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Kolumne Schwäbisches Tagblatt

Tübingen, 26.11.2004

Deutscher Umweltföderalismus in Europa

Ob Hochwasserschutz, Lärmbekämpfung, Luftreinhaltung oder Umweltverträglichkeitsprüfung – dringend notwendige Gesetzgebungsverfahren im Umweltbereich werden ständig vom Bundesrat aufgeschoben und blockiert. Die Beschlüsse des Bundestages werden oft bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die Mehrheit der CDU-geführten Länder nutzt die verfassungsmäßig gegebenen Rechte der Länderkammer, am Gesetzgebungsverfahren mitzuwirken, weidlich aus. Inzwischen spielen auch SPD-geführte Länder wie Rheinland-Pfalz oder Brandenburg bei diesem Politpoker macht- und interessensbewusst mit. Wenn sich auch nur ein Bundesland der so genannten A-Seite (SPD-geführte) auf die B-Seite (CDU-geführte) schlägt oder nur damit droht, ist die Bundestagsmehrheit ausgebremst. Denn diese (drohende) 2/3 Mehrheit im Rat kann vom Bundestag nur noch mit 2/3 Mehrheit des Parlaments zurückgewiesen werden. Die Kanzlermehrheit, mit der die Einsprüche des Bundesrates normalerweise zurückgewiesen, d.h. letztlich überstimmt werden, reicht da nicht mehr aus. So kommen vor allem im Umweltbereich immer öfter Vermittlungsverfahren ins Spiel, in denen zwischen Bundestagsmehrheit und Bundesratsmehrheit (nicht öffentlich) vermittelt wird: Die Gesetze des Bundestages werden in Arbeitsgruppen entlang der Länderänderungsanträge umverhandelt. Aus Koalitionskompromissen werden Allparteienkompromisse, die dann durch den Vermittlungsausschuss abgesegnet, wieder in den Bundestag und Bundesrat gehen. Dort werden sie formal durchgestimmt. Das ganze Verfahren ist unglaublich langwierig, intransparent und häufig nicht sachdienlich. Heraus kommen Kompromisse, die nur noch schwer nachvollziehbar sind. So verschwindet Umweltpolitik in weiten Teilen in nichtöffentlichen Entscheidungsverfahren. Und wo die Umweltpolitik wirklich öffentlich ist, im Bundestag, wird sie zunehmend bedeutungslos, weil jeder weiß, dass der Gesetzgeber Bundestag bei diesen Mehrheiten im Bundesrat, nicht wirklich entscheidet.

Zu dieser national schon schwierigen Situation kommt hinzu, dass wir in Umweltfragen in aller Regel europäische Vorgaben (Richtlinien, die europäische Rahmengesetze oder Verordnungen, die unmittelbar geltendes Recht sind) haben, die wir in nationales Recht umsetzen müssen. Das europäische Gesetzgebungsverfahren geht fast allen deutschen Verfahren voraus und dauert in der Regel 5 Jahre und mehr. Die Bundesebene schafft die Umsetzung in 1-3 Jahren. Die Bundesländer machen dann in weiteren 1-5 Jahren ihre 16 Ländergesetze. Diese Kompetenzverteilung führt dazu, dass wir zu Problemlösung im Umweltbereich alles in allem rund 10 Jahre (plus/minus) brauchen. Viel zu lange!

Um Missverständnissen vorzubeugen: Dass wir in Umweltfragen EU-Vorgaben haben, macht im gemeinsamen Markt absolut Sinn. Wenig sinnvoll und nicht europatauglich ist hingegen der deutsche Umwelt-Föderalismus. Das umständliche deutsche Gesetzgebungssystem führt uns regelmäßig an den Rand eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil wir, d.h. oft die Bundesländer, eine fristgerechte und den Richtlinien entsprechende gesetzgeberische Umsetzung nicht schaffen (wollen).

Zurzeit wird im Rahmen der Förderalismusreform u.a. über eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verhandelt. Dabei geht es auch um die Frage, wie kann das Umweltrecht einfacher und einheitlicher werden. Nach meinen Erfahrungen ist es zwingend, dass wir die Bundeskompetenzen stärken, um endlich ein einheitliches Umweltgesetzbuch für Deutschland schaffen zu können. Das wollen inzwischen alle. Nur ohne Abgabe von Länderkompetenzen im Umweltbereich lässt sich das nicht realisieren. Im Interesse von Umwelt- und Naturschutz und zum Wohle der Menschen ist eine Auflösung der föderalen Blockade durch neue transparente Kompetenzverteilung überfällig. Die Bundeskompetenz muss nicht überall, aber im Umweltbereich dringend gestärkt werden.


Wahlkreisbüro Winfried Hermann
Rümelinstraße 8
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