin mit einer häufigen Überschreitung der 120, bzw. 180 µg/m³-Marke zu rechnen und

b. der politische Erklärungsnotstand gegenüber der Bevölkerung bis dahin weiterhin evident.

Die Strategie:

Wirksame Erfolge hinsichtlich der Bekämpfung von Ozonbelastungen durch Sommersmog sind nur durch eine integrierte Strategie kurz- und langfristiger Maßnahmen zu erreichen. Dafür gibt es sowohl empirische, als auch aus rechnergestützten Modellszenarien stammende, signifikante Hinweise. Für die Ozonstrategie sollten daher die nachfolgenden Maßnahmen mit einem Zeit-Tableau und Evaluationsmechanismen versehen werden. Aufgrund der möglicherweise zu erwartenden Ozonminderung durch bereits getroffene oder beschlossene Maßnahmen sollte auch das neue Sommersmoggesetz befristet und nach spätestens 5 Jahren einer Neubewertung unterzogen werden.

Verkehr:

- Kurzfristmaßnahmen: Unterrichtung der Bevölkerung ab einem 8-Stunden-Mittelwert von 120 µg/m³. Überregionale Fahrverbote für nicht-schadstoffarme Pkw und Krafträder (später auch Lkw) sowie Tempolimit für Kat-Fahrzeuge ab einem Prognosewert von 180 µg/m³ (Auslösestrategie sonst analog der BMU-Strategie vom Frühjahr 1999: Tägliche Registrierung der maximalen Ozonkonzentrationen aller Messstationen eines großflächigen Maßnahmengebietes. Ist zu erwarten, dass an 25 Prozent aller Messstationen am nächsten Tag/in den nächsten zwei Tagen eines Maßnahmengebietes der Wert von 180 µg/m³ (1-Stunden-Mittel) überschritten wird, ist für die nächsten Tage mit einer andauernden sommerlichen Wetterlage mit gleichbleibend hohen Ozonkonzentrationen zu rechnen. Dann wird für diesen nächsten/übernächsten Tag Ozonalarm ausgelöst. Der Prognosewert gibt Auskunft über eine wahrscheinliche Überschreitung des Wertes in den nächsten Tagen und kann heute durch die zur Verfügung stehenden Berechnungsmodelle mit hinreichender Genauigkeit vorab ermittelt werden.

- Verwendungsverbot benzingetriebener Geräte (Rasenmäher, Motorsägen etc.) bei Prognosewerten von 180 µg/m³.

- Generell: Stärkere Überwachung der bestehenden Tempolimits für Lkw

- Langfristmaßnahmen: Einführung moderner Abgastechnik für Diesel-Lkw und Busse. Nach UBA sind entsprechende Techniken zur deutlichen Verminderung von NOx- und VOC-Emissionen in Pilotprojekten getestet und können in den nächsten Jahren zur Serienreife entwickelt werden.

- Förderung sparsamerer und effektiverer Motorentechnik abseits der Diesel-Technologie,

- Emissionsminderung beim Umfüllen und Lagern von Ottokraftstoffen, höherer Wirkungsgrad der bisher absolut unzureichend arbeitenden Gasrückführungssysteme an Zapfsäulen.

- Deklaration benzingetriebener Geräte ohne Abgasreinigung als im "Einsatz verboten in Smogperioden". Kat-Pflicht für bestimmte Kleingeräte nach angemessener Vorlaufzeit.

Industrie, Gewerbe, Produkte:

- Kurzfristmaßnahme: Einsatzverbot VOC-haltiger Stoffe bei Prognosewerten von 180 µg/m³ in bestimmten, nicht-genehmigungspflichtigen Anlagen. Ausnahmegenehmigung unter Auflagen (z.B. Fristsetzung für Einhausung, Absaugung, Aktivkohlereinigung).

- Langfristmaßnahmen: Produkt-Regelungen hinsichtlich Inhalt und Labeling bei Farben, Lacken, Verdünnern, Klebern, Reinigern, etc. (Angaben über Lösemittelart und -gehalt)

- EU-weite Begrenzung des Lösemittelgehaltes in Produkten bis hin zum Einsatzverbot von lösemittelhaltigen Produkten für bestimmte Einsatzgebiete bei vorhandenen, ökonomisch und anwendungstechnisch bestehenden Alternativen.

