Kolumne
Schwäbisches Tagblatt
Tübingen, 14.05.2004
Die Besten nach Europa - Der Umwelt
zuliebe
„Jeder Opa geht nach Europa“ –
hieß es mal abfällig. Aber die Zeiten sind
längst vorbei, als man diejenigen PolitikerInnen
nach Europa abgeschoben hat, die man anderswo nicht
mehr brauchte. Das Europaparlament hat sich gemausert
zu einem wichtigen Mitentscheidungsort. Europapolitik
wird immer interessanter und einflussreicher. Immer
mehr Entscheidungen werden dort getroffen. Viele Richtlinien
(= europäische Rahmengesetze) haben erhebliche
Auswirkungen auf unsere Politik und die Umwelt. Etwa
80% der in Deutschland bestehenden Umweltgesetze gehen
inzwischen auf Vorgaben aus Brüssel zurück.
Angesichts der jüngsten Erweiterung der EU rückt
die Umweltpolitik noch mehr in den Mittelpunkt des Interesses.
Denn so sehr ich friedenspolitisch die Vergrößerung
der EU begrüße, so sehr bin ich mir auch
darüber bewusst, welche Herausforderung auf die
Umweltpolitik zukommt. Es wird lange dauern, bis die
10 neuen Mitgliedsstaaten mit ihren erheblich geringeren
ökologischen Standards auf dem Niveau der 15 alten
Länder angekommen sein werden. Umso wichtiger ist
eine starke grüne Fraktion, die den Umweltschutz
entschlossen europaweit vorantreibt.
Ich möchte zwei wichtige umweltpolitische Entscheidungen
beispielhaft nennen, die wir schnellstens europaweit
angehen müssen:
Inzwischen ist klar, dass die Feinstpartikel im Dieselruß
erhebliche Krebsrisiken mit sich bringen. Einige Hersteller
haben dagegen einen Rußfilter entwickelt, andere
zögern, das technisch Mögliche zum Schutz
des Menschen zu tun. Die Grenzwerte für den Ausstoß
von Rußpartikeln müssen verschärft werden
im Rahmen einer neuen Abgasnorm „Euro-5“.
Das bedeutet, dass ein Rußfilter auch gegen den
Widerstand der deutschen Automobilindustrie (vor allem
VW) schnell durchgesetzt werden muss.
Höchste Eisenbahn ist auch für eine neue
Chemikalienverordnung
– dem REACH-System, dass eines der größten
umweltpolitischen Projekte der EU ist. Dabei soll die
Registrierung, Bewertung, Genehmigung und Einschränkung
bei Chemikalien neu geregelt werden. Hintergrund sind
die erheblichen Gesundheitsrisiken, denen wir täglich
ausgesetzt werden, weil wir ständig synthetischen
Chemikalien überall, auch in normalen Haushaltsgegenständen
ausgesetzt sind: In Spielsachen, Möbeln, Kleidung
oder Fernsehgeräten. Viele giftige und z. Teil
hormonell wirkende Stoffe lösen u.a. Allergien
aus. Eine Reform des Chemikalienrechts ist also überfällig.
Doch die Chemielobby bekämpft diese Pläne.
Angesichts des Nutzens schier unvorstellbar: Die geschätzten
Kosten für die chemische Industrie für REACH
würden rund 191 Mio. € (ca. 0.05 % des Umsatzes)
betragen. Dem gegenüber steht der Schutz des Menschen
und der Umwelt. Der deutsche Sachverständigenrat
für Umweltfragen geht von mindestens 29 Mrd. €
Ausgaben für Allergien in Europa aus. Die Nutzenseite
verzeichnet also schnell ein Plus, vor allem wenn man
die erheblichen Verbesserungen des Gesundheitsschutzes
durch verbesserte Chemikalienüberwachung an sich
hinzurechnet. Derzeit liegt ein Verordnungsentwurf vor,
der weit hinter die ursprünglichen Ideen gefallen
ist, weil die Industrie ihn verwässert hat. Das
neue Parlament muss nachbessern!
Die Herausforderungen an die künftigen Europaparlamentarier
sind also groß. Wir schicken die besten Leute
nach Europa. Der Umwelt zu Liebe.
Wahlkreisbüro Winfried Hermann
Rümelinstraße 8
72070 Tübingen
Tel: 0 7071/ 252757
Fax: 0 7071/ 252559
Email: winfried.hermann@wk.bundestag.de
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