Reden – Winfried Hermann https://www.winnehermann.de/2010 Mitglied des Deutschen Bundestages Fri, 25 Mar 2011 12:19:34 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.2.3 Protokollrede Winfried Hermann MdB zu TOP 21, Stuttgart 21 https://www.winnehermann.de/2010/protokollrede-winfried-hermann-mdb-zu-top-21-stuttgart-21/ Thu, 24 Mar 2011 13:30:15 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=3235 Beratung der Anträge

17/2933, SPD Fraktion: Kein Weiterbau von Stuttgart 21 bis zur Volksab­stimmung, 17/2914, Fraktion Die Linke: Stuttgart 21, Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und das Sparpaket der Bundesregierung, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: 17/2893, Sofortiger Baustopp für Stuttgart 21 und die Neu­baustrecke Wendlingen-Ulm und 17/5041 Transparenter Stresstest für die Leistungsfähigkeit des Bahnprojekt Stuttgart 21“

 

[See image gallery at www.winnehermann.de] Sehr geehrte Damen und Herren,

in der heutigen Debatte zum Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs reden wir zunächst über drei Oppositionsanträge aus dem September 2010, die sich alle, wenn auch mit unterschiedlicher Stoßrichtung, für einen sofortigen Baustopp des Projektes Stuttgart 21 und mehr Beteiligung und Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Darüber hinaus diskutieren wir einen aktuellen Antrag meiner Fraktion für einen transparenten Stresstest zur Leistungsfähigkeit des unterirdischen Bahnprojektes Stuttgart 21.

Anlass für die Anträge aus dem September letzten Jahres waren die monatelangen Proteste und Großkundgebungen der Gegner des Projektes, die seit dem Abriss des Nordflügels des Stuttgarter Hauptbahnhofs täglich zu Tausenden kreativ und friedlich gegen Stuttgart 21 demonstrierten. Sie stammen also aus einer Zeit, bevor die baden-württembergische Landesregierung am 30. September 2010 versuchte, mit einem unverhältnismäßig harten Polizeieinsatz das Projekt gewaltsam durchzusetzen, was zur Eskalation der Situation führte. Hunderte Menschen, die in Stuttgart friedlich im Park gegen die Baumfällarbeiten der Deutschen Bahn AG demonstrierten, wurden verletzt. Die politische Verantwortung dafür tragen der Ministerpräsident Mappus und der Innenminister Rech, nicht der Polizeipräsident, der trägt seine eigene Verantwortung als Polizeichef.

Erst dieser Eklat, der in eine bundesweite Diskussion über die unzureichenden Beteiligung der Öffentlichkeit bei Großprojekten und die Durchsetzung solcher Projekte gegen massiven Widerstand aus breiten Schichten der Bevölkerung mündete, führte dazu, dass Gegner und Befürworter des Projektes sich an einer Art runden Tisch unter Leitung von Heiner Geißler zur sogenannten Faktenschlichtung trafen. Das führte zur Versachlichung der Diskussion und dazu, dass endlich deutlich mehr – allerdings noch längst nicht alle Fakten – auf den Tisch kamen, als sie den Parlamenten in Stadt, Land und auf Bundesebene zuvor je zugänglich gemacht wurden. Doch ein entscheidender Akteur saß nicht mit am Tisch. Der Bund bzw. das Bundesverkehrsministerium hielt sich fein raus. Warum eigentlich?!

Und das obwohl der Bund der Hauptzahler für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart 21 und für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist. Dies war ein großer Mangel des Verfahrens, denn so fanden seine Interessen keinen Eingang in das Schlichtungsergebnis. Die Konsequenzen für den Bundeshaushalt insbesondere bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, die bereits heute eine Deckungslücke von 865 Mio. Euro aufweist, wurden nicht berücksichtigt, obwohl Stuttgart 21 ohne die Neubaustrecke des Bundes gar nicht funktioniert, sondern ohne Schienenanschluss im Nichts stehen würde.

Dabei ist das Schlichtungsergebnis für Stuttgart 21 vernichtend gewesen und der Bund als Eigentümer der DB AG und verantwortliche Instanz für den Aus- und Neubau des bundeseigenen Schienennetzes hätte davon höchst alarmiert sein müssen, insbesondere was die Wirtschaftlichkeit des Projektes betrifft. Denn der zentrale Satz im Schlichterspruch von Heiner Geißler lautete „Ich kann den Bau des Tiefbahnhofs nur befürworten, wenn entscheidende Verbesserungen vorgenommen werden“.

Mit anderen Worten, Stuttgart 21 in seiner alten Form ist tot. Es weist eklatante Mängel im Betriebskonzept aus und der geplante unterirdische Engpass könnte nur durch erhebliche, teure Nachbesserungen beseitigt werden. Damit sind neue Planfeststellungsverfahren nötig, die einen erheblichen Zeitverzug und massive Kostensteigerungen bedeuten.

Dies bestätigt unser Misstrauen und die Forderung unseres Antrages vom September 2010. Ein Baustopp ist solange zwingend erforderlich, bis die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 überprüft wurde. Erst danach kann eine Entscheidung über das Projekt endgültig gefällt werden.

Doch wie sieht nun diese Überprüfung von Stuttgart 21 nach der Faktenschlichtung in Stuttgart aus?

Heiner Geißler hatte in seinem Schlichterspruch sehr deutlich gemacht hat, dass der unterirdischen Tunnelbahnhof nur als Stuttgart 21 plus funktioniert. Deshalb forderte er u.a. die Erweiterung des Bahnhofs von ursprünglich 8 geplanten Gleisen auf 10 Gleise sowie zahlreiche zusätzliche Baumaßnahmen an den Zulaufstrecken und er forderte, dass die DB AG im Rahmen einer Belastungssimulation eines sogenannten Stresstestes den Nachweis erbringen müsse, dass Stuttgart 21 überhaupt in der Lage ist in Spitzenbelastungszeiten die behaupteten 30 Prozent mehr an Kapazität gegenüber dem bestehenden Kopfbahnhof zu erbringen.

Trotzdem behaupteten DB AG sowie das Land und seine Partner schon unmittelbar nach der Schlichtung, die von Geißler geforderten Nachbesserungen seien gar nicht notwendig. Der Stresstest werde ergeben, dass man so verfahren könne wie ursprünglich geplant.

Das ist ja an sich schon bezeichnend, weil damit quasi das Ergebnis schon vorher feststeht und man den vielgelobten Schlichter Heiner Geißler Lügen straft, bevor der Stresstest überhaupt vollzogen wurde. Verwunderlich ist es jedoch nicht, wenn man weiß, dass die DB AG den Stresstest hinter verschlossen Türen durchführt und weder unabhängige Experten noch Kritiker des Aktionsbündnisses daran beteiligt werden sollen. Bei Stuttgart 21 soll genauso verfahren werden wie in den Jahren zuvor. Die DB AG präsentiert Ergebnisse, die auf Zahlen, Daten und Fakten basieren, die nur der DB AG zugänglich sind und die der Eigentümer Bund und im Falle von Stuttgart 21 auch die übrigen Projektpartner dann so glauben müssen. Die angebotene Einsicht im Nachhinein ist keine echte Kontrolle, weil man nicht weiß was an Daten eingegeben wurde.Die öffentliche Kontrolle unterbleibt, obwohl maßgeblich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Risiken und die damit verbundenen Kostensteigerungen aufkommen müssen. Stattdessen werden die Bürgerinnen und Bürger erneut damit abgespeist, dass das Projekt durch parlamentarische Beschlüsse legitimiert sei, obwohl diese auf der Grundlage fragwürdiger Informationen bzw. besser gesagt Nichtinformationen zustande gekommen sind.

