Sportpolitik
Februar 2007
Winfried Hermann, MdB
Sportpolitischer und verkehrspolitischer Sprecher
der
Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
Skifahren im Treibhaus Erde
Den Krieg mit Schneekanonen beenden
Warme Winter, viel Regen und wenig Schnee und dazwischen
Stürme, die noch vor wenigen Jahren in Europa
und Deutschland in dieser Dimension unbekannt waren.
Und dramatisch zurückgehende Gletscher auf den
Bergen, deutlicher Rückgang des Eises an den Polen.
Der Klimawandel ist in diesem Jahr und besonders in
diesem Winter so offenkundig, dass man nur mit größter
Verdrängung oder Ignoranz die Folgen der Erderwärmung übersehen
kann. Gegen die Erderwärmung, die nicht nur im
Flachland, sondern auch in den Bergen zuschlägt,
wird neuerdings mit allen verfügbaren Kanonen
geschossen.
Was vordergründig nachvollziehbar ist - die Skigebiete
kämpfen um ihre Existenzgrundlagen, die Rennveranstalter
um ihre Einnahmen - muss freilich grundlegend überdacht
werden. Wenn die Schneefallgrenze aufgrund der Erderwärmung
Jahr für Jahr steigt, wenn mittlere Berglagen
800 – 1500m zunehmend grün bleiben, dann
werden auf Dauer auch Schneekanonen nicht weiterhelfen.
Dass zukünftig Eis und Schnee in großen
Hallen mit entsprechend niedriger Temperatur (vor-)produziert
und zu den Skiloipen mit LKWs gefahren wird, wie zum
Ski-Weltcup-Rennen im thüringischen Oberhof, bleibt
hoffentlich eine einmalige Aktion, die nicht jährlich
realisiert wird.
Es wäre doch die Verrücktheit auf die Spitze
getrieben, wenn man die Folgen des Treibhauseffektes,
der auf die energieintensiven, klimabelastenden Lebensweisen
in den Industrieländern zurückzuführen
ist, damit bekämpft, dass man mit viel Energieaufwand
(-verschwendung) den Winter mit Eis und Kunstschnee
selber schafft nach dem Motto: Wenn die Natur nicht
will, werden wir das selbst machen.
Der Krieg mit Schneekanonen muss schnell beendet werden.
Tourismuswirtschaft und Wintersportgemeinden sollten
stattdessen dafür werben, dass es angesichts des
Klimawandels kein (Menschen-)Recht auf Winterschnee
mehr gibt. Schon gar nicht, wenn Massentourismus durch
Autofahren, Flugreisen etc. zur Klimakatastrophe wesentlich
beiträgt. Es ist bitter für die betroffenen
Ferienregionen: Aber alle wissenschaftlichen Prognosen
sagen eindeutig, es wird in den kommenden Jahrzehnten
wärmer mit den entsprechenden Folgen. Und es wird
umso schlimmer kommen, je weniger wir bereit sind,
klimaschädliche Verhaltensmuster zu ändern.
Es wäre klug, wenn sich die Wintersport- und
Skiregionen auf den Klimawandel einstellen und Alternativen
zum Skifahren entwickeln würden. Erholung kann
auch beim Wandern, Laufen, Schwimmen, Meditieren und
an Fitnessgeräten stattfinden. Wer keine interessanten
Angebote macht, der wird wohl kaum als Tourismusgemeinde überleben.
Der Sport mit seiner breiten Palette kann und muss
dazu etwas beitragen. Es wird höchste Zeit, dass
auch im Wintertourismus sanfte Konzepte entwickelt
werden. Schneesport – alpin oder nordisch – wird
sicher an Bedeutung verlieren. Mancher Lift und manche
Loipe wird in Zukunft häufig grün bleiben.
Fatal wäre es allerdings, wenn zur Kompensation
der verlorenen Skigebiete, noch schneesichere Höhenlagen
oder gar die letzten Gletscher erschlossen würden.
Die weitere Verdichtung des Pistenverkehrs auf den
noch verbleibenden Pisten wäre übrigens auf
Dauer weder wünschenswert noch attraktiv.
Da sich aufgrund der Trägheit des Klimasystems
die Erdatmosphäre weiter erwärmen wird, selbst
wenn wir heute sofort die Produktion aller Treibhausgase
einstellen, ist die Prognose vom Rückzug der Gletscher
und der Skigebiete keine pessimistische Schwarzmalerei.
Sie ist sehr realistisch angesichts des weltweiten
Zögerns, wirkungsvoll Klimaschutzpolitik zu betreiben.
Die Ausbreitung des Wintersports, speziell des Skisports,
wird mit dem Klimawandel zurückgehen. Die neuerdings
aus dem Boden sprießenden Skihallen – ob
in Niedersachsen oder in Dubai - werden das nicht verhindern
können.
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