Kolumne Schwäbisches
Tagblatt
Tübingen, 31.03.2006
Wahl-Nicht-Beteiligung
Baden-Württemberg hat gewählt und wir Grüne
haben gewonnen. 11.7%: Ein tolles Ergebnis mit satten
Zuwächsen. Die Landtagsfraktion wurde deutlich
gestärkt. Sie wird nun mit fast doppelt so vielen
Abgeordneten in den neuen Landtag ziehen. Wir sind drittstärkste
Kraft, in manchen Wahlkreisen haben wir gar die SPD
hinter uns gelassen und stehen an 2.Stelle. So wie im
Wahlkreis Tübingen.
Baden-Württemberg hat gewählt und wir Grüne
sind belohnt worden. Belohnt für einen großartigen
Wahlkampf mit riesigem Engagement und viel Phantasie.
Belohnt für eine gute Politik in den vergangenen
Jahren. Belohnt für einen Wahlkampf, der im Gegensatz
zu dem der anderen Parteien, klare Themen und Konzepte
zu bieten hatte: Energiepolitik, Bildung, ökologische
Modernisierung, Gentechnik…Wir haben konsequent
auf (landespolitische)-Themen gesetzt und gewonnen.
Und das auf ganzer Linie. Denn während der „Wahlsieger
CDU“ absolut an Stimmen verloren hat, haben wir
Grüne nicht nur prozentual, sondern auch absolut
zugelegt.
Gemessen an der Wahl-Nicht-Beteiligung haben wir aber
alle irgendwie verloren, denn stell dir vor, es sind
Wahlen und keiner geht hin….
Baden-Württemberg hat gewählt und gerade
mal die Hälfte der Wahlberechtigten sind überhaupt
zu den Wahlurnen gegangen. Das tut weh. Und wir werden
nicht umhin kommen, uns zu fragen: warum, wieso, weshalb?
Ebenso wichtig aber scheint die Frage, was wir tun müssen,
damit wir vor allem für junge Menschen Politik
wieder schmackhaft machen. Was müssen wir tun,
damit Menschen sich wieder engagieren, mindestens aber
wählen gehen.
Der Mangel an strittigen Themen und echten Gegnern,
der wahrscheinliche Sieg der Regierungspartei und die
wenig überzeugende Herausforderin seien Gründe
für die Wahlmüdigkeit in Baden-Württemberg.
So konnte man es in allen Zeitungen lesen. Die scheinbare
Zufriedenheit mit der Großen Koalition in Berlin
habe viele von den Wahlurnen fern gehalten. Die allgemeine
Kritik an Politikern und der Politik an sich nach dem
Motto: Die machen sowieso was sie wollen und haben den
Boden unter den Füßen verloren, lässt
den/die ein/e oder andere/n frustriert zurück und
scheint den Gang an die Wahlurne überflüssig
zu machen.
Und in der Tat müssen auch wir Politiker uns durchaus
an die eigene Nase fassen. Nicht immer erscheint Politik
wirklich volksnah und im Moment ist vor allem die Schmuseregierung
in Berlin mehr denn je gefragt die großen Themen
endlich anzupacken: Förderalismusreform, Gesundheitsreform,
Bildungsreform, kreative Arbeitsmarktpolitik und vieles
mehr. Und wer wenig Mehrwertsteuer im Wahlkampf propagiert
und dann in der Regierungsverantwortung satte 3% zulangt,
kann kaum überrascht sein, wenn die Glaubwürdigkeit
angekratzt ist.
Wenn es nicht gelingt, die Menschen zu überzeugen,
dass Politiker nicht um ihrer selbst Willen in Regierungen
und Oppositionen agieren, dann müssen wir uns nicht
wundern, wenn wir keine Menschen mehr mobilisieren.
Umgekehrt muss aber auch klar sein: Wer nicht wählen
geht, der überlässt Politik, Entscheidungen
und Einflussmöglichkeiten genau denen, denen man
angeblich einen Denkzettel verpassen wollte, in dem
man nicht wählt. Nicht nur die Politik muss sich
ändern, auch WählerInnen müssen sich
bewegen. Die Schelten auf Politik und PolitikerInnen
ist billig, zu billig. In der Demokratie sind nicht
nur die PolitikerInnen, sondern auch WählerInnen
verantwortlich für (bessere) Politik und Beteiligung.
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