Kolumne Schwäbisches
Tagblatt
Tübingen, 04.03.2005
Vergessene Kleinteile: Feinstäube
und Rußpartikel
Die Luftqualität in Tübingen soll verbessert
werden. Dafür erarbeitet das Regierungspräsidium
zusammen mit der Stadt Luft-Reinhaltepläne. So
stand es vor wenigen Tagen in dieser Zeitung. Na endlich!
Da lese ich von richtig guten Ideen: Nachrüstung
von Fahrzeugen, Verlagerung von Verkehrsflüssen
und „intelligenten Ampelregelungen“. Sollten
unsere Forderungen, die wir seit Jahren gebetsmühlenartig
vortragen, am Ende Früchte tragen? Die Bundesländer
sind bereits seit 2003 aufgefordert, Luftreinhaltepläne
mit Maßnahmenpaketen zu entwickeln. Es wird also
langsam Zeit, denn wir reden hier von gefährlichen
Kleinteilen, die auch den TübingerInnen zu schaffen
machen. Feinstäube aus Industrieanlagen und Dieselauspuffrohren
sind das zentrale Problem der Luftverschmutzung in ganz
Europa. Während die traditionellen Luftschadstoffe
wie Stickoxid, Schwefeldioxid oder flüchtigen Kohlenwasserstoffe
inzwischen durch zahlreiche Maßnahmen wie z.B.
KAT, Entschwefelung des Benzins etc. um rund 2/3 reduziert
wurden, bedrohen vor allem Feinstäube die Luftqualität.
Rußpartikel aus Auspuffrohren sind inzwischen
winzig klein und nicht mehr sichtbar, aber nicht weniger
gefährlich. Ganz im Gegenteil: Diese Partikel setzen
sich in der Lunge fest, können zu unterschiedlichen
Krankheiten wie z.B. Lungenkrebs führen. WHO und
EU weisen schon lange auf diese Problematik hin. Das
Ergebnis der aktuellsten EU-Studie zum Feinstaub besagt,
dass rechnerisch jährlich bis zu 65 000 Menschen
allein in Deutschland frühzeitig sterben, weil
sie zu viele dieser mikroskopisch kleinen Partikel eingeatmet
haben.
Seit Anfang 2005 gelten nun europaweit verbindliche
Grenzwerte für Feinstäube.
Der Jahresmittelwert darf 40 µg/m³ (Mikrogramm
pro Kubikmeter) nicht übersteigen oder der Tagesmittelwert
von 50 µg/m³ darf an max. 35 Tagen im Jahr
nicht überschritten werden. In vielen Städten
bzw. Ballungsgebieten, gerade auch in Baden-Württemberg,
werden diese Grenzwerte bereits im 1. Drittel dieses
Jahres überschritten werden. Selbst in Tübingen
hat man vor allem mit dem Tagesmittel-Grenzwert Probleme.
Doch hier wie anderswo hat man das Thema bislang eher
verdrängt. Baden-Württemberg hat sogar versucht
über den Bundesrat eine Initiative zu starten,
dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene für
die Korrektur der Grenzwerte einsetzen soll, weil diese
nicht einhaltbar seien. Was für ein verqueres Verständnis
von politischer Verantwortung! Weil man nichts getan
hat, sollen die Grenzwerte nach unten, also der eigenen
schlechten Politik angepasst werden.
Um so mehr freut es mich, dass man jetzt umdenkt. Die
genauen Reinhaltepläne sind noch nicht bekannt.
Es wird eine Debatte geben, ob sie sinnvoll und wirksam
sind. Von kurzfristigen Fahrverboten halte ich wenig,
wohl aber etwas von Fahrverboten für alte Stinker
und Dieselfahrzeuge ohne Rußfilter, besonders
in Zonen, in denen die Grenzwerte für Feinstäube
sonst nicht eingehalten werden können. Ich wiederhole
hier auch gerne nochmals unser Angebot für eine
rasche steuerliche Förderung von Rußpartikelfiltern
bei Dieselfahrzeugen: 350 € für Neufahrzeuge,
250 € für die Nachrüstung von alten Fahrzeugen,
spätestens ab 2006, möglichst rückwirkend
für 2005.
Übrigens: Wem es stinkt, der kann sich wehren.
AnwohnerInnen von besonders belasteten Straßen
haben das Recht, die Einhaltung der Grenzwerte einzuklagen,
wenn die zuständigen Behörden untätig
sind. Saubere Luft wird also einklagbar. Sie als TübingerInnen
sollten ruhig ein Auge auf die versprochenen Maßnahmen
haben.
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