Das ist für uns in höchstem Maße unglaubwürdig und darauf wollten wir uns verlassen. Schließlich mussten wir in den letzten Jahren seit Gründung der DB-Aktiengesellschaft schon viele schlechte Erfahrungen mit der Informationspolitik des DB-Konzerns sammeln. Deshalb hat die grüne Landtagsfraktion in den letzten Wochen einen eigene Studie zur Leistungsfähigkeit für Stuttgart 21 in Auftrag gegeben. Und das Ergebnis ist dramatischer als befürchtet. Stuttgart 21 erbringt nur dann die Leistung, die der unsanierte Kopfbahnhof bereits heute erbringen kann, wenn alle von Heiner Geißler aufgestellten Nachbesserungen vorgenommen werden, also das sogenannte Stuttgart 21 plus vollständig umgesetzt wird.

DB AG und das Land wollen also gegen allen gesunden Menschenverstand Milliarden sinnlos verschleudern für ein Projekt, das nichts Anderes kann als der alte Bahnhof, nur damit dieser unter der Erde verschwindet. Und der Bund schaut tatenlos zu.

Und was sind die Konsequenzen? Es werden auf Jahrzehnte große Teile der Haushaltsmittel für den Schienenausbau für ein sinnloses Doppelprojekt verschwendet. Sie liebe Regierungskoalitionäre nehmen damit wider besseren Wissens in Kauf, dass der Ausbau von Projekten mit immenser verkehrlicher und volkswirtschaftlicher Bedeutung wie z.B. der Ausbau der Hafenhinterlandstrecken von den Nordseehäfen in Richtung Südeuropa deshalb aufgeschoben werden muss. Für die Folgen, nämlich dass die Güter dort nicht rechtzeitig auf die klimafreundlichen Schiene verlagert werden können und ab 2017 vor dem dann hervorragend ausgebauten Gotthardtunnel in der Schweiz im Stau stecken bleiben, sind Sie voll verantwortlich. Ebenso voll verantwortlich sind Sie dafür, wenn der erst vor wenigen Tagen hier im Hause versprochene anwohnerfreundliche Ausbau der Rheintalbahn sich noch um Jahrzehnte verzögert, weil die Mittel sinnlos vergraben werden.

Das ist skandalös und verantwortungslos! Und deshalb kann ich Ihnen nur zurufen: Kommen Sie endlich zur Vernunft und stoppen Sie dieses unsägliche Projekt! Investieren wir in einen zukunftsfähigen Schienenverkehr in Baden-Württemberg und in der ganzen Republik.

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Debatte: Rheintalbahn – Finanzierung und anwohnerfreundlichen Ausbau sicherstellen https://www.winnehermann.de/2010/antrag-rheintalbahn-finanzierung-und-anwohnerfreundlichen-ausbau-sicherstellen/ Fri, 18 Mar 2011 12:01:13 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=3134 Redebeitrag von Winfried Hermann (B90/GRÜNE)
am 18.03.2011 um 09:33 Uhr (97. Sitzung, TOP 27)

 

 

 

eine kurze Intervention Winne Hermanns während der Debatte

 

 

Antrag

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Rheintalbahn ist eines der wichtigsten Verkehrsinfrastruktur-Projekte der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik Deutschland und die Schweiz haben sich im Vertrag von Lugano 1996 zu einem gemeinsam abgestimmten Schienenausbau der „Neuen Eisenbahn Alpentransversale“ (NEAT) – und ihrer Zulaufstrecken verpflichtet. Die Schweiz gewährleistet darin den Ausbau der Lötschberg- und der Gotthardachse und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet sich zum durch-gehenden viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn.

Der Rheingraben im südbadischen Raum ist in besonderer Weise von der zukünftigen verkehrlichen Entwicklung betroffen. Straße und Schiene bilden die Zulaufstrecke für den alpenquerenden Verkehr und sind Teil eines äußerst stark belasteten Verkehrskorridors in Europa. Dieser Korridor verbindet die Nordsee mit dem Mittelmeer, die Nordseehäfen mit dem Binnenland bis nach Südeuropa und deutsche Ballungsräume mit hoher Wertschöpfung wie das Ruhrgebiet, den Rhein-Main-Raum, das Rhein-Neckar-Gebiet und den Oberrhein. Der Verkehrskorridor im Rheingraben ist Bestandteil des europäischen Infrastrukturleitplans und des „transeuropäischen Verkehrsnetzes“.

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zu Protokoll gegebene Rede zum Stresstest von Stuttgart 21 https://www.winnehermann.de/2010/zu-protokoll-gegebene-rede-zum-stresstest-von-stuttgart-21/ Thu, 17 Mar 2011 13:58:18 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=3177 [See image gallery at www.winnehermann.de] Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sie erinnern sich sicher alle noch gut an die heftigen Auseinandersetzungen im Herbst letzten Jahres um das Großprojekt Stuttgart 21 und die dazu öffentlich durchgeführte Faktenschlichtung in Stuttgart. Stuttgart 21 ist nach Auffassung der Bundesregierung ein Projekt der Deutschen Bahn AG. Daher verlässt sie sich bis heute blindlings auf die Zahlenwerke der Bahn sowie auf die von ihr behauptete Wirtschaftlichkeit und den verkehrlichen Nutzen des Projekts, trotz hoher finanzieller Beteiligung und Risiken für den Bund.

Wir sehen dies ebenso wie der Bundesrechnungshof kritisch. Der Bund beteiligt sich mit 1,2 Milliarden Euro am Ausbau des Eisenbahnknotens Stuttgart und ist Eigentümer der Deutschen Bahn AG. Er muss also ein ureigenes Interesse daran haben, dass die Kosten des Projekts Stuttgart 21 nicht explodieren – unabhängig davon, ob sich dies nun negativ im Bundeshaushalt niederschlägt oder in der Bilanz der bundeseigenen DB AG. Zudem muss der Bund ein ureigenstes Interesse daran haben, dass der Ausbau des bundeseigenen Schienennetzes den verkehrlichen und volkswirtschaftlichen Nutzen hebt und die DB AG keine Projekte errichtet, die gigantisch viel kosten, ohne Nutzen für den Schienenverkehr zu schaffen. Insofern ist es schon sehr aufschlussreich, dass keine Vertreter des Bundesverkehrsministeriums am Schlichtungsverfahren teilnahmen und die Bundesregierung damit ausdrücklich ihr Desinteresse an den wirklichen Fakten signalisierte. Das deckt sich mit unseren jahrelangen Erfahrungen.

Es bedurfte erst der Schlichtung, eines nichtparlamentarischen Gremiums auf der Basis des guten Willens aller Beteiligten, damit mehr Informationen über dieses Projekt vorgelegt wurden – mehr Informationen übrigens, als den Mitgliedern des Deutschen Bundestages im gesamten Planungsprozess für Stuttgart 21 zugestanden wurde, selbst wenn sie nur in den Geheimschutzstellen Einblick in die Unterlagen nehmen wollten, was zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Damit sind wir beim Kern unseres Antrags. Die Bahn begründet den milliardenschweren Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem gut funktionierenden Kopfbahnhof in einen unterirdischen Tunnelbahnhof insbesondere damit, dass dieser hohe Kapazitätszuwächse bewältigen könne. Es war jedoch eine der wichtigsten Erkenntnisse der Faktenschlichtung, dass die eisenbahntechnische Leistungsfähigkeit des von der DB AG geplanten neuen Bahnknotens Stuttgart 21 ernsthaft infrage gestellt werden muss. Daher verpflichtete sich die DB AG zu einem sogenannten Stresstest, einer Belastungssimulation, bei der nachgewiesen werden soll, dass Stuttgart 21 in Spitzenbelastungszeiten 30 Prozent mehr Züge bewältigen kann als der bestehende Kopfbahnhof. Ansonsten sind Nachbesserungen nötig, und diese machen das Projekt erheblich teurer, als es ohnehin schon nach dem jetzigen Stand ist.

