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Kolumne Schwäbisches Tagblatt

Tübingen, 03.02.2006

Die Gesinnungs-Connection: Sind Sie richtig Deutsch?

Es steht doch wohl außer Frage, dass Einbürgerungswillige die deutsche Verfassung und ihre Grundwerte anerkennen, verstehen und leben müssen. Und selbstverständlich müssen sie nicht nur ausreichend Deutschkenntnisse mitbringen, sondern auch ein Grundverständnis für die Regeln des demokratischen Rechtsstaates. Wer sich einbürgern lassen will, der muss heute schon das Grundgesetz anerkennen. Wenn Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestehen, wird der Verfassungsschutz herangezogen. Baden-Württemberg hält als einziges Bundesland zusätzlich einen Gesinnungstest für notwendig. Wer sich den Fragenkatalog zu Gemüte führt, wird schnell feststellen, dass die Fragen unsinnig und dumm, diskriminierend und integrationsfeindlich, lächerlich und peinlich zugleich sind.

Eigentlich prüft der „Gesprächsleitfaden“ weder Einbürgerungswillen noch Verfassungstreue, er zielt eher auf Fragen nach der Lebensart der Menschen ab und stellt unzulässige Fragen über das Privatleben. Etliche Fragen betreffen die Intimsphäre und den Bereich der privaten Lebensgestaltung; Dinge, die den Staat schlichtweg nichts angehen. Andere Fragen verletzen den liberalen Geist jener Verfassung, die der Gesinnungstest gerade absichern soll.

Wieder andere Fragen sind einfach dumm, oder glauben die Väter dieses Tests ernsthaft, dass ein Mensch mit terroristischen Absichten, öffentlich erklärt, dass Frauen Männern zu gehorchen haben, dass er seine Frau schlägt und seine Tochter zu Hause einschließt, während er die schlechteste Regierungsform (die Demokratie) über sich ergehen lässt? Oder ist es nicht eher die deutsche Gesellschaft, die über die Akzeptanz homosexueller Politiker diskutiert als einbürgerungswillige Muslime? Da wäre es doch einfacher, direkt zu fragen: Sind sie eigentlich Terrorist?

Der Gesinnungstest schafft ein Klima des Misstrauens gegenüber angeblich demokratieresistenten Muslims. Die Erfahrung mit dem Radikalenerlass hat gezeigt, dass einer ganzen Generation misstraut wurde, die dann auch auf Distanz zum ausgrenzenden Staat ging. Linke Gesinnung und Terrorismus konnten so auch nicht bekämpft werden.

Gerade durch die pauschale Unterstellung antidemokratischer Gesinnung gegenüber allen Muslimen entfernt sich Baden-Württemberg selbst vom Boden der Verfassungsmäßigkeit. Die Landesregierung tut zwar so, als käme der ominöse Fragebogen nur bei Verdacht zur Anwendung. Tatsächlich war er jedoch für alle Einbürgerungswillige mit islamischen Glauben gedacht, wie interne Verweise belegen. Unser Staat ist ja eben keine Gesinnungsgemeinschaft, die individuelle Meinungsfreiheit ist grundrechtlich geschützt. Ausgerechnet zur Prüfung der Verfassungstreue wird ein Test gewählt, der selber den Prinzipien der Verfassung entgegensteht. Der große Unterschied zwischen einem demokratisch-liberalen Restsstaat und einer Diktatur ist doch, dass Demokratie Meinungsfreiheit erlaubt und rechtsstaatliches Verhalten erwartet. Diktaturen sanktionieren v.a. Gesinnung, positiv und negativ. Wenn die Gesinnung stimmt wird das Recht auch mal gebogen.

Der Gesinnungstest kreiert Feindbilder, wo ein Dialog notwendig wäre. Er ist kein Beitrag zur Integration, sondern zur Diskriminierung.

Der Gesinnungstest gehört eingestampft. Stattdessen brauchen wir eine umfassende Integrationspolitik, die allen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, sowie eine ernsthafte gemeinsame Debatte mit MigrantInnen über Grundwerte und Grundrechte in dieser Gesellschaft. Eine lebendige Demokratie braucht demokratisches Bewusstsein und Engagement von möglichst vielen BürgerInnen.


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