- Ausbildungsänderungen lösemittelverwendender Gewerbe (Maler, Lackierer) zur Forcierung lösemittelarmer oder wasserbasierender, lösemittelfreier Produkte. Etwa zwei Drittel aller in Deutschland verarbeiteter Lacke und Anstrichstoffe werden außerhalb - also umweltoffen - geschlossener Anlagen verarbeitet (BMU/VCI)

- Verschärfung für nicht-genehmigungspflichtige (nicht IVU-pflichtige) Anlagen durch einen jährlichen „Solvent Management Plan“ mit Registrierungsanzeige und Planungsdaten sowie regelmäßigen Emissionsmessungen durch Sachverständige.

UBA/VCI: „Bei Anlagen, die dem Geltungsbereich der IVU-Richtlinie unterworfen sind, muß das integrierte Genehmigungsverfahren erfolgen. Bei sonstigen Anlagen kann eine Registrierung oder Genehmigung erfolgen.“

- Stärkung der bisherigen Eigeninitiativen wie beispielsweise der Lack-, Druck- oder Klebstoffindustrien (z.B. Förderung IPA-reduzierter Druckmaschinen als Austausch für Altanlagen mit automatischer Reinigung durch emissionsreicher Reiniger) sowie weiterer Reduzierungspläne.

Umsetzung und Effizienz

Der Vorschlag einer ökonomisch erzwungenen Reduzierung von Altfahrzeugen z.B. durch eine drastische Erhöhung der Kfz-Steuer sollte anhand des sozial schwachen Klientels und der gerade auch durch die Politik geförderte „Allzeit-Mobilität“ nicht überstrapaziert werden.

Die Vorschläge der 53. Umweltministerkonferenz enthalten darüber hinaus noch Maßnahmen wie die Neufestlegung des Standes der Technik für NOx-emittierende Großfeuerungsanlagen oder die Einführung einer emissionsabhängigen Kfz-Steuer für motorisierte Zweiräder oder strengere Vorgaben für die Abgasuntersuchung. Nach Einschätzung von BMU und UBA erbringen sie nur eine geringe Reduzierung der Vorläufer-Substanzen. Dies wäre zu prüfen.

Es bleibt daher, über die Einbeziehung des Verkehrssektors eine politische Entscheidung zu treffen. Die zu erwartenden Widerstände der übrigen Ressorts (insbesondere des BMWi) dürfte bei Reglementierungs-Ansätzen im industriellen oder gewerblichen Bereich nicht geringer sein, als bei der Novellierung der "Sommersmogverordnung".

Effizienz temporärer Maßnahmen:

Im Falle temporärer Maßnahmen sieht das prognos-Institut im Falle einer Kombination temporärer Maßnahmen (Tempolimits, Fahrverbote nicht-schadstoffarmer Pkw und freiwillige Reduktion bei stationären Quellen und beim Lösemittelverbrauch aufgrund von Appellen) eine NOx-Reduktion von 32 % und von 39 % bei VOC.
Anhang:   NOx VOC Abnahme der bis bezogen auf
        Ozonspitzen um:    
Trend (prognos)   -37% -42% 15 - 25% 2005 1990
Trend (UBA)   -34% -47% ca. 9,5% 1998 1990
Soll   -70% -80% (WHO-Einhaltung)   1985
             
zusätzliche Maßnahmen (nach prognos)        
temporär:            
1. Tempolimits   -15% -1%      
2. Fahrverbote "Alte Stinker"   -29% -32%      
3. Kombi 1+2   -32% -39% 7 - 16% Sofort* 1994
langfristig:   -64% -72% 30 - 40% 2005 1990

Das prognos-Institut geht jedoch bei temporären nur von regionalen Maßnahmen aus. Das Strategiepapier des BMU vom Februar 1999 geht demgegenüber von zwei flächendeckenden „Clustern“, vereinfachend Süd- und Norddeutschland aus. Dadurch erhöht sich das Reduktionspotenzial temporärer Maßnahmen. prognos selbst betont ausdrücklich, dass

a. die räumliche Erweiterung des (regionalen) Maßnahmengebietes durch Einbezug von angrenzenden Regionen (Bundesländern) zu einer „deutlichen Effektivitätssteigerung“ führt und

b. die Wirksamkeit von temporären Minderungsmaßnahmen bei hohen Ozon-Konzentrationen deutlich höher einzuschätzen ist, als bei geringeren Konzentrationen.

c. eine Vorverlegung der Einleitung von temporären Maßnahmen zusätzliche Ozonminderungseffekte für den ersten Tag des Auftretens bewirkt, für die folgenden Tage die Zusatzeffekte geringer sind - entsprechend der bereits in den vergangenen Legislaturperiode verfolgten grünen Vorsorgestrategie.