Mehr als pikant ist allerdings, dass die Deutsche Bahn nach den heftigen Auseinandersetzungen, die in das Schlichtungsverfahren mündeten, eine Beteiligung unabhängiger Experten und die Einbeziehung von Vertretern des Aktionsbündnisses von Anfang an ablehnt und den Stresstest selbst durchführen will. Erst die Ergebnisse der bahninternen Prüfung sollen zur Kontrolle an das Schweizer Verkehrsberatungsunternehmen SMA übergeben werden, dass zu 75 Prozent von Aufträgen der DB AG lebt. Von einem transparenten Verfahren ist keine Rede mehr. Dies kritisierte auch Schlichter Heiner Geißler, der laut Äußerungen in den Medien das Anliegen des Aktionsbündnisses, von Anfang an an der Leistungsüberprüfung beteiligt zu sein, voll unterstützt. Aber was passiert, wenn die DB AG sich quasi selbst kontrolliert und die Nachkontrolle einem Unternehmen überlässt, das regelmäßig Aufträge von der DB AG erhält? Es liegt auf der Hand: Man kommt zu dem gleichen Ergebnis wie bereits vor der Schlichtung – Stuttgart 21 ist wunderbar, funktioniert und benötigt keinerlei Nachbesserungen, und selbstverständlich bleibt auch alles im vertraglichen Kostenrahmen. Für diese Erkenntnis hätte es allerdings weder das Schlichtungsverfahren noch den aufwendigen Stresstest benötigt. Das wird auch die Bürgerinnen und Bürgern nicht überzeugen, die monatelang in Baden-Württemberg und ganz Deutschland zu Zigtausenden energisch gegen das Projekt protestiert haben.

Der Stresstest ist ein Zwischenergebnis der Schlichtung und die zeitlich nachgelagerte Fortführung des Schlichtungsverfahrens, da zentrale Problempunkte im Rahmen der Schlichtung nicht abschließend geklärt werden konnten. Er muss daher den gleichen Kriterien wie das Schlichtungsverfahren, nämlich Transparenz und Dialog auf Augenhöhe, folgen. Deshalb fordern wir die Bundesregierung mit unserem Antrag auf, in ihrer Verantwortung als Eigentümerin der DB AG dafür Sorge zu tragen, dass der Stresstest von Anfang an, also bereits bei Eingabe der Daten und der Datenverarbeitung, öffentlich und transparent erfolgt. Das heißt, er muss unter Beteiligung des Aktionsbündnisses und unabhängiger Experten durchgeführt werden. Nur dann kann eine breite Akzeptanz für das Ergebnis erreicht werden. Die Federführung des Stresstests darf nicht beim Projektträger der DB AG liegen, denn dessen Planungen sollen ja schließlich überprüft werden.

Nach den zahlreichen Fehl- und Halbinformationen bezogen auf Kosten, Risiken und Nutzen von Stuttgart 21 über Jahre hinweg ist das Vertrauen in die Deutsche Bahn erheblich gestört. Der Stresstest und die daraus abgeleiteten Konsequenzen sind nur dann tragfähig, wenn es ein gemeinsames, transparentes Verfahren gibt, an dem die Projektkritiker des Aktionsbündnisses und damit die Öffentlichkeit von Anfang an beteiligt sind.

 

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Rede zu Klimaschutz im Verkehr https://www.winnehermann.de/2010/rede-zu-klimaschutz-im-verkehr/ Fri, 21 Jan 2011 14:29:52 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2813 [See image gallery at www.winnehermann.de] Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle reden derzeit von Wetterchaos und Folgen für die Verkehrsträger: vereiste Flieger, gesperrte Autobahnen, massenhafte Ausfälle bei der Bahn. Winter eben! Die Winter kehren nach Deutschland zurück und die Sommer werden heißer. Kaum jemand redet momentan von Klimaschutz, und die Debatte im Deutschen Bundestag wird zu Protokoll gegeben.

2010 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die Zunahme von Wetterextremen – sehr kalte Winter und sehr heiße Sommer – sind nur ein Symptom des fortschreitenden Klimawandels. Eigentlich wissen wir das, und wir wissen auch, dass drastische Reduktionen der Treibhausgase nötig sind: weltweit bis 2050 um 50 Prozent gegenüber 1990.

Der Verkehr verantwortet heute rund ein Fünftel aller Treibhausgasemissionen in Deutschland, für 2008 waren dies 152,33 Millionen Tonnen. Wenn wir das nationale Klimaschutzziel erreichen wollen, dann müssen mindestens 40 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber 1990 eingespart werden.

Anders als in anderen Sektoren sind die Reduktionen im Verkehrsbereich verschwindend, obwohl die Fahrzeugeffizienz verbessert wurde. Der stetige Anstieg des Verkehrsaufwands hat die fahrzeugspezifischen Emissionsminderungen überkompensiert. Nur mit Modifikationen am Gerät werden wir es nicht schaffen, wir brauchen einen Rückgang im Verkehrsaufwand, wir müssen, wo es nur geht, Verkehr verlagern und vermeiden.

Die Bundesregierung hat mehrfach angekündigt, wirksame Klimaschutzinstrumente im Verkehr zu entwickeln. Auch Bundesrat und Bundesumweltminister beteuern, dass Klimaschutzziel sei ohne drastische Reduktionen bei Verkehr und Gebäuden nicht zu erreichen. Passiert ist allerdings wenig, zahlreiche Maßnahmen wurden abgeschwächt oder ausgesetzt. Mit den Konjunkturprogrammen hat man die Klimaschutzziele im Verkehr eher konterkariert. Die dringend nötige Erhöhung der Lkw-Maut wird eingespart und so ein wichtiges klimapolitisches Lenkungsinstrument fallengelassen. Auf europäischer Ebene blockiert die Bundesregierung ambitionierte EU-weite CO2-Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge. So schützt man die Autoindustrie, nicht aber das Klima.

Man hätte erwarten dürfen, dass im vollmundig angepriesenen Energiekonzept der Bundesregierung Maßnahmen und Instrumente konkretisiert werden. Aber Fehlanzeige: Zu lesen waren Ankündigungen und Aufforderungen. Es fehlt ein konkretes Sektorziel zur CO2‑Reduktion für den Verkehrsbereich. Kernbereiche nachhaltiger Mobilität wie ÖPNV, Rad- und Fußverkehr werden noch nicht einmal erwähnt. Die Bundesregierung will uns glauben machen, mit einem Förderprogramm für Elektromobilität und mehr Biosprit genügen wir den Klimaschutzanforderungen.

Schon vor einem Jahr hat das BMVBS angekündigt, die Verkehrsmaßnahmen aus dem Energie- und Klimapaket von 2007 zu überprüfen und fortzuentwickeln, aber auf ein Klimaschutzprogramm für den Verkehr warten wir bislang vergebens. Bisher hat die Bundesregierung im Verkehrsbereich weder die Voraussetzungen für konkrete Maßnahmen zur Emissionsminderung geschaffen noch die technologischen Innovationspotenziale erschließen können. Es ist längst klar: Allein fahrzeugspezifische Minderungen und Umstellungen auf alternative Kraftstoffe oder Elektroantriebe reichen nicht aus. Hinzu muss ein ganzes Bündel von Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung durch entsprechende Stadt- und Verkehrsplanung, für den Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel, die effiziente Verwendung von Energie für Mobilitätszwecke und den Ersatz fossiler durch erneuerbare Energien beim Klimaschutz kommen. Klimafreundliche Mobilität ist auf eine funktionsfähige Infrastruktur angewiesen, die intelligent vernetzt wird und so nachhaltige Verkehrsströme moderiert. Dafür muss etwa die umweltfreundliche Schiene als auch der ÖPNV insgesamt massiv ausgebaut werden.

