"Sondergutachten
des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen:
Umwelt und Straßenverkehr - Hohe Mobilität
- Umweltverträglicher Verkehr" -"vom
09.02.2006
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren!
Wir befassen uns heute mit dem Gutachten des Sachverständigenrates
für Umweltfragen zum Straßenverkehr. Wenn
der Kollege Koeppen sagt, das sei noch ein Gutachten
der rot-grünen Regierung, dann muss ich sagen:
Nein, das ist ein Gutachten von unabhängigen Experten,
die in ihrem Feld die besten sind. Das ist ein Gutachten
des ganzen Hauses, des ganzen Parlaments.
Rot-Grün hat die Gutachter nicht nach ihrem Parteibuch,
sondern nach ihrer Kompetenz ausgesucht. Ich hoffe sehr,
dass Sie es nicht anders machen.
Schauen wir, was die Gutachter sagen, und nehmen wir
es zur Kenntnis! Das Mindeste, was man in dieser Debatte
tun kann, ist, die wichtigen Sachen zur Kenntnis zu
nehmen. Unübersehbar ist die Botschaft dieser Gutachter,
wenn sie schreiben: Der Straßenverkehr und seine
Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen sind so,
wie sie heute sind, „unzumutbar“. Das ist
der Kernsatz zu Beginn. Es ist unzumutbar, weil es zu
viele Verkehrstote gibt. Wie wir heute gehört haben,
sind es europaweit 44 000 Menschen. Unzumutbar sind
die Belastungen durch Luftschadstoffe und Feinstaub
sowie Lärm, die verminderte Lebensqualität
in den Städten, die Auswirkungen auf das Klima
und der Flächenverbrauch.
Nehmen wir das Beispiel Klima; das haben auch die
anderen zum Teil angesprochen: Im Bereich des Verkehrs
haben sich die klimaschädlichen Treibhausgase seit
1960 verfünffacht. In keinem anderen Sektor gibt
es so dramatische Wachstumsraten, die so problematisch
sind. Daran kann man nicht vorbeischauen. Das muss man
zur Kenntnis nehmen, wenn man dieses Gutachten bespricht.
Welche Einsichten gibt es noch? Ich glaube, der Kollege
Müller hat es zu Recht angesprochen – das
ist in der Debatte etwas untergegangen –: Es geht
nicht um den Verkehr, sondern um die Herstellung von
umweltverträglicher Mobilität. Das geschieht
in der Regel nicht durch mehr Verkehr, der womöglich
mehr Staus bedeutet, sondern durch eine umweltverträgliche,
geschickte Abwicklung. Mehr Straßen bedeuten nicht
automatisch mehr Mobilität. Ein Beitrag zur Mobilität
ist auch, sich vielleicht ab und zu weniger bewegen
zu müssen und die Wege zu verkürzen. Kollege
Koeppen, auch das haben Sie leider übersehen.
Die Experten sagen: Die Politik braucht klare Ziele,
wenn sie in der Verkehrspolitik etwas bewegen will,
zum Beispiel die Halbierung der Zahl der Verkehrstoten
bis 2015 oder eine deutliche Absenkung der Belastung
durch Klimagase oder auch eine klare Vorgabe dafür,
wie viel Lärm wir in wie vielen Jahren reduzieren
wol¬len. Sie sprechen zum Beispiel von 10 Dezibel,
was wirklich eine dramatische Verringerung bzw. auch
dramatische Erleichterung für die Anwohner bedeuten
würde. Sie loben das Ziel der alten Regierung,
den Flächenverbrauch auf nur noch 30 Hektar pro
Tag im Jahr 2020 zu senken.
Hier wurden also einige Beispiele gegeben und Vor¬gaben
gemacht. Die Experten sagen aber auch: Das Setzen von
Zielen nützt nichts, wenn wir sie nicht endlich
strategisch angehen. Ich glaube, hier muss man die jetzige
und auch – das sage ich hinzu – die vorige
Regierung kritisieren. Es ist im Verkehrssektor nicht
gelungen, das zu erreichen, was in anderen Feldern,
zum Beispiel im Energiesektor, auch geschafft wurde,
nämlich eine Strategie zu entwickeln, durch die
deutlich und nachvollziehbar gemacht wird, dass wir
aus der hohen Abhängigkeit vom Öl aussteigen,
dass wir mit den hohen Umweltbelastungen Schluss machen
und wie wir das tun. Es gibt noch keinen durchschlagenden
strategischen Ansatz. Das vermissen wir noch bis heute.
Das fehlt üb¬rigens auch im Koalitionsvertrag.
Die Experten empfehlen uns, dass wir nicht nur auf
eine Strategie setzen, sondern bewusst mehrere Strategien
angehen und sie miteinander vernetzen, weil eine Richtung
alleine nicht ausreichen wird. Sie empfehlen die Optimierung
der technischen Möglichkeiten. Auch hier meine
ich, dass der Kollege von der CDU das nicht richtig
gelesen hat. Das ist ein ausdrücklicher Schwerpunkt
in diesem Gutachten: Die technischen Möglichkeiten
müssen ausgeschöpft werden, um die Umweltbelastungen
zu reduzieren. Gerade darin liegt die ökonomische
Chance einer umweltverträglichen Verkehrspolitik.
Man muss Automobile entwickeln, die umweltverträglich
und deswegen weltweit besser verkäuflich sind.
Das eigentliche Problem ist doch, dass die deutsche
Automobilindustrie, wenn man nichts tut, Ladenhüter
produziert, die niemand mehr kaufen kann, weil sie zu
belastend sind und zu viel Energie und Sprit verbrauchen.
Das ist doch das Risiko.
Eine ökonomisch vernünftige Umweltpolitik
ist also eine ambitionierte Umweltpolitik, weil sie
die Wirtschaft nach vorne treibt und exportfähig
macht.
Ich komme zum Schluss. Der Überziehungskredit
gilt offensichtlich nicht mehr für die Altredner.
Deswegen komme ich jetzt zu meinen zwei Schlusssätzen.
Hier wird deutlich gemacht: Wir schaffen mehr Umweltverträglichkeit
mit technischer Optimierung. Zugleich müssen wir
aber auch eine Strategie dafür entwickeln, wie
man Verkehr vermeiden und verlagern kann; denn sonst
werden alle technischen Errungenschaften durch mehr
Straßenverkehr aufgefressen, wie das in den letzten
Jahren der Fall war.
Vielen Dank.
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