home (zurück zur Startseite)

Financial Times Deutschland 20.3.2003:

Fischer warnt vor US-Vorherrschaft


Im Bundestag haben Kanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer die US-Angriffe gegen Irak kritisiert. Nur die Union stellte sich erneut hinter die Politik von US-Präsident George W. Bush.

Die Bundesregierung und die Koalitionsparteien haben den Irak-Krieg verurteilt und ein rasches Ende der Kämpfe gefordert. Schon kurz nach dem Beginn der Angriffe forderte die Bundesregierung die Kriegsparteien zum Verzicht auf Massenvernichtungswaffen auf.

Der Bundestag verschob seine Haushaltsberatungen und debattierte im Plenum und in Sondersitzungen der Fraktionen über den Irak-Krieg. SPD, Grüne und FDP kritisierten den militärischen Alleingang der USA. Die Union stellte sich hinter die Politik der Vereinigten Staaten.

Nach Angaben von Teilnehmern sagte Schröder in einer Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am Donnerstag, die Bundesregierung sei gegen den Krieg. Voraussichtlich am frühen Abend wolle sich Schröder in einer Fernsehansprache an die Bevölkerung wenden, hieß es.

Fischer fordert starke Uno

In seiner Bundestagsrede sagte Außenminister Joschka Fischer, dass es eine friedliche Alternative zu einem Krieg gegeben hätte, um Irak zu entwaffnen. Nur die nötige Zeit habe gefehlt. Es seien "eine bittere Nachricht", von dem Vorgehen der USA zu erfahren, "denn Krieg ist die schlechteste aller Lösungen". Fischer warnte vor einer von den USA dominierten neuen Weltordnung. "Wir wollen eine multilaterale Weltordnung auf kooperativer Grundlage", sagte er. "Wir wollen starke Vereinte Nationen." Die Fraktions-Chefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte, man sei in Gedanken auch bei der Bevölkerung der USA: "Die Freundschaft unserer Völker steht nicht in Frage."

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering sagte im Plenum, die Lehre aus dem Militäreinsatz müsse auch sein zu klären, wie die Völkergemeinschaft künftig mit dem Gewaltmonopol umgehe. "Die Menschen in Deutschland haben Angst", sagte Müntefering - die Älteren aus Erfahrung, die Jüngeren, weil sich "der Stärkste durchsetzt und nicht das Recht".

Rot-grüner Streit vorerst beigelegt

Ein Streit innerhalb der rot-grünen Koalition konnte vorerst beigelegt werden. Der Vize-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Christian Ströbele, hatte den US-Angriff auf Irak als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg bezeichnet. Deshalb sei es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn die Bundesregierung den USA Überflugrechte gewähre oder ihre Anlagen in Deutschland sichern lasse. Der Grünen-Abgeordnete Winfried Hermann hatte gedroht, wegen der Überflugrechte vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen, scheiterte aber an der Fraktionsmehrheit. "Als Einzelner kann man nicht das Bundesverfassungsgericht anrufen, das können nur Fraktionen", sagte Hermann am Donnerstag der Financial Times Deutschland in Berlin. "Ich habe in der Fraktionssitzung dafür plädiert, dass wir die verfassungsrechtliche Klage in Karlsruhe klären lassen. Dafür gibt es aber keine Mehrheit," sagte er.

Hermann sagte auch, dass er keine strafrechtliche Anzeige erstatten wolle. "Es wäre absurd, den Bundeskanzler und den Außenminister zu verklagen, die in den vergangenen Monaten alles für den Frieden getan haben, was sie tun konnten", sagte Hermann. "Ich bin stolz auf diese Friedenspolitik. Es wäre absurd, dagegen zu klagen."

Scholz verteidigt Überflugrechte

SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte, Deutschland gewähre den USA wie seit dem vorigen Herbst angekündigt Überflugrechte und schütze US-Kasernen. Jedoch werde weder für den Einsatz deutscher Soldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen über der Türkei noch in ABC-Spürpanzern in Kuwait ein neues Bundestagsmandat angestrebt. "Es ist keine Entscheidung des Bundestags notwendig, ob Deutschland seinen Verpflichtungen nachkommt."

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, auch seine Partei könne einen Krieg ohne Uno-Mandat, wie ihn die USA jetzt austrage, nicht billigen.

Einzig die Unionsfraktion bekannte sich im Bundestag klar zur Politik von US-Präsident Bush. Fraktionschefin Angela Merke sagte: "Mit Blick auf die Zukunft setzen wir alles daran, dass sich die Kraft und die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, des transatlantischen Bündnisses und der Vereinten Nationen mit Geschlossenheit und Einigkeit neu entfalten kann," sagte Merkel. CDU und CSU stünden zu den USA. Die Union stimme den von der Bundesregierung bewilligten Unterstützungsleistungen für die USA, Israel und die Türkei zu.

Kirchen kritisieren Krieg

Die katholische und die evangelische Kirche teilten in einer gemeinsamen Erklärung mit, dass viele Gläubige in diesem Moment große Trauer empfänden. "Dieser Krieg ist ein Ausdruck des Scheiterns der Politik." Krieg solle nicht sein: "Immer ist er eine Niederlage der Menschheit." Es gebe für den Angriff auf Irak trotz aller mit den USA geteilten Werte "keine ethische oder völkerrechtliche Rechtfertigung". Nun gehe es darum, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern und den Krieg rasch zu beenden.



zurück...