Wirksam sind Reduktionsstrategien erst dann, wenn sie mit klaren Zielen und konkreten Zahlen und Zeitplänen und vor allem einer sanktionsbewährten Kontrolle verbunden sind.

In dem vorliegenden Antrag unterbreiten wir eine Fülle von Maßnahmen für mehr Klimaschutz im Verkehr, wir stehen für eine Diskussion mit dem Verkehrsressort bereit.

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Rede zum Sportbericht der Bundesregierung https://www.winnehermann.de/2010/rede-zum-sportbericht-der-bundesregierung/ Thu, 20 Jan 2011 14:26:12 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2810 [See image gallery at www.winnehermann.de] Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lassen Sie mich zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen zum 12. Sportbericht der Bundesregierung machen. Aus meiner Sicht ist es gut, dass wir den Bericht haben. In solcher Art und Ausführlichkeit gib es dies in keinem anderen Politikfeld. Ich möchte deswegen ein dickes Lob für die umfassende Recherchearbeit aussprechen, die dem zugrunde liegt. Der Sportbericht der Bundesregierung hat mir und meinen Mitarbeitern über die Jahre immer dabei geholfen, über die Situation im Sport auf dem Laufenden zu sein und Bilanz zu ziehen. Erwähnen möchte ich, dass sich der Sportbericht über die Jahre entwickelt und zum Positiven verändert hat. Er ist mittlerweile sehr neutral und sachlich, was ich schätze. Perfekt ist er aber noch immer nicht. In zukünftigen Sportberichten der Bundesregierung sollten Probleme in verschiedenen Bereichen deutlich thematisiert und mögliche Lösungsalternativen aufgezeigt werden. Wir Sportpolitiker haben dann zwischen dem einen oder dem anderen zu entscheiden.

Beispielhaft hierfür stehen die Probleme bei der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA), bei der es in kurzer Zeit zu viele Geschäftsführerwechsel gab und die Organisationsstruktur offensichtlich nicht optimal war. Auch die unzulängliche Dopingprävention von der Bundesregierung über die NADA bis zu den Ländern und Verbänden, nach wie vor ein Stiefkind, will ich an dieser Stelle erwähnen. Willensbekundungen alleine reichen nicht aus. Hier muss deutlich mehr kommen, und ich erwarte Vorschläge der Regierung, wie es in den nächsten Jahren weitergehen soll. Auch sollte aufgezeigt werden, wie die Länder, der organisierte Sport und die Wirtschaft besser einbezogen werden können.

Ein anderes Beispiel sind, die Vorgänge in der Sportmedizin in Freiburg, die im Kapitel „Dopingbekämpfung“ beschrieben werden. Es wird erwähnt, dass keine Bundesmittel berührt worden sind, und damit war Schluss. Hier würde ich mir wünschen, dass dort auch steht: Der Fall Freiburg hat gezeigt, dass es strukturelle und diverse andere Probleme gab. Die Politik muss sich nun darüber Gedanken machen, wie sie in Zukunft verhindern kann, dass etwas Ähnliches nochmals geschieht und wie oder welche Kontrollmechanismen eingebaut werden müssen.

Dann die Studie „Kiggs“ zur Fitness und Bewegung von Kindern und Jugendlichen: Anfang 2001/2002 gab es die Überlegung, diese zu unterstützen. Sie ist im Sportbericht auch aufgearbeitet worden, und es wird darauf hingewiesen, dass die Studie abgeschlossen worden ist. Mich interessiert aber auch: Wo und wie geht es weiter? Haben wir als Sportausschuss hierzu einen Handlungsbedarf oder ein eigenständiges Interesse, müssen wir das unterstützen oder überlassen wir das dem Gesundheitsministerium? Ein eigenes Kapitel, in dem alle vier Jahre über den Fitness- und Gesundheitszustand von Kinder- und Jugendlichen berichtet wird, ist wünschenswert.

Insgesamt brauchen wir noch mehr Ehrlichkeit und weniger Schönfärberei. Nur so kommen wir auf Dauer weiter. Vieles ist zwar schon gut oder über die Jahre gut geworden. Aber es gibt weiterhin viel zu tun.

Eine Bemerkung noch zum Kapitel über Sport, Umwelt und Natur. Dieser Bereich ist im Sportausschuss eher nebensächlich, fällt im Sportbericht aber erfreulicherweise relativ ausführlich aus und zeigt, dass im Berichtszeitraum viel passiert ist, was ich ausdrücklich gutheiße. Leider existiert der „Beirat für Umwelt und Sport“ seit einem Jahr nur noch auf dem Papier. Die Bundesregierung hat ihn seitdem nicht mehr einberufen. Dies ist eines der vielen Versäumnisse dieser Regierung. Ich würde gerne wissen, wie ernst man das wirklich nimmt. Wann wird der „Beirat für Umwelt und Sport“ wieder ins Leben gerufen?

Der Sportbericht ist für uns gewissermaßen auch ein Arbeitsbuch mit Aufträgen für die nächsten Jahre. Ich sehe diesbezüglich klare Schwerpunkte weiterhin im Anti-Doping-Kampf. Hier muss unter anderem eine bessere Präventionsstrategie und -praxis erarbeitet werden. Es genügt nicht die WADA-Kriterien formaljuristisch zu erfüllen. Wir wollen den Geist eines sauberen, manipulationsfreien Sports bis in den letzten Winkel der Sportwelt getragen sehen.

Unter Manipulation fällt allerdings nicht nur Doping. Eine bisher stark unterschätzte Gefahr ist der Wettbetrug und die Korruption. Nach Expertenmeinungen haben wir hier bisher nur die Spitze des Eisberges gesehen. Im Vergleich zu anderen Bereichen der Gesellschaft, in denen ähnlich viel Geld bewegt wird, muss man davon ausgehen, dass da noch viel Unentdecktes unter der Oberfläche lauert. Die besonderen Strukturen im Sport – häufig mit alten Seilschaften und engen persönlichen Kontakten der Beteiligten – lassen viel Raum für Fantasie. Immer wieder kommen ja auch Fälle von Korruption und persönlicher Bereicherung ans Tageslicht – in großem Ausmaße bisher vornehmlich im internationalen Bereich. Es wäre jedoch naiv, zu denken, dass wir in Deutschland auf einer Insel der Glückseligen leben. Aus diesem Grund fordern wir in unserem Antrag, in zukünftigen Sportberichten ein eigenes Kapitel mit der Berichterstattung darüber zu machen, was im Bereich der Verbände, von Landesregierungen, Bundesregierung sowie auf internationaler Ebene getan wird, um Korruption und Manipulation zu bekämpfen. Weitere Initiativen in dieser Hinsicht bereiten wir vor. Es wäre auch wünschenswert, von der Bundesregierung Vorschläge in dieser Richtung zu hören. Erfreulicherweise äußerte sich der Vertreter des Bundesinnenministeriums im Sportausschuss äußerst wohlwollend zu unserem Antrag, sodass wir davon ausgehen, dass unsere Anregung aufgenommen wird und im nächsten Sportbericht ihren Niederschlag findet.

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Rede von Winfried Hermann: Aktuelle Stunde “Stuttgart 21″ https://www.winnehermann.de/2010/rede-von-winfried-hermann-aktuelle-stunde-%e2%80%9cstuttgart-21%e2%80%b3/ Thu, 02 Dec 2010 13:08:37 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2580

die Rede:

Vizepräsidentin Petra Pau:

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Hermann das Wort.

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU-Fraktion! Sie haben ausdrücklich angesprochen, wie wir auf den Schlichterspruch von Heiner Geißler reagiert haben. Ich will Ihnen in aller Klarheit sagen: Auch wir schätzen die Leistung des Schlichters Heiner Geißler außerordentlich. Das habe ich ihm auch persönlich gesagt. Daran kann kein Zweifel bestehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das passt aber nicht ganz zusammen! Wieder nicht konsequent!)

