Kolumne Schwäbisches
Tagblatt
Tübingen, 20.10.2006
"Große Koalition ganz groß!"
Können Sie sich noch an die Sprüche der CDU-Opposition
vor der Bundestagswahl erinnern? „Die können
es nicht!“ „Die sind zerstritten und blockieren
sich!“ „Die haben kein Konzept gegen Arbeitslosigkeit!“
Ähnlich auch die Presse. Nicht wenige Journalisten
schrieben die Große Koalition geradezu sehnsüchtig
herbei: „Große Herausforderungen können
nur von großen Koalitionen gemeistert werden“.
Entsprechend groß waren die Vorschusslorbeeren.
Nach einem Jahr kann eine erste beeindruckende Bilanz
gezogen werden: Mit der Verfassungsreform haben die
Länder endlich (noch) mehr zu sagen, auch die Kleinsten
wurden in ihrer Eigenständigkeit gestärkt.
Nur böse Zentralisten sprechen von Kleinstaaterei
und davon, dass die eigentlichen Probleme wie Ländergröße
oder Finanzverfassung ausgeklammert wurden.
Auch bei der Gesundheitsreform ging es endlich voran.
Der Gesundheitsfonds ist eine geniale Idee, die Finanzierungsprobleme
unbürokratisch in den Griff zu bekommen. Alle Zwangsversicherten
zahlen in einen Topf und – oh Wunder – die
Finanzprobleme verdampfen sozusagen. Die kleinen Finanzierungslücken
werden mit bescheidenen Zuzahlungen der Versicherten
und durch den Bundeshaushalt ausgeglichen. Der Rest
wird durch eine wirklich kleine Beitragserhöhung
finanziert. Auf ein so cleveres Konstrukt wäre
Rotgrün nie gekommen. Zur Senkung der Lohnnebenkosten
müssen wir halt den kleinen Umweg der Erhöhung
in Kauf nehmen.
Mit einer Fülle von wirksamen Maßnahmen
(ich hoffe, Sie können sich wenigstens an eine
erinnern) wurde auch der Arbeitsplatzabbau gestoppt.
Pleiten, Rationalisierungen und Verlagerung ins „billige“
Ausland gehören der Vergangenheit an. Ohne ideologische
Scheuklappen hat die neue Regierung die Früchte
ihrer Vorgänger angenommen. Das war wirklich anständig.
Auch in der Energiepolitik hat die große Koalition
echte Zeichen gesetzt. Statt – wie Rotgrün
- Gesetze zur Förderung Erneuerbarer Energien aus
purer Ideologie zu machen, setzt die neue Koalition
auf Zeit! Binnen eines Jahres hat sie gleich 2 Energiegipfel
zustande gebracht. Dabei wurde ganz grundsätzlich
über unsere zukünftige Energieversorgung gesprochen.
Bis zum 3.Gipfel im neuen Jahr sollen konkrete Vorschläge
entwickelt werden. Das Tempo ist einfach atemberaubend,
da kommt selbst der Treibhauseffekt ins Stocken. Spannend
ist auch das Dauerringen der Koalition mit sich selbst
und um die Kernkraft.
Besonders stolz ist die Bilanz des Verbraucherministeriums.
Das Verbraucherinformationsgesetz wurde zum Schutz der
Verbraucher vor unangenehmen Wahrheiten entschärft.
So konnten nicht zuletzt die Arbeitsplätze im boomenden
Gammelfleischbereich erhalten werden. Mutig hat Seehofer
immer wieder seine Stimme erhoben und die Fleischwirtschaft
aufgefordert, die Gesetze einzuhalten.
Man könnte die Liste mutiger Maßnahmen noch
lange fortsetzen. Fazit: Die Große Koalition hat
im 1.Jahr dermaßen viel erreicht, dass man fürchten
muss, sie hält dieses Tempo nicht durch. Dass in
den Medien die Kritik an ihr wächst, finde ich
ziemlich undankbar.
zurück...
|