Bei einer Kombination der temporären Maßnahmen sinken die Ozon-Spitzenkonzentrationen nach prognos um bis zu 16 %. Die hier vorgeschlagene Ozonstrategie läßt jedoch höhere Reduktionen erwarten. Die Effektivität steigt mit der Größe des Maßnahmengebietes und auch deutlich durch frühzeitiges Ergreifen der Maßnahmen (daher "Prognosewert" als Auslöser für Ozonalarm mit 24 bzw. 48 Stunden Vorlaufzeit).

Nicht zu vernachlässigen sind dabei mobile, benzingetriebene Maschinen und Geräte (Rasenmäher, Motorsägen, Dieselgeneratoren etc.). Ihr Anteil an den NOx-Emissionen des Verkehrs beträgt EU-weit immerhin 15%, bei den VOC-Emissionen sind es etwa 9%. An einem heißen Sommertag in Deutschland könnte nach Schätzungen des BMU allein ein Verbot benzingetriebener Gartengeräte bei Ozonalarm die gesamten VOC-Emissionen im Maßnahmengebiet um rund 8% senken.

Effizienz langfristiger Maßnahmen:

Die Emissionsminderungen aufgrund bereits beschlossener Maßnahmen (im Wesentlichen der Umsetzung der europäischen Richtlinien (VOC-RL etc.) in nationales Recht) resultieren in Abnahmen der Ozonkonzentrationen um höchstens 15 bis 25 %. Bei nachmittäglichen Spitzenwerten von 240 µg/m³ bedeutet dies lediglich eine Reduktion knapp unter 200 µg/m³. Nur weitere, temporäre Maßnahmen drücken den Wert zumindest kurzfristig unter 180 µg/m³ (den bis heute bestehenden Informationswert für die Bevölkerung).

Deshalb ist eine weitere, dauerhafte Reduktion nach dem prognos-Szenario „Reduktion 2005“ nur durch zusätzliche Maßnahmen in den Bereichen Verkehrs-Industrie- und Lösemittelemissionen erreichbar. Durch die wichtigsten - hier aufgeführten - Langfristmaßnahmen sind Ozonreduktionen von insgesamt 30 bis 40 % des Basislaufs erreichbar. So rechnet z. B. die Lackindustrie bis 2007 mit VOC-Reduktionspotenzialen von 70 Prozent (gegenüber 1988), vorausgesetzt, neben anlagenbezogenen Regulierungen komme es vor allem auch zu produktbezogenen Regelungen für die handwerkliche Verarbeitung und für die Verarbeitung außerhalb von Anlagen.

Fazit:

Auch in den kommenden 5 bis 10 Jahren wird Sommersmog ein Problem bleiben. Selbst wenn bis dahin alle Maßnahmen umgesetzt werden, die auf europäischer oder nationaler Ebene geplant oder bereits beschlossen sind, werden Überschreitungen des WHO-Gesundheitswertes nicht zu verhindern sein. Selbst in den optimistischsten Prognosen wird erst nach 5 oder 10 Jahren eine spürbare, aber noch nicht ausreichende Abnahme der Hintergrundkonzentration zu beobachten sein. Eine weitere Reduktion der Vorläufersubstanzen ist daher notwendig und erfordert neben einer langfristige Herangehensweise auch kurzfristige, überregionale (temporäre) Maßnahmen - auch im Verkehrssektor.

µg/m³: Messeinheit in Mikrogramm (10-9 Kilogramm) pro Kubikmeter Luft

VOC (volatile organic compounds): Leichtflüchtige, organische Kohlenwasserstoffe

NOx: Stickoxide, bestehend aus NO und NO2

IVU-Richtlinie: Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verringerung der Umweltverschmutzung


Quellen:

UPI: Umwelt- und Prognose-Institut "Bodennahes Ozon - Vorschläge zu einer Novellierung des Sommer- Smog-Gesetzes, UPI-Bericht Nr. 48, Heidelberg Juni 1999

UBA: Umweltbundesamt "Hintergrundinformation: Sommersmog", Berlin Juni 1999

prognos "Aktionsprogramm und Maßnahmenplan Ozon (Sommersmog), Basel Dezember 1997

BMU: Strategiepapier "Bodennahes Ozon", Berlin Februar 1999

Kommission der Europäischen Gemeinschaften Richtlinienvorschlag "über nationale Emissionshöchstgrenzen für bestimmte Luftschadstoffe" und "über den Ozongehalt der Luft" KOM(1999) 125 endg., Brüssel Juni 1999

"Gemeinsamer Abschlußbericht zum Dialog des BMU und des VCI zu Umweltzielen am Beispiel VOC", Dezember 1997

"Lösemittel-Reduzierung im Maler- und Lackiererhandwerk", Verband der Lackindustrie 1999