Allerdings war diese Schlichtung von Anfang an als Fachschlichtung und nicht als Ergebnisschlichtung gedacht, und es war völlig klar, dass sein Entscheid bzw. seine Empfehlung am Ende nicht bindend sein kann, sondern diese höchstens auf der psychologisch-politischen Ebene für eine weitere Entwicklung sorgen kann; denn er kann keine Entscheidung fällen, deren daraus entstehenden Kosten andere, beispielsweise der Bund, bezahlen müssen. Insofern bleibt die Politik gefragt. Die Politik muss entscheiden.

Wir nehmen den Schlichterspruch von Heiner Geißler ernst. Wir sind enttäuscht, weil wir etwas anderes erwartet hätten. Auch darüber kann überhaupt kein Zweifel bestehen. Aber wenn Sie den Text in voller Länge und genau lesen, dann werden Sie sich wundern. Sie, die für Stuttgart 21 sind, können mit diesem Text nicht glücklich werden. Heiner Geißler hat nicht gesagt, wir müssten Stuttgart 21 bauen, weil das das bessere Projekt sei, sondern deshalb, weil es so weit fortgeschritten sei.

Heiner Geißler hat weiterhin gesagt, er könne Stuttgart 21 nur als Stuttgart-21-plus gutheißen. Zu diesem Plus gehört eine ganze Reihe von bedeutenden Bedingungen. Die erste Bedingung ist: Nur wenn ein Stresstest bestanden wird und der neue Bahnhof 30 Prozent mehr Leistung in den Spitzenzeiten erbringen kann als der bisherige Kopfbahnhof, dann kann er dem Projekt zustimmen. Weitere Bedingungen sind: Nur wenn ein neuntes und ein zehntes Gleis gebaut werden, kann er zustimmen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hat er ausdrücklich so nicht gesagt! Das ist falsch zitiert!)

Nur wenn am Flughafen zweigleisig kreuzungsfrei eingeschleift wird, nur wenn die Gäubahn nicht abgebaut, sondern erhalten und neu eingeschleift wird, nur wenn Barrierefreiheit garantiert wird, nur wenn ein besseres Sicherheitskonzept erarbeitet wird, nur wenn die unterirdischen Sicherheitsstollen barrierefrei sind und man sicher herauskommt, kann er zustimmen. Wenn Sie alle diese Bedingungen erfüllen wollen, dann müssen Sie dieses Projekt zu einem erheblichen Teil neu planen, ein neues Planfeststellungsverfahren beginnen und ganz neue Rechnungen aufmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Patrick Döring [FDP]: Das weißt du jetzt schon alles!)

Es ist keine Kleinigkeit, ein neuntes und zehntes Gleis zu bauen. Alle Experten sagen, dass diese Forderungen in der Summe mindestens 500 Millionen Euro Mehrkosten ausmachen, wahrscheinlich sogar 1 Milliarde Euro.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das sind doch Mondzahlen!)

Wenn man das alles ernst nimmt, dann stellt sich natürlich die Frage: Wer soll das bezahlen? Dann stellt sich auch die Frage: Wird die Bahn, die gesagt hat, dass sie bei 4,5 Milliarden Euro aussteigt, wirklich aussteigen, wenn das Projekt 500 Millionen Euro mehr kostet? Dann reißt sie nämlich die Latte. Wird der Bund bei seiner Aussage bleiben, dass er nicht mehr als bisher zahlt? – Wer soll dann diese Finanzierungslücke schließen?

Kommen wir zur Neubaustrecke. Da sieht es noch schlimmer aus. Bei der Neubaustrecke ist nicht annähernd so gründlich geprüft worden, aber es ist klar geworden, dass ein hohes Kostenrisiko vorliegt. Das trägt alleine der Bund. Der Bundesverkehrsminister weiß ebenso gut wie ich, dass er nicht die 2,8 Milliarden Euro im Etat hat, die jetzt als Kosten für die Strecke anfallen, sondern nur 950 Millionen Euro, die sich auf die 2-Milliarden-Euro-Kalkulation gründen. Die anderen 900 Millionen Euro sind, genauso wie sämtliche Mehrkosten, noch nicht finanziert.

Zusammenfassend muss man sagen: Vieles ist noch nicht finanziert. Das wirft gravierende neue Fragen auf und wird neue Debatten auslösen. Wer jetzt sagt „Wir machen weiter; schön, dass es dieses Schlichtungsgespräch gegeben hat; wir haben gelernt; wir werden es zukünftig anders machen“, der hat eben nicht gelernt. Man muss jetzt ernsthaft eine neue Wirtschaftlichkeitsberechnung durchführen. Dann wird man mit ziemlicher Sicherheit feststellen müssen, dass dieses Projekt nicht wirtschaftlich ist. Es ist und bleibt ein politisch durchgedrücktes Projekt, das aber verkehrlich und wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Bei diesem Projekt handelt es sich um ein Kirchturmprojekt in Baden-Württemberg: Es werden Milliarden eingefordert, ohne dass es für das Gesamtsystem einen Nutzen hat. Wir Grüne sind als Bahnpartei schon immer gegen dieses Projekt gewesen.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Immer dagegen!)

– Ja, dagegen, weil wir für eine bessere Bahn sind; dagegen, weil wir für „oben bleiben“ sind; dagegen, weil wir dieses Konzept für nicht durchführungsfähig halten, weil es nichts taugt und weil es schlechter ist als der Kopfbahnhof. Das ist der Punkt. Wir sind gegen eine verfehlte Planung und für ein besseres Konzept, nämlich für K 21.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist die Dagegen-Partei, jawohl! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Immer dagegen!)

– Im Moment schreien Sie dagegen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir schreien nicht! Wir reden nur laut!)

Noch eine Anmerkung zum Demokratieverfahren. Herr Döring, ich gebe Ihnen in einem Punkt grundsätzlich recht: Es ist völlig aberwitzig, dass wir am Ende eines langen Prozesses solche grundsätzlichen Debatten führen. Das liegt daran, dass unser Planungsrecht vollkommen falsch gewickelt ist. Zukünftig müssen wir bei Großprojekten schon zu Beginn eine offene Debatte führen, alle Alternativen offenlegen, durchrechnen und darüber in der Gesellschaft diskutieren. Dann muss es zur Entscheidung kommen, und dann muss die Finanzierung abgesichert werden. Wenn sich die Bevölkerung dann für ein Projekt entscheidet, dann kann man sich an die Feinplanung begeben und das Planfeststellungsverfahren im Detail angehen. Das wäre der richtige Weg, das wäre die Konsequenz.

Wir brauchen ein anderes Planungsrecht, wir brauchen eine andere Planungskultur, damit wir zukünftig zu einem demokratischen Verfahren bei Groß-, aber auch bei kleineren Projekten kommen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Rede von Winfried Hermann: Elektromobilität und Klimaschutz https://www.winnehermann.de/2010/rede-von-winfried-hermann-elektromobilitat-und-klimaschutz/ Mon, 11 Oct 2010 13:09:52 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2583

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Rede von Winfried Hermann: Aktuelle Stunde “Stuttgart 21″ https://www.winnehermann.de/2010/rede-von-winfried-hermann-aktuelle-stunde-stuttgart-21/ Wed, 06 Oct 2010 14:38:15 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2117

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:

Der Kollege Winfried Hermann von Bündnis 90/Die Grünen ist der nächste Redner.

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Maag hat in ihrer Rede gesagt: Wut und Hass machen blind. – Seit letzter Woche wissen wir, dass auch die Wasserwerfer der Polizei blind machen können.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na ja!)

