Kolumne Schwäbisches
Tagblatt
Tübingen, 17.06.2005
Die letzten (Sitzungs-)Tage
Es ist schon verrückt: Die Vertrauensfrage ist
noch nicht gestellt und der Bundestag noch nicht aufgelöst,
und doch läuft bereits alles so, als wären
diese Sitzungstage im Bundestag die letzten vor der
Neuwahl im September. Die überraschende Ansage
des Kanzlers hat in kurzer Zeit neue Fakten geschaffen.
Es führt kein Weg zurück. Das Parlament versucht
einen halbwegs geordneten Abschluss zu schaffen.
Im Parlamentarischen Beirat für Nachhaltige Entwicklung
z.B. müssen zentrale Zukunftsvorhaben wie „Demografischer
Wandel und Infrastruktur“ oder „Generationengerechtigkeit“
bedauerlicherweise Weise abgesagt werden. Wir versuchen
wenigstens für den nächsten Bundestag eine
Empfehlung auszusprechen. Doch ein fraktionsübergreifendes
Votum wird angesichts des beginnenden Wahlkampfes schwierig.
Im Umweltausschuss müssen die meisten der rund
30 Gesetzgebungsverfahren, die noch auf unserer Arbeitsliste
standen, abgesagt werden. Darunter fällt auch das
Fluglärmgesetz, das endlich mehr Lärmschutz
für die geplagten Flughafenanlieger bringen sollte.
Da ist man froh über alles, was man schon durchgebracht
hat: Hochwasserschutz, Strategische Umweltverträglichkeits-prüfung
etc. – alles gegen die Union. Behandelt wird jetzt
nur noch das Dringlichste, v.a. Gesetze und Verordnungen,
die nicht umstritten sind. Dass sich diese Woche Bundestag
und Bundesrat im Vermittlungsausschuss noch auf ein
neues Energiewirtschaftsgesetz (das bringt mehr kontrollierten
Wettbewerb) und ein Umgebungslärmgesetz verständigt
haben, ist eine schöne Überraschung. Denn
im Großen und Ganzen bedeutet das vorzeitige Ende
des Parlaments Stillstand. Die Sitzungen der Ausschüsse
werden kürzer:“ Abstimmen – ohne Debatte“
wird zur Regel. Die Lust auf (wirkungslose) Debatten
schwindet sichtbar. Die Abgeordneten haben andere Sorgen.
Während die einen fröhlich den vorzeitigen
Abschied vorbereiten, schleppen andere sich in Ungewissheit
über die eigene politische Zukunft über die
letzte Runde. Wieder andere beschäftigen sich schon
mit der Nominierung und der Listenaufstellung. Und nicht
wenige träumen sichtbar von neuen Regierungsämtern.
Dazwischen laufen aufgeregt neugierige JounalistInnen,
die der letzten Personalitystory oder neuesten Spekulationen
hinterher jagen. Sie berichten über eine Endzeit-stimmung,
die sie selbst täglich herbei schreiben. Dabei
ist viel Aufbruch spürbar.
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