Kolumne Schwäbisches
Tagblatt
Tübingen, 22.09.2006
"Doping – Handeln statt Schwätzen"
Vielleicht sind Sie ja auch Sportfan. Fußball,
Radsport, Leichtathletik oder Skisport. Vielleicht freuen
Sie sich auch auf spannende Wettkämpfe, überraschende
Ergebnisse und tolle sportliche Leistungen. Vielleicht
treiben Sie selbst Sport, auch um Ihre eigene Leistung
zu steigern. Vielleicht laufen Sie übermorgen auch
beim Stadtlauf mit.
Nachrichten über Blutbeutel, Spritzen und Urinproben
hören sich da irgendwie unangenehm an. Sie klingen
nicht nach ästethischer Leistung, erst recht nicht
nach sportlichem Fair play. Aber fest steht: Im scheinbar
ethisch so sauberen Sport werden heute immer mehr Sieger
als Betrüger entlarvt. Über Sieg und Platzierung
im Wettkampf entscheiden nicht mehr allein besseres
Training, klügere Renntaktik und aktuelle Tagesform,
sondern immer häufiger lange vorbereitetes Doping.
Berechtigterweise wächst also die Vermutung, dass
viele Dopingsiege bis heute unentdeckt sind.
Die Suspendierung von Rad-Star Jan Ullrich war bisheriger
Höhepunkt einer Entwicklung, die lange Zeit nur
Randthema in der Sportberichterstattung war. Zum ungelösten
Dopingproblem im Sport kommt noch eine zweite Komponente
hinzu: die Verdrängung des Problems in den Medien.
Wie die Sportsender ARD und ZDF in den vergangenen Jahren
über die Dopingproblematik insgesamt berichtet
haben war kein Ruhmesblatt. Zu viele Sportjournalisten
und vermeintliche Experten haben den Eindruck erweckt,
sie seien immer ganz nah dran am Sportler. Wenn dann
die Radrennställe aufgeflogen sind oder die Rekorde
wegen Dopings wieder aus den Rekordlisten gestrichen
wurden waren die Journalisten merkwürdig ruhig.
Hochglanzberichterstattung ja, Dopingberichte nein.
Ein sog. „Quotenkiller“ durfte offensichtlich
nicht ins Haus kommen.
Die aufgedeckten Dopingpraktiken in Spanien haben Bewegung
in die Diskussion um wirkungsvolle Gegenmaßnahmen
von Sport und Staat gebracht. Andere Länder sind
mit ihrem Vorgehen gegen die Dopingpraxis inzwischen
deutlich weiter als Deutschland. Was die spanischen
Ermittlungsbehörden an illegalen Praktiken offen
gelegt haben reicht bis nach Deutschland. Klar ist,
dass das kriminelle Dopingnetzwerk von Spanien aus aufgebrochen
wurde, während in Deutschland die Mittäter
aufgrund der unklaren Rechtslage ruhig vor sich hin
arbeiten konnten. Dabei können längst keine
Unterscheide mehr zwischen kriminellem Sportlerumfeld
und dem Sportler selbst gemacht werden.
In Deutschland bewegt sich der Staat bei seinem Beitrag
zur Dopingbekämpfung weiter auf dünnem rechtlichen
Eis. Denn bei uns bleiben dopende Sportler von der Strafverfolgung
ausgenommen; Staatsanwaltschaften und Zoll haben nur
wenig Handhabe gegen Anwendung und kriminellen Handel
vorzugehen. Deswegen muss der zuständige Bundesinnenminister
noch in diesem Herbst einen Gesetzentwurf vorlegen.
Nächste Woche beschäftigt sich der Sportausschuss
erneut damit, wie man Doping wirksam bekämpfen
kann. Ich kämpfe seit Jahren für schärfere
gesetzliche Regelungen und für einen dopingfreien
Sport. Nach dieser Anhörung wird es wirklich höchste
Zeit, dass den wortreichen Klagen über Doping gesetzgeberisches
Handeln folgt. Die Große Koalition muss sich endlich
bewegen.
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