Ich finde es schon etwas beschämend, wie Sie hier einerseits Betroffenheit signalisieren und auf der anderen Seite nicht bereit sind, wenigstens zu sagen, dass dieser Polizeieinsatz in jedem Fall unverhältnismäßig war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Es ist absolut inakzeptabel, dass man auf friedlich auf dem Boden sitzende junge Menschen und ältere Menschen

(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Kinder!)

Wasserwerfer wie Kanonen draufhält, weil völlig klar ist, dass das zu Verletzungen führt. Wer zu verantworten hat, dass diese Kanonen auf die Menschen gerichtet wurden, der hat billigend in Kauf genommen, dass sie sich schwer verletzen, dass sie unter Umständen ihr Augenlicht verlieren. Es wäre das Mindeste gewesen, was ich erwartet hätte, dass man auch dazu heute etwas sagt und dass die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Ich habe heute von verschiedenen Leuten gehört: Ja, wir haben kommunikative Fehler gemacht. – Das stimmt; aber Sie haben immer noch nicht begriffen, welchen kommunikativen Fehler Sie gemacht haben.

Ich habe vor kurzem beim Umzug eine ganze Kiste Propagandamaterial zu Stuttgart 21 entsorgt. Für kein anderes Projekt ist in den 90er-Jahren so viel Geld ausgegeben worden. Man hat versucht, die Leute mit Werbematerial sozusagen zu überreden und sie propagandistisch zu bearbeiten. Alle Stuttgarter Zeitungen waren Feuer und Flamme und immer für dieses Projekt. Man hat immer positivste Geschichten darüber geschrieben. Erstaunlich nur, dass das nicht verfangen hat. War das ein Kommunikationsproblem? Haben sie die falschen Broschüren geschrieben? Oder könnte es eventuell daran liegen, dass dieses Projekt so grundschlecht ist, dass man die besten Broschüren machen kann und trotzdem jeder merkt, dass es Mist ist?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Man muss kein Bahnexperte sein, um zu erkennen, dass dieses Projekt hochriskant ist und dass nicht besonders einleuchtend ist, dass man die Menschen unter die Erde führt, dass es nicht besonders intelligent ist, dass eine Stadt, die Mittelpunkt einer ganzen Region ist, alles tut und viel Geld dafür ausgibt, dass die Leute möglichst schnell unten durchfahren und nichts von der Stadt sehen. Was für eine absurde Form von Reise- und Bahnpolitik!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das ist die Logik der Geschwindigkeit unten durch. Sie haben nicht erkannt, dass ein Bahnhof wie der Stuttgarter Bahnhof das Zentrum eines integralen Taktfahrplans ist. Das ist das, was wir von einer guten Bahn erwarten: eine gut vernetzte Bahn, eine Bahn für Nahverkehr und für Regionalverkehr. Darum verteidigen die Leute diesen Bahnhof – und nicht, weil sie einfach blind gegen Fortschritt sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Immer wieder behaupten Sie, alle Entscheidungsprozesse wären korrekt abgelaufen. Tausend Debatten, tausend Entscheidungen in allen Parlamenten – alles formal korrekt. Und dann noch die Planfeststellung! Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Erstens reicht es heutzutage nicht aus, nur formal korrekt zu sein. Zweitens war es nicht einmal formal korrekt; denn in keinem dieser Parlamente lagen die ordentlichen Zahlen auf dem Tisch. Auch im Deutschen Bundestag lagen die entsprechenden Gutachten nicht auf dem Tisch.

(Patrick Döring [FDP]: Ist doch schlicht gelogen! – Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Patrick Döring, du warst selber dabei, als vor zwei Jahren im Deutschen Bundestag mit falschen Zahlen diesem Projekt grünes Licht gegeben wurde. Stuttgart 21 und die Neubaustrecke mit falschen, tief gerechneten Zahlen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Zum Planfeststellungsprozess behaupten Sie nach wie vor steif und fest, das wäre alles durch. Es ist nicht durch. Die Neubaustrecke ist überwiegend nicht rechtskräftig planfestgestellt. Nicht einmal Stuttgart 21 ist in allen Bereichen rechtskräftig planfestgestellt. Wenn Sie das Planfeststellungsverfahren wirklich ernst nehmen, dann muss es auch einen Punkt geben, wo es heißt: So geht es nicht.

Heute hat Ministerpräsident Mappus in seiner Rede im Rahmen der Aktuellen Stunde im Landtag von Baden-Württemberg ein putziges Beispiel gebracht. Er hat gesagt: Wo kämen wir denn dahin, wenn einer eine Baugenehmigung hat, einen roten Punkt, in seinem Garten die Bäume fällt – interessant, wie er da den Eigentümer verwechselt –, anfangen will zu bauen, und dann kommt plötzlich eine Demonstration, die das verhindert?

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ein gutes Beispiel!)

Aber wie ist es denn hier? Wir haben keine Baugenehmigung für das ganze Projekt.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Wie bitte? – Patrick Döring [FDP]: Das ist gelogen!)

Es ist doch ungefähr so, als ob jemand im mittleren Stock baut, aber der Keller noch nicht genau geplant ist, es noch keine rechtskräftige Planfeststellung gibt, die Zufahrt für die Tiefgarage noch nicht geklärt ist. Trotzdem fängt man an zu bauen. Das ist Ihre Logik. Die bringt die Leute wirklich so durcheinander, dass sie sagen: Es kann doch nicht wahr sein, dass Politik so denkt und dann noch behauptet, dass das Verfahren korrekt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist das krasse Gegenteil der Fakten!)

Es ist also für die Leute nicht nachvollziehbar. Patrick Döring, dieses Projekt ist nie offen diskutiert worden. Nie ist K 21 offen und alternativ diskutiert worden.

(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ach du liebe Zeit, wo bist du denn gewesen? Das war ein jahrelanger Tiefschlaf! – Widerspruch bei der FDP)

– Nein, dieselben Gutachter, die Stuttgart 21 gemacht haben, haben Sie beim Bund und beim Land als Berater gehabt. Die haben dann gesagt: Das geht nicht, das ist viel zu teuer, das funktioniert nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

– Warum schreien Sie durch die Gegend? Weil Sie es nicht ertragen können.

(Patrick Döring [FDP]: Wir können das gut ertragen!)

Das ist die Wahrheit, die in dieser Geschichte eine Rolle spielt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Du hast geschlafen all die Jahre!)

Offene Debatten, transparente Strukturen, Transparenz der Gutachten, Transparenz der Kosten – wer das alles ausblendet, braucht sich nicht zu wundern, dass Tausende und Abertausende immer wieder auf die Straße gehen.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Zur Transparenz: Können Sie auch mal sagen, welche Trasse Sie wollen?)

Zu guter Letzt. Heute ist viel über die Verantwortung von Ministerpräsident Mappus gesprochen worden. Aber auch Sie haben hier eine Verantwortung als Koalitionsmehrheit; die Bundesregierung hat hier eine Verantwortung. Denn es geht im Wesentlichen um das Geld des Bundes und darum, was der Bund im Schienenbereich überhaupt noch leisten kann. Sie wissen so gut wie ich – jedenfalls diejenigen, die im Verkehrsausschuss sind, wissen es –, dass dieses Projekt zusammen mit der Neubaustrecke mit der Summe von 10, 11 oder noch mehr Milliarden Euro

(Patrick Döring [FDP]: Das sind doch Fantasiebeträge!)

den Schienenverkehrsetat in den nächsten zehn Jahren in unglaublicher Weise plündert, ruiniert,

(Patrick Döring [FDP]: Fantasiebeträge!)

sodass zahlreiche andere, vernünftige Projekte nicht möglich sind. Das ist doch der Grund, warum wir gegen dieses Projekt kämpfen: weil es unglaublich viel Geld kostet und nichts bringt.

