Feinstaub-Urteil:
Klares Votum gegen das bisherige Nichtstun von Ländern und Kommunen

Das Feinstaub-Urteil von Leipzig ist zu begrüßen, weil es die Städte und Gemeinden nicht nur an ihre Verantwortung mahnt, sondern zur Verantwortung zieht. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte am 27. September 2007 höchstrichterlich entschieden, dass Anwohner von besonders mit Feinstaub belasteten Straßen ihr Recht auf saubere Atemluft gerichtlich durchsetzen können. Kommunen könnten sich nicht auf das Fehlen eines Aktionsplans zur Luftreinhaltung berufen, entschieden die Richter. Sie müssen vielmehr dafür sorgen, dass ein wirksames Aktionsprogramm auch realisiert wird.

Feinstaub belastet die Gesundheit der Anwohner vor allem in den Städten. 65.000 Menschen sterben laut EU-Kommission jedes Jahr allein in Deutschland an den Folgen. Doch anstatt wirksam Maßnahmen für eine bessere Luft zu ergreifen, haben viele Länder und Kommunen zu lange Zeit die Hände in den Schoss gelegt.

Grenzwerte seit fünf Jahren bekannt

Das Recht auf saubere Luft ist schon seit Ende 2005 einklagbar, nachdem die ersten Kommunen Grenzwertüberschreitungen bei Feinstaub an mehr als 35 Tagen vermelden mussten. Denn es findet sich als Bestandteil der 22. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) und der 7. Novelle des BImSCHG seit September 2002 im Bundesgesetzblatt und ist damit Recht und Gesetz.

Mit der 22. BImSchV waren Vorgaben der europäischen Luftqualitätsrahmenrichtlinie sowie der dazugehörigen Tochterrichtlinien in nationales Recht umgesetzt worden. Auch der Termin, an dem der Grenzwert für Feinstaub in Kraft trat, 1. Januar 2005, kam für die Länder und Kommunen nicht überraschend. Die Kommunen waren bereits im Vorjahr verpflichtet, Messungen vorzunehmen, um abschätzen zu können, wo Überschreitungen drohen und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten. Mindestens den für Luftreinhaltung zuständigen Behörden der Länder war seit Jahren klar, was auf sie zukommt.

Instrumentarium war vorhanden

Mit den rot-grünen Vorgaben im Bundesimmissionsschutzgesetz von 2002 und der dazugehörigen Verordnung wurde den Kommunen eine Vielzahl von Instrumenten zur Verfügung gestellt, mit denen sie gegen die Emissionsquellen vorgehen können. So können Genehmigungen von Industrieanlagen grundsätzlich nur erteilt werden, wenn die Grenzwerte in der Nähe der Anlagen eingehalten werden. Auch die Ermächtigungsgrundlagen für Verkehrsverbote oder –Beschränkungen stammen aus dem Regelwerk von 2002. Bis dahin waren Verkehrsbeschränkungen wegen Luftverunreinigungen stets nur symbolische Politik. Wir Grünen haben mit dieser Praxis gebrochen. Rot-Grün hatte im zentralen Regelwerk der Luftreinhaltung, dem Bundesimmissionsschutzgesetz, zwei neue Ermächtigungsgrundlagen für Verkehrsbeschränkungen wegen Luftverunreinigungen geschaffen (§ 40 Abs. 1 und Abs. 2 BImSchG). Damit wurden Kommunen zu Verkehrsverboten und –Beschränkungen ermächtigt, die in Luftreinhalte- oder Aktionsplänen vorgesehen sind und ihnen gestattet unabhängig von den planerischen Instrumenten Verkehrsbeschränkungen und –Verbote zu erlassen, wenn der Verkehr zur Überschreitung von Immissionswerten beiträgt.

Viele Landesbehörden und Kommunen haben zu spät gehandelt

Nach den Feinstaubvorgaben sind die zuständigen Behörden der Länder (Regierungspräsidien oder Landesämter) in Zusammenarbeit mit den Gemeinden in der Pflicht Luftreinhalte- und Aktionspläne zu erstellen und auch zu realisieren. Wenn auch Landesbehörden die Maßnahmen häufig koordinieren und die Pläne an das BMU melden müssen, so sind doch die Bürgermeister von Kommunen und Gemeinden mit dafür verantwortlich, dass die in den kommunalen Gremien abgestimmte Maßnahmenpläne auch in die Tat umgesetzt werden.

Dass die Länder lt. 22. BImSchV Luftreinhaltepläne mit Maßnahmen zur fristgerechten Einhaltung der Grenzwerte vorlegen müssen, bedeutete für die Behörden bedeutete, dass bereits vor dem Inkrafttreten der
Grenzwerte alle Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt der
zeitgerechten Einhaltung der Grenzwerte hätten getroffen werden müssen (von Fahrbeschränkungen bis hin zu Betriebsstilllegungen). Mit der Verabschiedung und Korrektur der Kennzeichnungsverordnung für die Vergabe von Plaketten und die Einrichtung von Umweltzonen sind alle gesetzgeberischen Vorarbeiten geleistet.

Im Jahr 2002 hatte der Umweltausschuss des Bundesrates der 22. BImSchV zugestimmt. Doch schon mit Näherrücken des Termins und
erst Recht aufgrund der Feinstaubmessungen vor 2005 ändert sich die Haltung in vielen Ländern und Kommunen. Es war schnell klar, viele Ballungsräume würden die Grenzwerte reißen. Doch statt sich um wirksame Maßnahmen zu kümmern forderten einzelne Ländern nun eine Revision der EU-Vorgaben. Ziel: Grenzwerte, die man nicht einhalten kann, müssen eben angehoben werden. Es soll nicht außer Acht bleiben, dass viele Länder und Kommunen rechtzeitig Luftreinhaltepläne und Aktionspläne auf den Weg gebracht haben. Man kann sie auf der homepage des Umweltbundesamtes unter www.uballl.de einsehen.

Gleichwohl haben sich viele zu lange mit der Abwehr der Luftreinhaltemaßnahmen und viel zu spät mit der Abwehr der Feinstaubbelastung beschäftigt. Zahlreiche Luftreinhaltepläne wurden gar nicht oder viel zu spät aufgestellt, mancherorts trotz Grenzwertüberschreitungen keine Aktionspläne mit konkreten Maßnahmen entwickelt oder Pläne von den je nach Land unterschiedlich zuständigen Behörden nicht zeitnah geprüft oder freigegeben.

Die Leipziger Richter haben jetzt bestätigt, dass die Anforderungen bei hohen Feinstaubwerten seit Jahren bekannt waren und vielerorts nichts Ausreichendes unternommen wurde. Dieses Urteil ist ein deutliches Signal, an die säumigen Landesbehörden und Kommunen rasch Maßnahmen zur Bekämpfung des Feinstaubs durchzusetzen. Wenn man künftige Prozesse und Niederlagen vor Gericht vermeiden will, dann müssen die Kommunen jetzt endlich handeln. Es ist skandalös, dass Bürger vor Gericht ein Gesetz einklagen müssen, zu dessen Umsetzung die Behörden der Länder verpflichtet sind.


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