(Lebhafter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Fantasiebeträge!)

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Rede zum Haushalt: Einzelplan Verkehr, Bau und Stadtentwicklung https://www.winnehermann.de/2010/rede-zum-haushalt-einzelplan-verkehr-bau-und-stadtentwicklung/ Fri, 17 Sep 2010 17:12:04 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=1954

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident.   Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Wir debattieren heute über die Grundzüge des Haushalts des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.

(Johannes Kahrs (SPD): Genau!)

Eines der Grundprobleme dieses Haushalts   vor allem im Verkehrsbereich   ist, dass wir eine große Lücke haben zwischen den Ansprüchen, die gestellt werden, und den Mitteln, die tatsächlich zur Verfügung stehen.

(Bettina Hagedorn (SPD): Ja!)

Die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit   man müsste eigentlich sagen: zwischen Wahn und Wirklichkeit   ist gewaltig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE))

Schauen wir uns an, welche Kosten im Bundesverkehrswegeplan für den vordringlichen Bedarf vorgesehen sind: im Bereich Schiene noch 35 Milliarden Euro und im Bereich Straße noch 28 Milliarden Euro. Im Schienenbereich stehen uns in den kommenden 5 Jahren aber nur maximal 5 bis 6 Milliarden Euro und im Straßenbereich maximal 10 Milliarden Euro für Neubauinvestitionen zur Verfügung. In dieser Situation hätte ich vom Minister erwartet, dass er sagt: Es ist Zeit zur Einkehr, zum Nachdenken, zum Nachrechnen und auch zur Umkehr. Wir müssen uns von unbezahlbar teuren, nicht durchsetzbaren Projekten verabschieden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig (DIE LINKE))

Das tun Sie nicht. Dazu haben Sie nicht den Mut.

Das ist übrigens der Grund, warum in Stuttgart so viele Menschen Tag für Tag auf die Straße gehen. Sie protestieren nicht, wie die Kanzlerin meint, gegen einen neuen Bahnhof. Nein, diese Menschen fragen sich: Warum wird in Stuttgart ein gut funktionierender Kopfbahnhof nicht einfach bezahlbar und schnell modernisiert? Warum wird er zerstört? Warum wird ein Park für einen unterirdischen Durchgangsbahnhof zerstört,

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Er wird renaturiert!)

der geringere Kapazitäten hat, der schlechter für die Kunden ist, bei dem der Taktverkehr nicht mehr funktioniert, aber richtig teuer ist und nur der Immobilienwirtschaft und den Tunnelbauern nutzt?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN   Norbert Barthle (CDU/CSU): So ein Blödsinn!)

Sie fragen sich: Wie kann es sein, dass sich Politiker in Gremien über Jahre hinweg schöne Zahlen vorlegen lassen und nie kritisch nachfragen? Wie kann es sein, dass ein Gremium wie der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages   Herr Kollege Barthle, Sie waren dabei   die Projekte „Stuttgart 21“ und die Neubaustrecke vor anderthalb Jahren verabschiedet hat, was mit 2,8 Milliarden Euro veranschlagt wurde und inzwischen 4,1 Milliarden Euro kosten soll?

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Wer sagt das?)

Die Neubaustrecke wurde damals mit 2 Milliarden Euro veranschlagt, inzwischen wurde zugegeben, dass es 3 Milliarden Euro sind.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Wer sagt das?)

In einem von uns vorgelegten Gutachten haben wir Ihnen dargelegt, dass es wohl eher 4 oder 5 Milliarden Euro sein werden.

(Norbert Barthle (CDU/CSU): Das war ein bestelltes Gutachten!)

Alles in allem schlucken beide Projekte 10 bis 11 Milliarden Euro. Das ist die Summe, die Sie zum Ausbau des gesamten deutschen Schienengüterverkehrs dringend bräuchten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Diese Art von Geldverschwendung geht den Leuten so was von auf den Keks, in Schwaben ganz besonders.

(Patrick Döring (FDP): Das ist doch schlicht gelogen!)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Hermann, darf Ihnen der Kollege Kalb eine Zwischenfrage stellen?

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne, das verlängert meine Redezeit, und ich kann dann meine Gedanken noch besser ausführen. Vielen Dank.

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Herr Kollege Hermann, würden Sie erstens zugeben, dass es eine klare Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und den übrigen Beteiligten gibt und dass die finanzielle Beteiligung des Bundes seinerzeit auf Vorschlag des damaligen Bundesverkehrsministers Tiefensee

(Johannes Kahrs (SPD): Guter Mann!)

exakt begrenzt wurde und hier keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten sind?

Würden Sie zweitens zugeben, dass Sie die Öffentlichkeit in die Irre führen, weil bei allen Planungen und Kostenangaben der Kostenstand des Jahres 2004 zugrunde gelegt wird und es natürlich eine Eskalation bei der Preisentwicklung gibt?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU   Sabine Leidig (DIE LINKE): „Natürlich“!)

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Tatsächlich wird bei diesen Großprojekten immer mit veralteten Zahlen gerechnet, damit nicht auffällt, wie teuer sie sind.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das ist unverschämt, was Sie hier sagen!   Patrick Döring (FDP): Unglaublich!)

Wir wissen heute zum Beispiel   nach Angaben der Bahn  , dass die Neubaustrecke 3 Milliarden Euro kostet. Das ist exakt das Doppelte von dem, was der Haushaltsausschuss vor anderthalb Jahren  als Verpflichtungsermächtigung beschlossen hat. Bei Neubaustrecken   das wissen Sie so gut wie ich   ist der Bund alleiniger und ausschließlicher Finanzier. Dass Baden-Württemberg dem Bund in diesem Zusammenhang ungefähr 1 Milliarde Euro schenkt, ist eher ein Glück, man könnte auch sagen: Dummheit. Auf jeden Fall muss das nicht geschehen.

Beim Bahnhof ist es das Gleiche. Der Bund wird nicht alleine bezahlen. Alle Beteiligten werden mehr bezahlen. Aber auch hier hat man jahrelang mit falschen Zahlen gerechnet.

(Patrick Döring (FDP): Völliger Unsinn!)

Jetzt komme ich zum Thema Demokratie. Herr Minister, Sie haben gefragt: Was haben diese Leute für eine Demokratieverständnis? Bei den Protesten in Stuttgart höre ich von den Leuten immer wieder, dass sie nicht verstehen können, dass sich gewählte Parlamentarierinnen und Parlamentarier so wenig mit der Frage beschäftigen, was solche Großprojekte wirklich kosten, wie hoch die Baurisiken und die Kostenrisiken sind. Die Leute fragen: Wie kann es sein, dass solche Gremien auf der Basis völlig falscher Zahlen Beschlüsse fassen und diese anschließend noch nicht einmal korrigieren?

(Patrick Döring (FDP): Nur Sie haben die Wahrheit gesagt, oder wie?)

Nach der Haushaltsordnung des Deutschen Bundestages und den darin festgelegten Prinzipien der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit wäre es Ihre Pflicht, diese Beschlüsse von vor anderthalb Jahren komplett infrage zu stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN   Dr. Claudia Winterstein (FDP): Wie war es denn unter Rot-Grün?)

Noch etwas ärgert die Leute. Hier wird so getan, als wären diese Beschlüsse unumkehrbar, als sei von allen zuständigen Gremien längst alles beschlossen. Die Bevölkerung ist nie gefragt worden. Eine Bürgerbeteiligung ist immer abgelehnt worden. Ein Bürgerentscheid ist immer abgelehnt worden. Am Anfang hat man gesagt, dafür sei es zu früh. Später hat man gesagt, es sei zu spät dafür. Abgelehnt worden ist sie immer. Was aber wirklich ärgerlich ist, ist, dass man, obwohl das Projekt „Stuttgart 21“ in wesentlichen Teilen noch nicht rechtskräftig planfestgestellt ist und die Neubaustrecke in fast allen Teilen noch nicht rechtskräftig planfestgestellt ist,

(Patrick Döring (FDP): Das ist doch gut! Dann können sich die Bürger doch noch beteiligen!)

den Bahnhof abreißt und damit Tatsachen schafft. Man will das Projekt durchprügeln, und das stinkt den Leuten. Es stinkt ihnen, dass Sie so tun, als sei über alles geschwätzt worden, als sei alles geregelt, als könne man nichts mehr umkehren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN   Patrick Döring (FDP): Es gibt ein Planfeststellungsverfahren!)

Das ist die Wahrheit, aber die verstehen Sie nicht.

Sie haben gesagt, dass es genügend Möglichkeiten gab, Einfluss zu nehmen.

(Patrick Döring (FDP): Gibt es doch!)

Sie täuschen sich. Ich begleite dieses Projekt seit Anfang der 90er-Jahre. Die Bevölkerung ist nie gefragt worden, ob sie einen neuen Bahnhof haben möchte, ob sie einen Nutzen in diesem Projekt sieht. Sie ist nie gefragt worden. In den allgemeinen Wahlen hat die Bevölkerung der CDU die Mehrheit gegeben. Die Krux an einer allgemeinen Wahl ist nun einmal, dass man nicht über einzelne Punkte abstimmen kann. Viele CDU-Wähler haben Sie zweifellos gewählt, obwohl sie gegen „Stuttgart 21“ waren. Das wird sich ändern. Das werden Sie sehen. Das erkennt man an den aktuellen Umfragen. Ich kann nur sagen: Es ist noch Zeit zum Umdenken. Wir sagen klipp und klar: Es ist höchste Zeit zum Nachdenken und zum Einlenken. Schluss mit den Abrissarbeiten! Moratorium! Die Zahlen müssen auf den Tisch. Wir müssen wissen, was das kostet und welchen Nutzen das wirklich bringt. Es muss auch auf den Tisch, was der Ausstieg kosten würde. Wir brauchen seriöse und ehrliche Berechnungen und keine Mondzahlen.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Hermann.

Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wenn diese Zahlen auf dem Tisch liegen, dann kann die Bevölkerung abstimmen. Entweder Sie machen bei der Volksbefragung und dem Volksentscheid mit oder Sie bekommen bei der Wahl, bei der Sie sowieso dabei sind, die Quittung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

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Protokollrede zu „Erwerb von Zweiradführerscheinen erleichtern“ https://www.winnehermann.de/2010/protokollrede-zu-erwerb-von-zweiradfuhrerscheinen-erleichtern/ Thu, 08 Jul 2010 17:18:08 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=1410 [See image gallery at www.winnehermann.de] zu Protokoll gegebene Rede von Winfried Hermann zu TOP 23, Antrag der Koalition (Bundestagsdrucksache 17/1574) vom 07.07.2010:

„Erwerb von Zweiradführerscheinen erleichtern“

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerne würden wir dem Antrag der Koalition zustimmen, da er bis auf ein wichtiges Detail die 3. EU-Führerscheinrichtlinie angemessen in nationales Recht umsetzt. Auch wir sind der Ansicht, dass der Erwerb von Zweiradführerscheinen für Inhaber eines Führerscheins einer anderen Fahrzeugklasse , die bereits über mehrjährige Fahrpraxis und gute Kenntnisse der Verkehrsregeln verfügen, erleichtert werden kann. Es ist nicht angemessen, dass diese Gruppe mit Fahranfängern gleichgestellt wird.

Leider haben Sie diesem „netten“ Antrag ein pseudonettes Geschenk beigepackt! Sie wollen jungen Leuten bereits ab 15 Jahren den Moped-Führerschein geben. Nach dem Motto „Tun wir der Jugend doch was Gutes“. Aber das ist für die Fünfzehnjährigen und ihre Eltern ein gefährliches Geschenk. Sie machen es, obwohl alle Sicherheitsexperten davon abgeraten haben. Es ist für uns absolut unverständlich, warum Sie die nachdrücklichen Apelle von wichtigen Verkehrssicherheitsexperten und sogar die Ergebnisse der Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen ignorieren. Und das, obwohl das Bundesverkehrsministerium diese Studie doch eigens in Auftrag gegeben hatte und die Ergebnisse keine Zweifel daran lassen, dass es hochgefährlich, ja lebensgefährlich ist, Jugendlichen bereits mit 15 Jahren eine Lizenz zum Schnellfahren zu erteilen.

Sie sind uns die Erklärung noch schuldig, warum Sie bei den motorisierten Zweirädern noch jüngere Menschen unbegleitet mit höheren Geschwindigkeiten losfahren lassen wollen, während wir im Pkw-Bereich beim Begleiteten Fahren erfolgreich einer ganz anderen Philosophie folgen. Und dies gerade, um der Problematik besser gerecht zu werden, dass sich die jungendlichen FahranfängerInnen häufig selbst überschätzen und dazu neigen, in komplexen Situationen unangemessen zu reagieren, weil Ihnen die nötige Erfahrung fehlt.

Sie sagen, sie wollen die Mobilität der jungen Leute befördern, damit sie beispielsweise ihren Ausbildungsplatz im ländlichen Raum besser erreichen können. Dafür gibt es spezielle Angebote, wie den von den Bundesländern bestellten und finanzierten Schulbusverkehr, den öffentlichen Nahverkehr, ein überregionales Radwegenetz und das Mofa. Wenn Sie diese Angebote für unattraktiv und nicht ausreichend halten, dann lassen Sie uns hier ansetzen und gemeinsam bessere Konzepte dafür finden.

Und woher kommt eigentlich Ihr plötzlicher Gesinnungswechsel liebe KollegInnen von der Koalition? Noch im März dieses Jahres auf dem 4. Sachverständigentag des TÜV zum Thema Verkehrssicherheit ging jedenfalls keiner der geladenen Experten aus des Verkehrssicherheitsarbeit, der Politik und der Wissenschaft von einer derartigen Regelung für Deutschland aus.

Es ist schon pikant, dass Sie die Forderung für den Moped-Führerschein ab 15 erst aufgestellt haben, nachdem die Zweiradindustrie im Frühjahr diesen Jahres massiven Druck ausgeübt hat. Die sinkende Verkaufszahlen können doch kein Argument für einen quasi bundesweiten Feldversuch an jungen Leuten sein, wie gestern von Vertreter der Regierungskoalition im Verkehrsausschuss ernsthaft vorgeschlagen wurde. Wollen Sie wirklich erst ausprobieren, ob die Unfallzahlen bei den fünfzehnjährigen Mopedfahrern in Deutschland ebenso drastisch wie in unserem Nachbarland Österreich ansteigen?

Es ist unverantwortlich und zynisch jungen Leuten schon ab 15 Jahre die Lizenz zum Rasen zu erteilen, wenn man weiß, dass diese Altersgruppe schon mit dem Fahrrad und dem Mofa zu schnell fährt, wenn am weiß, dass diese Altersgruppe in der Unfallstatistik eine Hochrisikogruppe ist, weil man in diesem Alter offenbar die Geschwindigkeit und die Risiken unterschätzt und das eigene Vermögen überschätzt

Und deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab, in dem Sie die Regierung auffordern, eine entsprechende gesetzliche Regelung zu machen. In diesem Fall möchten man hoffen, dass die Regierung diesen Antrag ignoriert und auf die Sicherheitsexperten hört. Wir werden jedenfalls alles daran setzen, dass dieser Koalitionsvorstoß nicht Gesetz wird. Wenn Sie nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen, werden wir Ihnen eine Expertenanhörung dazu nicht ersparen.


Lesen Sie hierzu auch den Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 07.07.2010…

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